Kolumne: Darf man das?:Auf dem Balkon grillen

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Mitten in der Grillsaison wirbt der Umweltverband LBV dafür, öfter auf Fleisch zu verzichten. (Foto: Oksana Nazarchuk/Imago)

Im Frühling beginnt die Grillsaison: Auch auf dem Balkon und im Garten werden wieder Steaks und Maiskolben gebrutzelt. Was dabei erlaubt ist, kann von Ort zu Ort ziemlich unterschiedlich sein.

Von Tobias Bug

Die Grillsaison ist eröffnet, Steaks, Halloumi, Würstchen und Maiskolben brutzeln wieder auf dem Balkon, auf der Terrasse und im Garten. Aber Moment mal: Ist es eigentlich erlaubt, den Schaschlikspieß auf dem Balkon zu grillen? Bekommt man nicht Probleme mit den Nachbarn, wenn man den Steckerlfisch im Garten gart?

Im Immobilienrecht ist das Grillen überhaupt nicht geregelt - das Gesetz erlaubt also grundsätzlich erst einmal alles. Wer wissen möchte, was er daheim machen darf, dem hilft ein Blick in den Mietvertrag oder in die Hausordnung. "Wenn es keine Vorschriften gibt, darf ich grillen, muss aber trotzdem Rücksicht auf meine Nachbarn nehmen", sagt Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland.

Die meisten Vermieter, Hausverwaltungen oder Eigentümergemeinschaften schränken das Grillen auf Balkon, Terrasse oder im Garten allerdings ein. "Es gibt einen bunten Strauß von dem, was erlaubt und was verboten ist", sagt Wagner. Einige Vermieter gestatten es ihren Mietern, zweimal die Woche auf dem Balkon zu grillen, andere nur dreimal im Jahr. Mancherorts darf man mit Gas, Kohle oder Strom grillen, andernorts sind nur Elektrogrills erlaubt. Schon in den Siebzigern hat das Amtsgericht Hamburg Grillen mit Holzkohle auf dem Balkon verboten (Az. 40 C 229/72) - eine Brandschutzmaßnahme.

Was das Grillen betrifft, gibt es zwischen Wohnungsmietern und -eigentümern keine rechtlichen Unterschiede. Der Eigentümer darf grundsätzlich nicht mehr als der Mieter, er muss sich an die Vorschriften halten, die die Eigentümerversammlung beschlossen hat. Freier sind nur diejenigen, die ein Einfamilienhaus besitzen. Sie dürfen im Garten grillen, solange sie die Menschen nebenan nur unwesentlich einräuchern. Übermäßiges Einräuchern ist eine Ordnungswidrigkeit, bei der eine Geldbuße droht.

Vor deutschen Amts- und Landgerichten wurden schon unzählige Bratwürste verhandelt, Rauch- und Fleischgeruch haben viele Nachbarschaftsstreits entfacht. Erst kürzlich ging ein jahrelanger Konflikt in Bad Tölz zu Ende. Weil dort ein Mann angeblich fast täglich auf seiner Terrasse im Erdgeschoss gegrillt hatte, war das Ehepaar im zweiten Stock vor Gericht gezogen. Auf einen vom Richter vorgeschlagenen Vergleich konnten sie sich nicht einigen, also hörte das Amtsgericht Wolfratshausen vor zwei Jahren ein Dutzend Zeugen an. Doch auch mit dem Urteil waren die Parteien unzufrieden und gingen in Berufung.

Vor Kurzem urteilte das Landgericht München I in diesem Streitfall: Grillen sei grundsätzlich ein sozialadäquates Verhalten, das Anrainer hinnehmen müssten - in Maßen. Das bedeutet für die Münchner Richter: viermal im Monat, und nicht an zwei aufeinanderfolgenden Sonn- und Feiertagen (Az. 1 S 7620/22). Hält sich der Mann aus dem Erdgeschoss nicht daran, muss er bis zu einer Viertelmillion Euro Bußgeld zahlen. Inklusive Würstchen und Steaks wäre das ein teurer Grillspaß für ihn. Wenn er nicht zahlen möchte oder kann, drohen ihm maximal sechs Monate Ordnungshaft. Er wird aber wohl nicht den Grillrost gegen Gefängnisgitter eintauschen wollen.

Es gibt keine allgemeingültigen Regeln zum Grillen. Aber sehr viele Urteile mit individuellen Handlungsanweisungen

So ein Urteil gilt grundsätzlich nur zwischen den Streitparteien. "Aber die anderen Hausbewohner und der Vermieter sollten sich auch daran halten", sagt Wagner. Wer geruchsempfindliche Nachbarn hat und ein Verfahren vermeiden möchte, kann sich auch an Gerichtsurteilen in der Heimatregion orientieren, bevor er den Grill anschmeißt. Denn auch der Vermieter klagt manchmal, gerade dann, wenn einer seiner Mieter wegen des nachbarschaftlichen Rauchs die Miete mindert. Ein Verstoß gegen die Grillregeln ist - nach Abmahnung - ein Kündigungsgrund.

Streit gibt es vor allem in Mehrparteienhäusern, Balkongrills lösen häufiger Kontroversen aus als die im Garten, denn eines ist ja klar: Je größer der Abstand, desto seltener gibt es dicke Luft. Eindeutige Handlungsanweisungen sind nicht möglich: Selbst Richter sind sich uneins, wenn es um die Wurst geht. "Es gibt Hunderte Gerichtsurteile dazu, aber die sind null einheitlich", sagt Wagner.

Sie stimmen nicht einmal darin überein, ob Grillen auf dem Balkon und im Garten erlaubt oder verboten gehört. Das Landgericht Essen urteilte im Jahr 2001, der Vermieter könne ein absolutes Grillverbot aussprechen (Az. 10 S 438/01), zwei Jahre später entschied das Landgericht München, dass weder ein generelles Grillverbot noch eine generelle Grillerlaubnis zulässig sei (Az. 15 S 22735/03). Andere Gerichte geben den Standort des Grills und dessen Laufzeiten vor: Zwei Grillabende im Monat zwischen 17 und 22.30 Uhr findet das Landgericht Aachen den Nachbarn zumutbar, solange sie sich im hinteren Gartenteil abspielen (Az. 6 S 2/02). Ein Grillfeind war wohl der Richter am Stuttgarter Landgericht im Jahr 1996, der entschied: Schon vier Grillsessions im Jahr seien eine erhebliche Beeinträchtigung (Az. 10 T 359/96).

All diese Gerichtsverfahren endeten immer in einem Kompromiss, mit dem letztendlich niemand glücklich sei, sagt Wagner. Der Grillfan würde lieber noch öfter grillen, der Nachbar gerne noch seltener eingeräuchert werden. Doch vieles klärt sich im persönlichen Gespräch. Also: Bevor das erste Steak brutzelt, einfach mal bei den Nachbarn klingeln und fragen, ob sie lieber die Fenster zumachen - oder einfach mal dazukommen möchten.

Der Autor hat noch nie auf dem Balkon gegrillt. Er brutzelt seine Steaks lieber im Englischen Garten oder an der Isar. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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