Türkgücü München:Zwischen Seligenporten und der Winzererstraße

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Nicht begeistert, aber zufrieden: Der Fußballtrainer Reiner Maurer bekommt privat 5000 Euro vom früheren Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny. (Foto: Klaus Rainer Krieger/Imago)

Trotz des radikalen Sparkurses sind die sportlichen Aussichten auf den Regionalliga-Verbleib gar nicht so schlecht. Viel mehr Sorgen macht die Stadionfrage - und vor dem Arbeitsgericht werden Altlasten bearbeitet.

Von Christoph Leischwitz

Auf den ersten Blick scheint Türkgücü München aus einem unruhigen Winterschlaf mit viel Energie erwacht zu sein. Natürlich, 13 Spieler haben den Verein verlassen, aber immerhin sind trotz der Finanznot auch einige gekommen. Und obendrein wurde in Enver Maltas ein neuer Sportdirektor gefunden - eine besonders wichtige Personalie, weil nach den Sparmaßnahmen und Streitereien beim Fußball-Regionalligisten auch einige hauptamtliche Mitarbeiter fehlen. "Er gibt Struktur und hält sehr viel von mir weg", sagt deshalb auch Trainer Alper Kayabunar über den Neuen. Kayabunar, 38, ist schon sehr lange als Coach oder Assistent bei Türkgücü tätig, zurzeit absolviert er den Lehrgang zur A-Lizenz und weilt gerade in der Nähe von Dortmund. Da sei es besonders wichtig, dass zu Hause jemand die dringenden Aufgaben übernimmt.

Am Samstag startet Türkgücü mit einem Heimspiel gegen den TSV Aubstadt in die Rückrunde, und dann wird man sehen, wozu der aktuelle Kader fähig ist, der auch mit Jugendspielern aufgefüllt wurde. Wobei: "Der Kader macht mich zuversichtlich", sagt Kayabunar - aber die Mannschaft, die er gerade zur Verfügung hat, nicht so sehr. Von sieben übrig gebliebenen wichtigen Spielern sind aktuell nämlich drei verletzt.

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Dass Türkgücü, wie in Testspielen angedeutet, überhaupt noch halbwegs wettbewerbstauglich ist, grenzt schon an ein Wunder. "Die, die zu uns gekommen sind, wollen natürlich die Plattform Regionalliga nutzen und sind uns finanziell total entgegengekommen", sagt Vorstand Serdar Yilmaz, "auf einer Position wird sich vielleicht noch etwas tun, sonst nicht." Diese Plattform zu bieten, das müsse auch das Zukunftskonzept für Türkgücü sein. Denn finanzielle Anreize werde man in Zukunft nicht mehr setzen können. Den Hauptgrund benennen sie bei Türkgücü schon seit jeher recht klar: "Ich bin ja ein positiver Mensch, deshalb sehe ich uns definitiv weiter in der Regionalliga. Aber solange wir das Stadionthema haben, werden wir immer wirtschaftliche Probleme bekommen", sagt Yilmaz.

Sogar für die aktuelle Saison ist noch nicht alles geklärt, vor allem, weil Türkgücü im Grünwalder Stadion maximal zwölf Spiele austragen darf; der Zusatzvertrag für die Anlage des SV Heimstetten wird nicht verlängert oder erweitert. Am Mittwoch stand immerhin endlich fest, wo das Toto-Pokal-Halbfinale gegen den Drittligisten FC Ingolstadt am kommenden Mittwoch ausgetragen wird: in Seligenporten - bei Neumarkt in der Oberpfalz.

Der Klub plant eine Fusion mit Türk Garching - dort gibt es ein regionalligataugliches Stadion

Die Tatsache, dass Türkgücü sich bei einem 150 Kilometer entfernten Verein einmietete, zeigt, wie verzweifelt die Suche nach einer Spielstätte in München war. Nach SZ-Informationen plant der Verein aus dem Münchner Osten eine Fusion mit Türk Garching, was einen großen Vorteil hätte: Die Garchinger spielen im regionalligatauglichen Stadion am See. Yilmaz will die Pläne nicht kommentieren. Er sagt dazu nur, dass man sich mit der Thematik von Vereinsfusionen auskenne, seit der damals in die Kreisliga abgestürzte Vorgängerklub sich mit dem benachbarten Bezirksligisten Ataspor zusammenschloss, und dass so etwas ein langwieriger Prozess sei - also noch keine Lösung für die kommende Saison.

In dieser könnte es aber noch schlimmer kommen: Der Frauen-Regionalligist FFC Wacker München hat auch einen Antrag für das Grünwalder Stadion für die Spielzeit 2024/25 gestellt (die SZ berichtete). Weil die Zahl der Spiele auf Giesings Höhen allerdings stark begrenzt ist, dürfte nur für eine der beiden Mannschaften Platz sein. Sollte Wacker den Zuschlag bekommen, stünde Türkgücü, das dank der vielen bis zur Winterpause gesammelten Punkte höchstwahrscheinlich nicht absteigen wird, komplett ohne eine für die Zulassung nötige Spielstätte da.

Bei all den Zukunftssorgen ist auch die Vergangenheit noch nicht komplett abgearbeitet. Vor knapp zwei Wochen ging ein Verfahren beim Arbeitsgericht zu Ende. Dort einigte sich der ehemalige U15-Trainer Marius Baumann mit Yilmaz auf eine Zahlung von 500 Euro für drei Monate Arbeit, was Baumann mehr als zähneknirschend hinnahm. Sein Problem war, dass er weder seine vertragliche Anstellung nachweisen konnte noch jemanden, der befugt gewesen wäre, ihm das mündlich versprochene Gehalt wirklich versprechen zu dürfen. Trotzdem stehen für Türkgücü derzeit einige Extrazahlungen an. Und: Es gibt nach SZ-Informationen auch noch Zahlungsausstände aus der Zeit, bevor der Investor Boris Rapaic kam und wieder ausstieg.

Am Dienstagnachmittag wurde dann beim Münchner Arbeitsgericht in der Winzererstraße eine noch weiter zurückliegende Altlast behandelt. Der ehemalige Trainer Reiner Maurer fordert schon seit 2020 die Zahlung einer Aufstiegsprämie. Im November 2021 hatte man sich auf 32 000 Euro geeinigt, zahlbar bis zum 15. Januar 2022 - elf Tage später stellte der damalige Geschäftsführer Max Kothny Insolvenzantrag, das Geld war nie geflossen. Am Dienstag traf man sich wieder, der Beklagte war nicht Türkgücü, sondern Kothny, der zurzeit in Polen beschäftigt ist und nicht persönlich erschien. Maurer wirft ihm vor, wider besseres Wissen gehandelt zu haben, als er 2021 die Einigung traf: Der Verein sei damals nicht mehr zahlungsfähig gewesen, Kothny als Geschäftsführer deshalb haftbar.

Kothnys Anwalt legte allerdings dar, dass die Verantwortlichen im Klub bis kurz vor der Insolvenz nie von einer Insolvenz ausgegangen seien. Letztlich einigte man sich darauf, dass Maurer von Kothny privat 5000 Euro erhält - als Schadenersatz steuerfrei. Die Summe begeisterte Maurer zwar wenig, er zeigte sich jedoch zufrieden, die Angelegenheit nun beendet zu haben.

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