Rechtskolumne:Darf man eine Kamera-Attrappe installieren?

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Macht das Gerät tatsächlich Videoaufnahmen oder handelt es sich um eine Fake-Kamera? Das kann man häufig nicht erkennen. Doch allein schon der Anblick eines solchen Gerätes kann Unbehagen auslösen. (Foto: Imago/YAY Images)

Auch Videokameras, die nicht aufzeichnen, können verboten werden. Warum das häufig der Fall ist und wie Richter argumentieren.

Von Stephanie Schmidt

Sympathischer Typ, der da vor ein paar Monaten in den zweiten Teil der Doppelhaushälfte direkt neben einen gezogen ist; er hat einen schon bald zu einem Kennenlernabend mit Umtrunk und Snacks eingeladen. Seitdem kam es immer wieder mal zu einem netten Ratsch, wenn man sich zufällig auf der Straße traf. Da bemerkt man eines Tages die Kamera, die der Neue am Vorplatz seines Hauses montiert hat. "Das Ding ist doch zum Teil auch auf meinen Hauseingang gerichtet", denkt man sich. "Will der mich etwa überwachen?" Man kann ja mal nachfragen. "Keine Sorge", sagt der Nachbar fröhlich grinsend, "das ist nur eine Kamera-Attrappe." Sie solle der Abschreckung dienen, denn an seinem früheren Wohnsitz hätten Sprayer immer wieder das Garagentor verunstaltet.

Nur eine Attrappe? Egal, ob funktionierende Kamera oder ein leeres Gehäuse, nicht jede oder jeder nimmt das einfach hin. Und man muss es auch nicht akzeptieren. Betreiben Hauseigentümer eine echte Kamera und nehmen dabei nicht nur ihr eigenes Anwesen, sondern Teile des Nachbargrundstücks oder öffentlicher Wege ins Visier, kann ihnen das gerichtlich untersagt werden. In bestimmten Fällen führt selbst eine Fake-Kamera zu Streitigkeiten, die im Gerichtssaal ausgefochten werden - und am Ende muss nicht selten selbst das Gerät, das innen hohl ist, weichen.

Ein schlagkräftiges Argument ist in diesem Zusammenhang der "Überwachungsdruck", so der Fachjargon: Eine Attrappe kann bei Hausbewohnern die Angst erzeugen, dauerhaft überwacht zu werden - was folglich ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen würde. Eigentümer und Vermieter könnten ja klammheimlich eine zunächst zum Schein installierte Kamera funktionsfähig machen - technisch möglich ist das. Mit einer entsprechenden Argumentation verbot das Landgericht Berlin eine täuschend echt aussehende Kamera-Attrappe, die ein Vermieter im Mietwohngebäude aufgestellt hatte (Az. 67 S 305/17). Es sei unzumutbar für Mieter, sich permanent vergewissern zu müssen, ob sie nicht inzwischen doch gefilmt werden.

Nur bei der Gefahr wiederholter schwerer Sachbeschädigungen sei Videoüberwachung im Mietwohngebäude zulässig, führten die Richter zu dieser Situation aus; eine solche Gefahr habe der Vermieter aber nicht nachweisen können. Ebenfalls für rechtswidrig hielt das Landgericht München eine Attrappe, die ein Hauseigentümer an seinem Domizil angebracht hatte und seinem Nachbarn den Eindruck vermittelte, er werde observiert (Az. 133 C 4449/20). In vielen Fällen ist es für Betrachter schwierig, zu erkennen, ob es sich um eine echte oder um eine falsche Kamera handelt.

Rechtsfrage
:Darf man an seinem Haus eine Kamera installieren?

Überwachungsvideos am oder im Wohngebäude aufzuzeichnen, ist eine heikle Sache. Das gilt insbesondere für Vermieter, aber auch für Mieter und Eigenheimbesitzer. Worauf es ankommt.

Von Stephanie Schmidt

Für den hohen Stellenwert des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht der folgende Fall: Der Eigentümer eines Mehrparteienhauses ließ eine professionell wirkende, aber funktionsuntüchtige Videokamera-Attrappe am Hauseingang installieren. Damit wollte er die Freier einer Prostituierten abschrecken, die immer wieder zu Besuch kamen. Die Richter entschieden jedoch: Der Eigentümer darf keine Kamera montieren, selbst wenn es nur eine Attrappe ist (Az. 8 O 42/99).

Gerichte können aber bei diesem Thema auch zu einem anderen Schluss kommen: Ein Vermieter installierte zum Schutz vor Vandalismus Fake-Kameras. Darüber informierte er seinen Mieter, der dennoch einen Rechtsstreit initiierte. Das Amtsgericht Schöneberg wies die Klage mit der Begründung ab, lediglich die Befürchtung, der Vermieter könnte die Attrappen eines Tages gegen echte Kameras tauschen, bedeute noch keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Az. 103 C 160/14).

Reinhold Okon, Spezialist für Datenschutz in der Haus- und Immobilienverwaltung, hält die Angst davor, dass eine Attrappe in eine funktionierende Kamera verwandelt werden könnte, in vielen Fällen für übertrieben. Der IT-Sachverständige berät unter anderem Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) zum Thema rechtssichere Videoüberwachung. "Selbst dann, wenn man Einbrecher mit der Kamera gefilmt hat, bringt das oft nichts, weil sie sich in der Regel vermummen", fasst er seine Erfahrungen zusammen. "Videoüberwachung ist die schärfste Maßnahme, die ich dann empfehle, wenn nichts anderes mehr greift. Denn da könnten ja auch so viele Leute aufgezeichnet werden, die unschuldig sind", erläutert Okon, der auch Seminare zum Thema Datenschutz hält. Das wäre ein Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild. Der Einzelne verliert bei solchen Aktionen die Kontrolle darüber, wo und wem diese Aufnahmen gezeigt werden.

Wenn man zum Beispiel Diebe vom Grundstück fernhalten wolle, rät Okon der WEG, Vermietern oder privaten Hauseigentümern, es zunächst mit neuen Schlössern, einem guten Beleuchtungskonzept - oder eben mit Attrappen zu probieren. Seine Empfehlung: schriftlich verschiedene Punkte festhalten, etwa, warum man die Attrappen installiert, und dass man keine Aufzeichnungen plant. "Dann wissen die Behörden im Zweifelsfall, dass sich Haus- oder Wohnungseigentümer mit dem Datenschutz und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auseinandergesetzt haben."

Jedenfalls sollte man nicht aus Jux und Tollerei oder weil man dem Nachbarn eins auswischen will, eine Kamera-Überwachung vortäuschen. Okon sagt dazu: "Ich bin für Attrappen, sofern es darum geht, Straftaten zu verhindern."

Die Autorin saß gern auf ihrem Balkon - solange bis neben ihm ein Außenaufzug installiert wurde. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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