1. FC Union Berlin:Und jetzt: 40 Punkte sammeln

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Unions Spieler demonstrieren vor der Kurve den Zusammenhalt mit den eigenen Fans. (Foto: Maryam Majd/Getty Images)

Union Berlin zeigt beim 2:3 gegen Real Madrid seine Champions-League-Form und unterliegt erneut äußert knapp. Trotzdem ist die Europareise nun zu Ende - und der Klub muss sich seinem stets proklamierten Saisonziel widmen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Dienstag sah Jorge Valdano, der große argentinische Fußballphilosoph, zum ersten Mal in seinem Leben ein Heimspiel des 1. FC Union Berlin. Valdano war in seiner Eigenschaft als Fußballdeuter für einen spanischen TV-Sender in die deutsche Hauptstadt gereist, aus Anlass des Champions-League-Spiels der Köpenicker gegen Real Madrid.

Valdano, 68 und Weltmeister von 1986, ist dem 14-maligen Champions-League-Sieger in großer Sympathie verbunden; er war Spieler, Trainer und Manager des spanischen Rekordmeisters. Und dennoch war Valdano am Dienstag auch in jenen Momenten begeistert, da Real Madrid beim 3:2-Sieg gegen Union zurücklag oder gerade das letztlich nur zwischenzeitliche 2:2 kassiert hatte (85.). Was Valdano mit Enthusiasmus füllte, war weniger das Spiel Unions als dessen Anhang, die 74 000 Menschen, die das Berliner Olympiastadion in ein warmes Rot getaucht hatten.

"Die Mannschaft Unions hat ihre Höhen und Tiefen", urteilte Valdano. "Unions Anhänger nicht."

Es wird sich niemals klären lassen, was gewesen wäre, wenn Union seinen Ausflug in den wichtigsten Wettbewerb des Klubfußballs im eigenen Stadion bestritten hätte, also in der Alten Försterei statt im Charlottenburger Exil. Womöglich wären die Führungen gegen Sporting Braga oder eben Real Madrid vor den engen Tribünen des eigenen Stadions zu verteidigen gewesen; am Ende gingen beide Spiele verloren. Womöglich hätte Union in seiner wahren Heimat auch das Heimspiel gegen Neapel (0:1) nicht verloren.

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Zwar wäre dann immer noch nicht garantiert gewesen, dass Union in Europa überwintert hätte. Vielleicht wären aber doch ein paar mehr Punkte in der Gruppe C herausgesprungen als die beiden in Neapel und Braga erstrittenen Zähler, die am Ende nicht reichten, um in Europa zu überwintern. Das 2:3 gegen Real Madrid, das durch Tore von Kevin Volland (45.+1) und Alex Kral (85.) für Union sowie Joselu (61./73.) und Dani Ceballos (89.) für Real Madrid zustande kam, beendete die diesjährigen Kontinentalreisen; Union konnte aber immerhin für sich reklamieren, einen würdevollen Rückzug aus Europa anzutreten. Man habe "auch viel Pech" gehabt, sagte Trainer Nenad Bjelica, der Ende November auf Urs Fischer folgte und nun bei zwei der sechs Gruppenspiele am Spielfeldrand stand.

Der Mangel an Fortune war insbesondere in den ersten Spielen bei Real Madrid und gegen Sporting Braga zu begutachten. Sowohl beim 0:1 gegen die Spanier im Estadio Santiago Bernabéu wie beim 2:3 gegen die Portugiesen in Berlin fiel das Tor, das eine Niederlage beglaubigte, erst in der Schlussminute. Wichtiger war aber eine andere Erkenntnis: Einzelne Spieler Unions sind in den internationalen Spielen in einer Weise ans Limit gegangen, die man in der Bundesliga nicht immer gesehen hat. Was womöglich auch an einem Umstand lag, von dem Trainer Bjelica vor dem Spiel in einem Interview mit der spanischen Zeitung El País sprach.

Bjelica führte viele Einzelgespräche - mit einer interessanten Erkenntnis

Er habe als erste Amtshandlung Einzelgespräche geführt und dabei "Diskrepanzen zwischen den Neuen und den Spielern, die schon länger da waren", festgestellt. "Einige meinten, dass man so spielen müsse wie früher; andere wollten mehr Fußball spielen", sagte Bjelica. Er erweiterte damit die bislang bekannten Erklärungsansätze für die sagenhafte Union-Serie von 16 Spielen ohne Sieg, die erst am Samstag durch ein 3:1 gegen Borussia Mönchengladbach durchbrochen wurde, um einen neuen Aspekt.

Die Partie gegen Gladbach war übrigens in einer Hinsicht ein Novum. Es war das erste und bislang einzige Mal, dass Union einem internationalen Auftritt einen Sieg in der Bundesliga folgen ließ. Auch wenn das Spiel gegen den FC Bayern, das Union unmittelbar nach dem 1:1 von Braga hätte austragen müssen, witterungsbedingt abgesagt wurde - stets schwang der Eindruck mit, dass Union in der Liga durch einen Ohrwurm namens Champions-League-Hymne abgelenkt war.

Es stehen die wichtigen Spiele gegen Bochum und Köln an

Insofern folgt zum Jahresausklang für Union die Probe aufs Exempel. Die Prüfung, ob Union die Spannung aus der Champions League in den Alltag retten kann. Gegen Real Madrid fühlte sich Union trotz einer qualitativen Unterlegenheit in Festkleidung überaus wohl und ließ - mit Ausnahme eines unglaublichen, aber letztlich folgenlosen Rückpasses von Robin Gosens in den Lauf von Joselu - über die volle Distanz Konzentration, Aggressivität und Leidenschaft walten. Nun stehen zwei Spiele an, in denen der Blaumann aus dem Schrank geholt werden muss.

Denn: Am Samstag geht's zum VfL Bochum, am folgenden Mittwoch daheim gegen den 1. FC Köln. Man wäre schon gern in Europa dabei geblieben, sagten unter anderem Trainer Bjelica und Torwart Fredrik Rönnow, der am Dienstag nicht nur wegen eines gegen Luka Modric gehaltenen Handelfmeters (45.), sondern auch wegen ein paar großartigen Paraden zu einer der Figuren der Partie wurde. Vor allem aber versprachen beide, dass die volle Konzentration ab sofort dem Abstiegskampf gelte. Das entspricht, andererseits, auch bloß dem Saisonziel, das immer wieder offiziell verlautbart worden war: 40 Punkte.

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