Kolumne "Eigener Herd":Von Süße und Säure

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So ungefähr sollte eine gute Tomatenauslage aussehen. In Deutschland ist solche Vielfalt aber leider selten. (Foto: imago stock&people/imago stock&people)

Gute Tomaten schmecken oft besonders fruchtig. Entsprechend sollte man sie kombinieren. Zum Beispiel mit Kirschen und Knoblauch für eine kalte Gemüsesuppe.

Von Marten Rolff

Die Tomate ist ein erklärtes Lieblingsgemüse der Deutschen, die vielgepriesene "Königin" der mediterranen Küche und zugleich Prunkstück auch des kleinsten Balkonbeetes. Als solche gehört sie natürlich zwingend überall hinein. Egal in welchem Aggregatzustand. Ob in den Salat, in die Pasta oder auf die Pommes. Sie passt ja auch wunderbar zu fast allem.

Das Merkwürdige an der großen Tomatenseligkeit ist nur, dass die meisten niemals erfahren, wie eine gute Tomate überhaupt schmeckt. Und nein, die Rede ist hier nicht vom uralten Gejammer über holländische Gewächshausware. Es geht eher darum, dass zwischen anständigen (nicht etwa günstigen) und hervorragenden Tomaten geschmacklich noch einmal ein Quantensprung liegt. Und dass es diese wirklich hervorragenden Früchte nirgends zu kaufen gibt, es sei denn, man hätte einen rumänischen Bauernmarkt ums Eck. Oder man ließe sich eine Lage alte Sorten kühlkettenfrei von einem Spezialisten aus Österreich anliefern (derzeit ab drei Kilo zu 27 Euro) - beides natürlich eher unwahrscheinlich.

Ich glaube das alles so genau zu wissen, weil ich zur Tomatensaison im vergangenen Jahr einen kleinen Feldversuch unternommen habe. Nach der Rückkehr von einem beeindruckenden Gemüsehof in Österreich, den ich für eine Recherche besucht hatte, wollte ich wissen, wo man in München vergleichbar fantastische Tomaten bekommt. In einer Stadt also mit immerhin 1,5 Millionen Einwohnern, die im deutschen Vergleich eher als wohlhabend, anspruchsvoll und genussversessen gelten.

(Foto: N/A)

Die erschütternde Antwort war: nirgends. Solidarische Landwirtschaften und Privatgärten aller Art einmal ausgenommen. Es ist natürlich sehr gut möglich, dass ich etwas übersehen habe. Doch wurde ich tatsächlich weder auf dem Viktualienmarkt, noch in Delikatess-Supermärkten für Köche wirklich fündig. Ebenso wenig in diversen, angeblich bestsortierten Gemüsehandlungen. Und auch die auf einem Bauernhof für Selbstpflücker am Stadtrand angepriesenen Coeur de Boeuf-Tomaten erwiesen sich als blasse, wässrige Bälle, die dicke Haut so steinhart wie die Preise.

Nach und nach erweiterte ich meinen Radius; aber der erste Volltreffer war mehr als 60 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Für aromatische Tomaten braucht es Sonne, gute Sorten und kontrollierte Bewässerung, vor allem aber braucht es einen Bauern, der weiß, was Bodenaufbau ist. Und solche (Neu-)Bauern sind Martin Hesch und Veronika Baumann vom Bio-Hof Emersacker nordwestlich von Augsburg. 60 Kilometer sind natürlich eine Strecke, die man nicht eben mal fahren möchte, nur um den köstlichen Duft im Hofladen zu atmen. Es empfiehlt sich also anzurufen, um zu fragen, was da ist. "Fünf Kilo Tomaten hätte ich sicher noch für Sie", sagt Veronika Baumann. Im Laden steht dann sogar eine Kiste mit zehn Kilo, ein Mix aus Rot, Gelb und Grün aus den herrlichsten Sorten in allen möglichen Formen und Größen. Doch die sind leider für einen rumänischen Ingenieur reserviert, der vor Glück fast geweint haben soll, als er in Emersacker endlich Tomaten fand, die schmeckten wie die in seiner Heimat, wie Baumann lächelnd erzählt.

Viele der besten Tomatensorten stammen aus Osteuropa

Die Deutschen glauben ja gerne, dass die besten Tomaten - San Marzano zum Beispiel - aus Süditalien kommen. Doch wenn das auch nicht ganz falsch ist, lohnt es sich noch mehr, nach Züchtungen aus Nordamerika oder Osteuropa zu fragen. Nach Ananastomaten etwa, Green Zebra, Black Magic, Valencia und mazedonischen oder bulgarischen Coeur de Boeuf. Nach fetten russsischen Altajskis oder der schlanken "Polnischen Sängerin". Es sind Sorten, deren Geschmack an Melone, Mango, Papaya oder Walderdbeere erinnern kann. Die fleischig sind, aber nie mehlig. Saftig, zartsäuerlich, herzhaft und süß zugleich. Und aus denen man zum Beispiel Soße kochen kann, die nicht nur schmeckt, sondern glücklich macht. Wer richtig einsteigen möchte in die Welt der Tomatenpioniere, der Pflanzenhändler, Züchternerds und Sortenvielfalt, dem sei der großartige Band "Tomatenlust" von Ute Studer (Haupt Verlag AG) empfohlen.

In der Küche sollte man Tomaten wegen ihrer (tropen)-fruchtigen Anklänge öfter mit Früchten kombinieren. Zum Beispiel in Salaten, aber auch in Marmelade, Chutney oder Suppen. Ein besonders schönes Sommerrezept stammt aus dem Baskenland: Tomaten-Kirsch-Gazpacho. Und ja, die Kirschsaison ist vorbei, aber Tomaten sind eben jetzt besonders gut, und die Kirschen kann man auch mal eingefroren kaufen. Für die Gazpacho eine etwa faustgroße Coeur de Boeuf (es gehen auch andere Sorten, zum Beispiel viele Cocktailtomaten) putzen und fein würfeln, eine kleine Salatgurke schälen und würfeln, eine kleine Zwiebel fein würfeln, eine Knoblauchzehe in dünne Scheiben schneiden, 400 g entsteinte Kirschen halbieren, alles zusammen mit 50 ml bestem Olivenöl in einer Schüssel gut mischen und für drei Stunden abgedeckt im Kühlschrank durchziehen lassen. Anschließend mit etwas Salz und Pfeffer und 30 ml Sherry-Essig glattpürieren und nochmals abschmecken. Mit einer halben Handvoll in einer Pfanne gold gerösteten Mandelblättern und einigen weiteren halben Kirschen garnieren und eiskalt servieren.

Das Rezept, dessen Mengenverhältnisse man unbedingt nach Gusto abwandeln sollte, stammt aus dem wunderbaren Kochbuch "Baskisch" (Hölker-Verlag). Sein Autor José Pizarro schreibt, er habe es entwickelt, nachdem er auf dem Wochenmarkt von San Sebastián fantastische Kirschen und Tomaten nebeneinander entdeckt und überlegt hatte, wie gut beides zusammenpassen müsse. Das Ergebnis ist eine Suppe, die so schmeckt, wie man sich die Essenz des Sommers vorstellt.

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