Union Berlin:Plötzlich mit "breiter Brust" gegen die Königlichen

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Komm in meine Arme! Unions neuer Trainer Nenad Bjelica (rechts) nimmt Benedict Hollerbach in Empfang, der zum zwischenzeitlichen 2:0 für Berlin traf. (Foto: Michael Taeger/Jan Huebner/Imago)

Mit behutsamen Änderungen führt der neue Trainer Nenad Bjelica den 1. FC Union gegen Gladbach zum ersten Sieg nach mehr als 100 Tagen. Nun fürchten die Berliner nicht mal den Champions-League-Gegner Real Madrid.

Von Javier Cáceres, Berlin

Zu den Dingen, die man am Samstag im Stadion An der Alten Försterei beobachten konnte, zählte auch, wie sehr ein Sieg Zweckoptimismus in wahre Zuversicht und Vorfreude verwandeln kann. Ausgelöst wurde diese Veränderung durch den 3:1-Erfolg des 1. FC Union Berlin gegen Borussia Mönchengladbach, der eine 105 Tage lang (oder wettbewerbsübergreifend 16 Partien) währende Durststrecke ohne eigenen Sieg beendete. Union hat nun sogar den letzten Platz der Bundesligatabelle verlassen.

"Über 70 000 Zuschauer im Stadion, gegen Real Madrid ... was gibt's Schöneres?", fragte bestens gelaunt Trainer Nenad Bjelica, 52, der den Ergebniskrisenklub aus Köpenick Ende November übernommen hatte und nun am kommenden Dienstag mit seinem Team im Berliner Olympiastadion auf den spanischen Rekordmeister trifft. Nicht, dass in den vergangenen Wochen nicht auch andere Unioner derlei Sprüche geklopft hatten. Aber irgendwie schien die Seele Bjelicas zu tänzeln, denn sein Mund formte sich zum ersten Mal im Dezember zu einem erkennbaren Lächeln. Mehr noch: Er behauptete gar, dass seine Mannschaft "mit breiter Brust in dieses Spiel gehen" und mit einer Chance auf einen Sieg rechnen könne, wenn sie so viel "Glauben und Arbeit" wie gegen Gladbach zeige. Obwohl die herausragende Figur der Mannschaft in der Partie gegen Gladbach, Stürmer Benedict Hollerbach, gegen Real gar nicht dabei sein darf.

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Hollerbach, 22, wurde von Union für die Partien der Champions League nicht gemeldet; er fiel der Regel zum Opfer, die besagt, dass jeder Klubs in der Königsklasse sein Maximum von 25 Spielern nur ausschöpfen darf, wenn er genug Spieler aus dem eigenen Verband und der eigenen Nachwuchsförderung beschäftigt.

"Es geht immer um Einsatz und Aggressivität", sagt Bjelica

Dass er bereits im Hinspiel in Madrid seinen "Kindheitstraum" Bernabéu-Stadion nicht erfüllt sah, war ein Teil der Enttäuschung, die Hollerbach in den Monaten seit seinem Wechsel im Sommer vom Zweitliga-Aufsteiger Wehen-Wiesbaden verspürt hat. Der andere Teil war, dass er unter Bjelicas Vorgänger Urs Fischer, 57, kaum zu Einsatzzeiten kam. Seit Samstag hat Hollerbach 213 Bundesligaminuten aufzuweisen, zuvor waren es in der gesamten Saison kaum mehr als 150 gewesen.

Hollerbach sah die Schlussphase - und damit sowohl das zwischenzeitliche 3:0 durch Mikkel Kaufmann und den folgenden Gladbacher Ehrentreffer durch Alassane Pléa - von der Ersatzbank. Und dürfte doch zufrieden gewesen sein; Glückwünsche und Schulterklopfer hatte er bei seiner Auswechslung (61. Minute) ohne Ende annehmen müssen. Was völlig angemessen war. Hollerbach hatte ja nicht nur quasi den Assist zum Handelfmeter gegeben, den Kevin Volland in der 23. Minute verwandelte (Hollerbach hatte Volland angeflankt, Volland wiederum den Arm eines Gladbacher Verteidigers im Strafraum angeköpfelt). Sondern er hatte im Anschluss an eine Ecke per Distanzschuss das 2:0 erzielt (50.), das den Sieg und damit einhergehend eine kathartische Wirkung einleitete.

"Das war von A bis Z Union-Fußball", erkannte Rani Khedira, die spielbestimmende Figur schlechthin. Das Verblüffende dabei war nur: Der Bjelica-Fußball unterschied sich eigentlich nur in Nuancen vom Vorgängermodell, und doch machten diese den Unterschied aus: "Es geht immer um Einsatz und Aggressivität", erklärte Bjelica hinterher; das hätte sein Vorgänger Fischer nicht anders gesagt, er hätte allenfalls von "Basics" gesprochen. Sein neues Team wisse, wie wichtig es sei, diese Elemente abzurufen, sagte Bjelica; und erklärte, dass er in diesen gut drei Wochen eine Mannschaft kennengelernt habe, die "ein großes Herz" und eine "große Arbeitskultur" an den Tag lege.

Wer beim neuen Kurs nicht mitzieht, sitzt schnell auf der Bank - oder nicht mal dort, siehe David Fofana

Was aber auch bereits klar wurde: Wer sich nicht in den Dienst der Mannschaft stellt, lernt umgehend den Führungsstil des neuen Union-Trainers kennen: Chelsea-Leihgabe David Fofana saß wegen angeblich schludriger Trainingsleistungen nicht einmal auf der Bank. Bjelica betonte: "Jeder, der sich mit dem Verein identifiziert, ist willkommen. David wird auch willkommen sein, wenn er das tut." Was jede Frage nach Fofanas Trainingsleistung erübrigte. Seinen eigenen Beitrag am Erfolg spielte Bjelica indes gleich mal herunter. "Jetzt bin ich der Wundertrainer ...", sagte er ironisch, als er gefragt wurde, wie er die Mannschaft nach gerade einmal "drei Trainingseinheiten" wieder auf Siegeskurs gebracht habe.

Und doch hatte Bjelica natürlich maßgeblich Einfluss genommen. Nationalverteidiger Robin Gosens wurde mit Defensivaufgaben nicht belastet (die Drecksarbeit auf der linken Bahn musste Jérôme Roussillon erledigen); Hollerbach spielte auf der rechten Bahn eine Rolle, die es in dieser Weise bei Fischer nicht gab. Das Team spielte auch mit einem etwas offensiveren Ansatz - in dem Sinne, dass das Pressing etwas tiefer in der Hälfte des Gegners stattfand. Ansonsten war viel von den Tugenden zu sehen, die Union in den vergangenen Jahren so stark gemacht hatte. Das eigene Spiel wurde insgesamt aber mehr vereinfacht und weniger verkompliziert.

"Hurra, hurra, Union ist wieder da!", sangen auch die Fans am Ende erfreut, die ein feines Gespür für solche Details auf dem Platz haben. Da störte es freilich nicht, dass es die harmlos agierende Borussia am Samstag wohl jedem Gegner leicht gemacht hätte. Die Zuversicht ist bei Union zweifellos zurück. "Wenn die Bereitschaft von elf Spielern da ist, im Team zu arbeiten, kannst du gegen jeden gewinnen", sagte Bjelica.

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