Rechtskolumne: Darf man das?:Nackt sein

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In der Regel darf man sich auf dem Balkon der eigenen Wohnung und in seinem Garten leicht bekleidet oder nackt aufhalten. Es kann allerdings Fälle geben, in denen das untersagt ist. (Foto: Mauritius Images/Westend 61)

Ohne Kleidung im eigenen Garten oder auf dem Balkon: Müssen andere das tolerieren? Kommt darauf an.

Von Stephanie Schmidt

Das neue Naturschwimmbad im eigenen Garten ist sogar pünktlich zu Beginn der Sommersaison fertig geworden, mit Wasserschwertlilien, Teichrosen, Zyperngras und vorgelagerter Holzterrasse. Die ersten Frösche und Libellen haben sich auch schon eingefunden. Wie im Paradies. Da ist es doch auch das Natürlichste, denkt sich der eine oder andere, im Adamskostüm ins Wasser zu gleiten und sich nach dem Baden hüllenlos auf den Holzpaneelen zu erholen. Wenn allerdings der Hauseigentümer von nebenan plötzlich mit grimmiger Miene am Zaun steht, mit den Armen fuchtelt und empört ruft: "Ziehen Sie sofort eine Badehose an!", dann war's das erst mal mit der Entspannung.

Doch muss man sich von Nachbarn das Nacktbaden im eigenen Garten verbieten lassen? Prinzipiell darf man hierzulande in seinen eigenen vier Wänden, im Garten und auf dem Balkon tun und lassen, was man möchte, solange man dabei nicht gegen ein Gesetz oder die Hausordnung verstößt. "Wer sich also oben ohne sonnt, sich nackt in der Außendusche oder im Pool erfrischt oder textilfrei auf dem Balkon entspannt, begeht keine Straftat", stellt Swen Walentowski, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins, klar. In anderen Kulturen gibt es hingegen Restriktionen selbst für den Aufenthalt in privaten Innenräumen. So dürfen Passanten oder Nachbarn in Singapur zum Beispiel nichts davon mitbekommen, wenn man sich nackt in seiner Wohnung bewegt. Sonst drohen hohe Geldbußen und sogar eine Haftstrafe.

Doch auch in Deutschland sind der Freikörperkultur zu Hause Grenzen gesetzt: Wer den Eindruck hat, dass ihm der Nachbar mit Gartensauna den Anblick seines nackten Körpers regelrecht aufdrängt, kann zum Ordnungsamt oder zur Polizei gehen. Rechtsanwalt Walentowski verweist in diesem Kontext auf Paragraf 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Darin heißt es: "Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen." Eine Ordnungswidrigkeit kann mit einem Bußgeld zwischen fünf und 1000 Euro verbunden sein.

Längst nicht immer handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Entscheidend ist der Einzelfall. Ein besonderer Aspekt dabei ist das Kindeswohl. Wer sich auf einer Terrasse nackt sonnt und ignoriert, dass diese von der nahe gelegenen Kita oder Mensa einer Grundschule aus einsehbar ist, wird das mit größter Wahrscheinlichkeit bald bleiben lassen müssen.

Die Grenze des für andere Zumutbaren dürfte auch überschritten sein, wenn ein Nudist regelmäßig im Treppenhaus unterwegs ist oder wenn jemand die zur Straße hin ausgerichteten großen Fenster seiner Erdgeschosswohnung quasi wie einen Schaukasten nutzt, in dem sie oder er sich wiederholt nackt präsentiert und Passanten provozierende Blicke zuwirft. Oder wenn ein öffentlicher Fußweg direkt neben einem Privatgrundstück verläuft und die Spaziergänger freie Sicht auf den Pool haben, an dem sich die Hauseigentümer nackt zu sonnen pflegen. "Die Einsehbarkeit des Gartens oder des Balkons spielt eine Rolle dabei, ob man sich freizügig zeigen darf", sagt Walentowski, der auch Leiter der Pressestelle des Deutschen Anwaltvereins ist. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit spielt da ebenfalls mit rein. Ist die Naturistin auf dem Balkon vielleicht gar nicht aus der Nähe, sondern nur von einem weiter entfernten Mietshaus aus zu sehen? Sonnt sich da jemand nicht völlig entblößt, sondern gelegentlich oben ohne? Wem solche Szenarien nicht behagen, der wird sie in der Regel dulden müssen.

Wenn sich der Vermieter nackt im Hof sonnt, ist das nicht von Haus aus eine Zumutung für Berufstätige

Aber könnte man vielleicht die Miete mindern, wenn man öfters vom vierten Stock seiner Wohnanlage auf Nackte in den Gärtchen im Innenhof herunterblickt? Swen Walentowski mahnt zur Zurückhaltung, wenn es darum geht, eigenmächtig die Miete zu kürzen, und verweist auf ein Urteil, das das Oberlandesgericht Frankfurt in diesem Frühjahr fällte. Fazit: Ein nackter Vermieter im Hof ist kein Mietmangel. In einem Wohngebäude, das auch als Bürohaus genutzt wird, minderten Berufstätige die Miete, weil sie sich am Arbeitsplatz dadurch belästigt fühlten, dass der Vermieter unbekleidet im Hof Sonnenbäder nahm. Die "Gebrauchstauglichkeit" der gemieteten Büros werde dadurch nicht eingeschränkt, befand das Gericht. Wesentlich für die Entscheidung war aber auch die Tatsache, dass den Nackten nur sehen konnte, wer sich aus dem Fenster beugte (Az. 2 U 43/229).

Wenn Mieter oder Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) in Harmonie mit den Nachbarn leben wollen, sollten sie sich allerdings die Hausordnung genau ansehen. Darin kann stehen, dass man sich nicht nackt auf dem Balkon ausruhen darf. Verstößt ein Eigentümer gegen eine solche Regelung, dann können andere Mitglieder der WEG "den Störer gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch nehmen", stellt Walentowski fest. Mieter müssen damit rechnen, dass der Vermieter sie abmahnt. Auch wenn die Hausordnung keine Vorgaben dazu macht - für überzeugte Naturisten im Mehrparteienhaus, die ganz auf der sicheren Seite sein wollen, kann es ratsam sein, eine Sichtschutzwand am Balkon anzubringen.

Der eine liebt FKK, der andere verachtet das - zugegebenermaßen keine tolle Voraussetzung für gute Nachbarschaft. Aber bevor man gleich zu offiziellen Ordnungshütern eilt, sollte man versuchen, mit den Nachbarn zu reden, rät Swen Walentowski. Vielleicht kann man sich ja darauf einigen, dass die einen ihre Gartenhecke etwas höher wachsen lassen und die anderen einfach mal wegschauen.

Die Autorin saß gern auf ihrem Balkon - solange bis neben ihm ein Außenaufzug installiert wurde. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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