Urteil am Landgericht München I:Nur viermal Grillen im Monat

Urteil am Landgericht München I: Jahrelang ging es juristisch um die Wurst - erst am Wolfratshauser Amtsgericht und dann am Landgericht München I.

Jahrelang ging es juristisch um die Wurst - erst am Wolfratshauser Amtsgericht und dann am Landgericht München I.

(Foto: Westend61/imago)

Ein Tölzer Pärchen hat geklagt, weil es sich durch den Rauch gestört fühlt, wenn ihr Nachbar sein Elektrogerät benutzt. Der Fall ging in Berufung, das Landgericht München I legt nun Höchstwerte fest.

Von Benjamin Engel, München/Bad Tölz

Die mehrjährige juristische Auseinandersetzung über das Grillen in einer Tölzer Mehrfamilienimmobilie hat die gesamte Hausgemeinschaft mit hineingezogen - und dürfte womöglich weiter ausstrahlend wirken. In der Berufsverhandlung urteilte die erste Zivilkammer des Landgerichts München I am vergangenen Mittwoch, dass der Beklagte seine Grillaktivitäten zeitlich begrenzen muss.

Auf seiner Terrasse im Erdgeschoss des Hauses darf der Mann nur noch höchstens viermal im Monat grillen. Ebenso ist es ihm nicht erlaubt, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen am Wochenende - Samstag und Sonntag - oder an zwei aufeinanderfolgenden Sonn- und Feiertagen zu grillen. Bei Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro angedroht. So lautet der zentrale Tenor des Urteils am Landgericht.

Im Streit zwischen dem grillenden Beklagten im Erdgeschoss und einem sich davon gestört fühlenden Pärchen im zweiten Stock hatte das Wolfratshauser Amtsgericht erstmals im Jahr 2021 verhandelt. Das Duo beklagte vor allem, dass Rauch und Qualm in ihre Wohnung zog, wenn der Elektrogrill benutzt werde. Gewünscht hätte sich das Pärchen, dass ihr Nachbar nur fünfmal im Jahr und höchstens zweimal pro Monat grillt. Ein Vergleichsvorschlag des Richters, das Grillen auf viermal im Monat sowie 20 Mal im Kalenderjahr zu begrenzen, scheiterte vor allem an der Beklagtenseite. Damit folgte, dass circa ein Dutzend Zeugen aus der Wohnungseigentümergemeinschaft vor Gericht aussagen mussten.

Fleischduft oder Räucherkammer

Was diese berichteten, war höchst unterschiedlich. Manche gaben an, dass sie die Familie aus dem Erdgeschoss noch nie beim Grillen gesehen haben. Andere schilderten viele Male. Zu riechen war nach Darstellung der einen nur Fleischduft, für andere stank es nach "Räucherkammer". Am Amtsgericht scheiterte das Pärchen jedoch damit, weitgehende Beschränkungen beim Grillen durchzusetzen.

Urteil am Landgericht München I: Wie oft ist Grillen erlaubt? Nun ist ein Urteil in München zu einem Fall in Bad Tölz gefallen.

Wie oft ist Grillen erlaubt? Nun ist ein Urteil in München zu einem Fall in Bad Tölz gefallen.

(Foto: Daniel M. Frei/dpa)

Vor dem Landgericht München I wiederholte sich nun der Ablauf mit mehreren Terminen und Zeugenaussagen. Eine Nachbarin berichtete Mitte Februar 2023, dass es sie gestört habe, als der Grillgeruch durch das geöffnete Fenster in ihr Schlafzimmer gezogen sei. Besonders extremen Gestank haben sie aber nicht wahrgenommen. "Es waren halt Essensgerüche", so die Frau. Wie oft der Beklagte insgesamt gegrillt habe, könne sie nicht erinnern. Damals stellte der Anwalt des Beklagten, Michael Pointner, am Verhandlungsende fest: "Wie weit das in der klägerischen Wohnung ankommt, steht für mich nach der Beweisaufnahme nicht fest." Der Beklagte selbst fand es traurig genug, dass die Berufung überhaupt angenommen worden sei. "Mein Elektrogrill steht in 16 Metern Entfernung."

"Das ist sehr ausgewogen", so Anwalt Klimesch

Als "sehr gute Entscheidung" bezeichnet der Anwalt des klagenden Pärchens, Martin Klimesch von der Rechtsanwaltskanzlei Klimesch & Kollegen, das jetzige Urteil auf Nachfrage am Donnerstag. "Das ist sehr ausgewogen." Für ihn sind die gegenläufigen Interessen der Nachbarn ausgewogen in Ausgleich gebracht. Dagegen war der Anwalt des Beklagten für eine Stellungnahme am Donnerstag nicht zu erreichen.

Eine weitere Rolle im Prozess hatte gespielt, dass der grillende Beklagte eine Kamera auf den Balkon des Pärchens ausgerichtet haben soll. Inwieweit diese aufnahmefähig war, wurde vor dem Wolfratshauser Amtsgericht im Mai 2021 nicht ganz klar. Laut dem jetzigen Urteil des Landgerichts soll der Mann es unterlassen, ein Handy oder eine sonstige Kamera vom Garten, der Terrassenbrüstung oder einem sonstigen Ort auf den Kläger oder dessen Wohnung und Balkon im zweiten Obergeschoss des Hauses zu richten. Handelt der Beklagte zuwider, droht ein Ordnungsgeld.

Inwieweit der juristische Streit den Hausfrieden innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft geschädigt hat, bleibt offen. Zumindest gibt es nun aber einen Orientierungsrahmen, wann Grillen unverträglich werden könnte.

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