Rückkehr in die 3. Liga:Haching ist zurück im Profigeschäft

Lesezeit: 4 min

Grenzenloser Jubel im Sportpark: Die SpVgg Unterhaching kehrt zurück in die dritte Liga. (Foto: Matthias Koch/Imago)

In einem turbulenten und von Ausschreitungen überschatteten Rückspiel gegen Cottbus gelingt der Spielvereinigung der Aufstieg. Trainer Sandro Wagner äußert sich zu seiner Zukunft.

Von Christoph Leischwitz

Später erzählte Sandro Wagner, dass er am Sonntag schon frühmorgens im Stadion war. Er habe sich alles nochmal angesehen, solange es ruhig war. Schließlich bedeutete die zweite Aufstiegspartie zur dritten Liga am Sonntag auch seinen Abschied von der SpVgg Unterhaching. Es ist viel passiert in den zwei Jahren mit ihm als Trainer, zum Beispiel hat die Mannschaft die Kabine umgestaltet. "Wir haben alles ausgeräumt, ich glaube, da standen noch vom Oberleitner die Schuhe, als der Ballack hier verloren hat", sagte er. Also aus dem Jahr 2000.

Es hat sich viel verändert mit Wagner, man kann wohl sagen, dass er hier ein bisschen Feuer entfacht hat. Es ist wieder was los in Unterhaching. Am Sonntag war sogar ganz besonders viel los. Gegen Ende der Halbzeitpause riss er dem Stadionsprecher das Mikrofon aus der Hand und brüllte hinein: "Die zweite Halbzeit sind wir so laut wie noch nie in Haching!" Vermutlich war es hier das letzte Mal so laut, als Ballack verlor. Andererseits hat der 35-Jährige selbst schon so viel erlebt im Profifußball, dass er stets kühlen Kopf bewahrte an diesem hitzigen Frühsommertag. Wagner sprach ruhig, mit dem Schiedsrichter und mit den Polizisten, die in der Schlussphase viel zu nah am Seitenrand wachten.

SZ PlusSandro Wagner
:"Magst du noch 'ne Wurscht oder ein Bier, wurde ich gefragt"

Früher FC Bayern, heute Coach bei der SpVgg Unterhaching: Sandro Wagner hat viel vor. Ein Gespräch über den Beginn seiner Trainerkarriere und seine Rolle als TV-Experte.

Interview von Sebastian Fischer und Christoph Leischwitz

Dem 2:1-Hinspielerfolg vom Mittwoch in Cottbus ließen die Unterhachinger am Sonntag einen 2:0-Sieg folgen, der bayerische Meister hatte sich wieder einmal in der Relegation durchgesetzt. In den letzten 25 Minuten dieser Partie stand die Polizei an drei Seiten des Spielfeldes Spalier. Es war ein langer Nachmittag geworden, vor allem wegen einer 15-minütigen Unterbrechung nach Ausschreitungen im Cottbuser Fanblock. Offenbar hatten sie schon beim Stand von 1:0 für Unterhaching kaum noch eine Chance gesehen, die Sache zu drehen, in der 67. Minute flogen Getränkebecher und Leuchtraketen aufs Feld, einige versuchten den Rasen zu stürmen, die Polizei setzte Pfefferspray ein.

In gewisser Weise hatte der spannende Fußball-Nachmittag schon mit Pyrotechnik begonnen, nicht auf den Rängen, sondern auf dem Rasen. Neun Böllerschützen sorgten vor Anpfiff für einen Riesenschrecken. Das ausverkaufte Stadion war klar in Rot und Weiß getrennt, die Gästefans hatten rote T-Shirts angezogen, die Hachinger nach einem Fanaufruf allesamt weiße. Man hätte das in den ersten Spielminuten, als die Partie erst Fahrt aufnehmen musste, für eine kreative Form von Fanfreundschaft halten können, denn auf dem Rasen trugen die Hachinger rote Trikots, Cottbus weiße. Doch mit zunehmender Spieldauer ging es immer unfreundlicher zu, jede noch so kleine Nickligkeit wirkte eskalierend. Nach einer knappen halben Stunde ließ sich erstmals Polizei im Nordosten des Stadions blicken, nachdem Cottbus-Anhänger eine Werbebande entfernt hatten.

Richtig Stimmung brachte die erste Chance der Gäste: Jan Shcherbakovski erwischte eine Flanke eher zufällig mit dem Hinterkopf, Hachings Keeper René Vollath konnte den wuchtigen Ball parieren (14.). Drei Minuten später die erste Chance der Hachinger - und die war drin, weil der Torwart den Ball nach einem Solo und einem Schuss aus spitzem Winkel von Patrick Hobsch nicht festhalten konnte; Mathias Fetsch staubte ab. Das kongeniale Angriffsduo, das schon die Regionalliga-Saison dominiert hatte (zusammen 40 Tore), war also auch am Sonntag ein wichtiger Faktor für den Erfolg - ein weiterer war Vollath, der über die Saison hinweg eher selten im Rampenlicht stand, nicht einmal beim 2:1-Erfolg der Hachinger im Hinspiel. Vollath blieb bei einigen Großchancen der Gäste cool und gleich zweimal im Eins-gegen-eins unüberwindbar (34., 46.). Auch schien es dem 33-jährigen Keeper nichts auszumachen, dass er in der zweiten Halbzeit die Cottbus-Fans in seinem Rücken wusste. "Ich verstehe auch ein bisschen den Unmut", sagte er sogar - er war sich sicher, dass die Wut der Gästefans aus der Ungerechtigkeit herrühre, als Meister nicht aufsteigen zu dürfen.

Vor zehn Tagen, sagte Schwabl, habe er den Ball der Mannschaft zugespielt, und die habe ihn "zweimal grandios reingehauen".

So gab es viele kuriose Szenen rund um das Spiel. Einen Cottbus-Präsidenten Sebastian Lemke, der sich in der Pause mit Platzwarten und Fans auf der Haupttribüne anlegte; ein Unterhachinger Maskottchen, das vom Schiedsrichter ermahnt wurde, bitte fernzubleiben, obwohl sein Träger nur die eigenen Fans beruhigen wollte, die den Cottbuser Kapitän Axel Borgmann mit Bechern bewarfen. Oder den Gästespieler Tobias Eisenhuth, der sich in der 106. Spielminute zwischen zwei Polizeibeamten in voller Montur durchdrücken musste, um den Ball für einen Einwurf zu suchen. Eine Verzweiflungstat, denn spätestens nach dem 2:0 des starken Simon Skarlatidis (93.) war der Aufstieg entscheiden. Nach Schlusspfiff war die Polizei damit beschäftigt, die platzstürmenden Haching-Fans vom Gäste-Anhang fernzuhalten. Viele Hachinger Ex-Spieler standen im Getümmel, so schrieb zum Beispiel auch der Dortmunder Karim Adeyemi Autogramme.

Die Polizei platzierte sich vor dem Cottbus-Block. (Foto: IMAGO/Matthias Koch)

"In den letzten Monaten lag der Ball bei mir", sagte Hachings Präsident Manfred Schwabl nach dem Spiel. Die Frage, ob der Verein die Lizenz erhalten würde, war zur Hängepartie geworden. "Vor zehn Tagen habe ich ihn der Mannschaft zugespielt", fuhr Schwabl fort, "und die hat ihn zweimal grandios reingehauen." Dass sich die Mannschaft von der Ungewissheit nicht habe abbringen lassen, sei "ihr Job", sagte er. In diesem Moment kam Sandro Wagner vorbei, umarmte den Präsidenten und klopfte ihm auf die Brust: "Dieser Mann hat mir den Weg in mein Trainergeschäft geebnet, da bin ich dir ewig dankbar, wirklich", sagte er.

Gerüchten, wonach Wagner in der kommenden Saison zum FC Liefering wechselt, erteilte er eine Absage: "Es ist sch...egal, was ich nächste Saison mache", das sei alles zu viel gewesen, er wolle nicht nur als TV-Experte etwas kürzer treten, sondern auch als Trainer erst einmal nur eine Hospitanz machen. Beiläufig erwähnte er noch, dass sich einige Verträge mit dem Aufstieg verlängerten, zum Beispiel jener von Patrick Hobsch. Dann schritt er zum letzten Mal aus der Tür. Eine Handvoll Fans wartete auf ihn und klatschte ihm zu und auf die Schultern. Wagner ist ab sofort weg. Aber die Hachinger sind jetzt, nach zwei Jahren in Liga vier, wieder Profis.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSportsponsoring
:Wenn der Sponsor nicht mehr zahlt

Immer mehr Mittelständler und Mäzene ziehen sich aus mittelgroßen Klubs zurück. Sportförderung kostet mehr, dadurch zahlt sie sich weniger aus. Es droht ein finanzieller Einbruch, der die deutsche Sportlandschaft verändern könnte.

Von Christoph Leischwitz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: