Männertennis bei den US Open:Alcaraz, Djokovic - und der Rest

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Alle erwarten seinen Finaleinzug: Carlos Alcaraz (Foto: Matthew Stockman/Getty Images via AFP)

Bei den US Open warten alle auf das mögliche Finale zwischen Titelverteidiger Carlos Alcaraz und Novak Djokovic. Aber wie geht es all jenen, die dieses Turnier auch gerne gewinnen würden? Alexander Zverev zum Beispiel.

Von Jürgen Schmieder, New York

Hier ist ein kleines Zahlen- und Rechenspiel von diesen US Open: Jakub Mensik feierte am Freitag, als er seine Drittrunden-Partie gegen Taylor Fritz absolvierte, seinen 18. Geburtstag; er war damit am Ende der ersten Woche der jüngste noch verbliebene Teilnehmer im Männerfeld. Stan Wawrinka war bei seinem Zweitrunden-Sieg gegen Tomas Martin Etcheverry 38 Jahre und 156 Tage alt; er ist der Älteste bei den Männern. Der Altersunterschied zwischen Wawrinka und Mensik demzufolge: 20 Jahre und 156 Tage. Das sind genau 56 Tage mehr als das Alter des topgesetzten Carlos Alcaraz: 20 Jahre und 100 Tage.

Es passt also ein kompletter Alcaraz zwischen Wawrinka und Mensik, das ist die Altersspanne dieses Turniers. Und sollte der spanische Titelverteidiger das Viertelfinale erreichen, was nicht einmal seine möglichen Gegner auf dem Weg dorthin bezweifeln dürften, wird sein Herausforderer vom Wochenende an zwischen diesen vier Akteuren ermittelt: Wawrinka, Grigor Dimitrov (32 Jahre, besiegte Andy Murray), Alexander Zverev (26) und Jannik Sinner (22). Was ist das bitte für ein Viertel im Tableau; mit Top-Vertretern sämtlicher Generationen, in die Männertennis häufig unterteilt wird?

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Es gibt die Größen, die den Sport in den vergangenen 20 Jahren geprägt haben und immer noch tun; in der unteren Hälfte des Feldes spaziert Djokovic und kann bis zu den letzten Acht nur noch auf einen Akteur treffen, der ihn schon mal besiegt hat: Jiri Vesely, derzeit auf Platz 437 der Weltrangliste und wahrlich nicht austrainiert nach New York gereist. Gut möglich, dass Djokovic bis zum Finale bei jedem Match das gleiche Leibchen tragen kann, ohne es zwischendurch auch nur ein Mal waschen zu müssen, um es von Schweiß zu befreien. Warum? Nun, weil sich die Gesetzten Holger Rune (4), Caspar Ruud (5) und Stefanos Tsitsipas (7) bereits an den ersten drei Tagen aus dem Turnier verabschiedet haben und nicht einer der noch verbliebenen Herausforderer bezweifeln dürfte, dass Djokovic ins Endspiel kommt.

In Las Vegas werden schon total verrückte Wetten erdacht

Ja, das ist die Stimmung auf der Anlage, und auch die Wettanbieter in Las Vegas halten mittlerweile ein Duell zwischen Alcaraz und Djokovic für wahrscheinlicher als die Summe aus jeder anderen möglichen Kombination. Verrückt, aber aufgrund der Ergebnisse und den Duellen der beiden in den Endspielen von Wimbledon und Cincinnati in diesem Sommer auch gerechtfertigt.

Und die anderen?

Es gibt die ganz Jungen, also die New New Generation, die sich immer mehr ins Rampenlicht spielt, wie zum Beispiel der Schweizer Dominic Stricker (21 Jahre), der Stefanos Tsitsipas besiegte. Oder der bereits erwähnte Sinner, der seine bislang tolle Saison (mindestens Halbfinale bei sieben Turnieren, darunter in Wimbledon) kürzlich in Toronto mit dem ersten Masters-Titel seiner Laufbahn veredelte und am Samstag das Generationen-Duell mit Wawrinka erleben wird. Das sind also die Jungen, denen die Zukunft gehören soll - aber was ist eigentlich mit der Altersklasse dazwischen?

Alexander Zverev ist eines der Gesichter dieser sogenannten New Generation, von der es geheißen hatte, dass sie die Großen Drei Djokovic, Roger Federer und Rafael Nadal und deren Hofstaat (Murray, Wawrinka) beerben und die Grand-Slam-Titel unter sich verteilen würden. Das Fenster war eine Zeit lang offen, bei den US Open 2020 in Abwesenheit von Nadal und Federer sowie der Disqualifikation von Djokovic hatte es die Größe der Anzeigetafel im Arthur Ashe Stadium gehabt. Hindurch schlüpfte Dominic Thiem; im Finale gegen Zverev, der zwei Punkte vom Grand-Slam-Titel entfernt war. So nah ist er dem großen Triumph nicht mehr gekommen, auch wegen der schlimmen Verletzung am rechten Knöchel; nach dem Comeback erreichte er im Juni bei den French Open das Halbfinale.

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"Ich verstehe mittlerweile, wie das Geschäft funktioniert, und auch die Arbeit von Reportern", sagte Zverev nun in New York: "Es müssen immer Geschichten erzählt werden, und Rivalitäten taugen nun mal besonders. 2020 war es hier in New York: Nadal gegen alle; ein Jahr später der Dreikampf zwischen Djokovic, Medwedew und mir. Aktuell ist es die über die jüngeren Spieler und diese Duelle von Djokovic und Alcaraz."

Ist er gierig genug, um die großen Turniere zu gewinnen? Alexander Zverev hat zunächst einmal die dritte Runde der US Open erreicht. (Foto: Eduardo Munoz Alvarez/dpa)

Er sagt das völlig ohne Frust, eher schon in der Art: Ist nun mal so, stört mich nicht; sitze ich im Acht-Quadratmeter-Raum mit einer Handvoll Journalisten und nicht im ganz großen Saal mit Reportern aus aller Welt, die Fragen auf allen Seiten des journalistischen Spektrums stellen - also auch zu Marihuana-Duft, Käfern auf dem Platz oder Lieblings-Pasta-Sorte. Die für Zverev relevante Frage bei diesen US Open ist aber eine rein sportliche: Was kann er erreichen bei diesem Turnier?

"Es ist noch immer mein Comeback-Jahr. Es war schwer für mich, in die Partie zu finden", sagte er nach dem 7:6 (1), 3:6, 6:4, 6:3 gegen Landsmann Daniel Altmaier: "Er hat die Fähigkeit, sehr gute Spieler sehr schlecht spielen zu lassen - heuer zum Beispiel Sinner, Andrej Rublew und jetzt eben mich." Es habe nun mal gedauert, sich an die Bedingungen zu gewöhnen - aber vom dritten Durchgang an habe es geklickt: "Um ehrlich zu sein: Ich bin gerade die Nummer zwölf der Welt, ich bin noch immer auf dem Weg zurück zur Bestform."

Am Samstag geht es für Zverev gegen Grigor Dimitrov

Ein wenig nachdenklicher wird er, als ihn ein Reporter auf den nächsten Gegner Dimitrov anspricht und darauf, dass der als möglicherweise mehrmaliger Grand-Slam-Champ gegolten hatte - und dessen Fenster zum Triumph jedoch auf mikroskopische Größe geschrumpft ist. "Ich weiß, wie schwer es ist, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen - es gibt viele, die das nicht geschafft haben." Dann zählte er auf: David Nalbandian, Robin Söderling, Tomas Berdych, Tsitsipas - und irgendwann, da sagte er: "Ich habe auch keinen Slam gewonnen."

Vielleicht ist diese Unterteilung in Generationen völlig falsch. Im Grunde gibt es bei den Männern derzeit zwei Sorten Spieler: Djokovic und Alcaraz - und alle anderen, wobei es sinnvoll ist, Medwedew und Sinner in eine Art Zwischenraum zu stellen.

Das allerdings führt bei Zverev zur Feststellung: Für einen Triumph bei den US Open in diesem Jahr muss er, Sieg gegen Dimitrov vorausgesetzt, wohl erst gegen Sinner gewinnen und danach gegen Medwedew, Alcaraz und Djokovic. Einen steinigeren, steileren Weg kann es nicht geben bei einem Grand-Slam-Turnier derzeit. Das Fenster für Zverev hat die Größe einer Hundeklappe, die Toleranz für Fehler ist minimal - und gegen Altmaier hat er sich 98 geleistet, mehr als die Hälfte davon ohne Not.

Djokovic und Alcaraz: Der Altersunterschied zwischen diesen beiden übrigens: 17 Jahre und 17 Tage. Eine komplette Karriere, oder: fast ein Jakub Mensik.

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