Fußball:Ein Anruf mit Folgen

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"Eine starke Botschaft über den Wert von Geschlechtergleichstellung und Chancengleichheit": Martin Gräfer (Mitte, mit Schal) mit den FFC-Frauen. (Foto: oh)

Mit einem neuen Hauptsponsor, der auch beim TSV 1860 engagiert ist, will der FFC Wacker ein zweites Frauen-Profiteam in München etablieren. Das könnte Schwung in die Frage nach einem weiteren Fußballstadion in der Stadt bringen.

Von Christoph Leischwitz

Patrick Ott fand das nicht in Ordnung. Der Spielervater war zu einem Hallenturnier seiner Töchter gefahren, die beim FFC Wacker München spielen. Kaum eines der Teams, das er da sah, trug einheitliche Trikots. Die eine hatte ein hellblaues, die andere ein dunkelblaues an, die Hosen waren noch unterschiedlicher, "und ich fand, das passt nicht zu Wacker", erzählt der 57-Jährige. Also rief er bei einem Sponsor an und bekam schnell die Zusage für einen Satz neuer Trikots für die Mädchenteams von der U9 bis zur U17. Erst danach sagte Ott beim Präsidenten Bescheid und entschuldigte sich dafür, ohne Absprache gehandelt zu haben.

Als jener Präsident Salih Aydogan, 42, wenig später den umtriebigen Ott bei einem Heimspiel der Frauen kennenlernte, sagte er zu ihm: "Das habe ich noch nie erlebt: dass jemand einfach loslegt - und sich dann dafür auch noch entschuldigt." So hatten sich zwei gefunden, die rund anderthalb Jahre später drauf und dran sind, den Frauenfußball in München nachhaltig zu verändern, wahrscheinlich sogar weit über die Stadtgrenzen hinaus.

Am Dienstagmittag gab ein Versicherungsunternehmen bekannt, künftig als Hauptsponsor für die Wacker-Frauen aufzutreten, nachdem es im vergangenen Mai auf Otts Anruf hin als Ausrüster der Mädchen eingestiegen war. "Als aufstrebender Verein will sich der FFC Wacker als weitere Kraft im Münchner Frauenfußball etablieren. Diesen Weg begleitet die Bayerische als neuer Hauptsponsor gerne", heißt es in der Presseerklärung.

Die Bayerische unterstützt bereits die Frauen und die Männer von 1860 München. Auf SZ-Nachfrage zeigt sich der Vorstand der Versicherungsgruppe, Martin Gräfer, stark beeindruckt vom FFC aus Sendling, kürzlich sah er sich auch ein Testspiel der Frauen an. "Ich denke, der FFC Wacker ist auf einem guten Weg", befand er, Präsident Aydogan gehe sehr strukturiert zu Werke. Aydogan war auch schon organisatorischer Leiter bei der SpVgg Unterhaching, er sagt über die Möglichkeit, eine zweite weibliche Profifußball-Mannschaft neben dem FC Bayern in der Stadt zu haben: "Für den Standort München wäre es eine absolute Bereicherung."

"Es geht schon darum, sich regional zu engagieren und nationale Wirkung zu erzielen."

Ziel ist offiziell erst einmal der Aufstieg in die zweite Bundesliga - die Mannschaft überwintert bis Anfang März allerdings auf Rang sechs in der drittklassigen Regionalliga Süd, es wird wohl noch ein wenig dauern. Doch langfristig würde offensichtlich auch niemand Steine in den Weg legen, wenn es eines Tages um den Aufstieg in die erste Liga geht. Somit dürfte die Unterstützung mit einem kleinen sechsstelligen Betrag starten. Sie könnte sich aber über Jahre gesehen zu einem Millionenprojekt ausweiten. Die Bayerische sei ein deutschlandweites Unternehmen, "es geht schon darum, sich regional zu engagieren und nationale Wirkung zu erzielen, sonst könnten wir Marketing gar nicht rechtfertigen", sagt Gräfer.

Aufbruchsstimmung herrscht aktuell nicht nur in München. Nur ein Beispiel: Beim VfB Stuttgart wollen sie von der Oberliga hoch hinaus, dafür wurde im Jahr 2022 der Ex-Profi Heiko Gerber als Cheftrainer engagiert. Es formt sich gerade eine Professionalisierungswelle, Firmen und Vereine investieren in den Frauenfußball.

Für Gräfer geht es vor allem darum, "die Infrastruktur zu verbessern. Natürlich gehört dazu, den Spieleretat aufzubauen, aber vor allem, den Damen die Rahmenbedingungen zu geben, die sie brauchen." Trotz der vielen sportlichen Erfolge - so überwintern fast alle Mädchenteams auf Platz eins in ihrer jeweiligen Liga - wurde ein Antrag des kleinen Vereins auf den Status eines Nachwuchs-Leistungszentrums vom Deutschen Fußball-Bund abgelehnt. Gräfer findet, die Stadt München habe hier eine Chance, nachhaltig zu wirken, es gehe um den Ruf Münchens als erfolgreiche Sportstadt. Und um noch mehr: "Indem wir Frauen im Fußball unterstützen und ihre Leistungen würdigen, wollen wir eine starke Botschaft über den Wert von Geschlechtergleichstellung und Chancengleichheit senden", heißt es in der Pressemitteilung. Der Frauenfußball verdiene es nicht nur aus sportlichen Gründen, gefördert zu werden, "sondern auch wegen seiner positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes". Eine Ansicht, die auch die Stadt München teilen dürfte.

Der Kriminalhauptmeister Aydogan und Ott, Bürgermeister von Baierbrunn, schieben dabei unentwegt an - und demonstrieren so zugleich ihre Entschlossenheit, den Frauenfußball in München auch langfristig zu verändern. Aydogan zum Beispiel hat einen Antrag gestellt, die Heimspiele schon ab der kommenden Saison im Grünwalder Stadion auszutragen. Außerdem hat der FFC im vergangenen Dezember eine Satzungsänderung verabschiedet, wonach die erste Mannschaft oder die Abteilung ausgegliedert werden kann. Sie sind auf der Suche nach einem namhaften sportlichen Leiter mit Erfahrung schon recht weit.

Auch Erst- und Zweitligisten werden Anrufe von Wacker bekommen

Es wird auch schon aufwendig für die kommende Saison gescoutet. Aydogan kündigt an, dass auch Erst- und Zweitligisten Anrufe von Wacker bekommen werden. "Wir sollten schon auf dem Transfermarkt tätig werden, aber das Ziel ist, Eckpfeiler zu verpflichten und den Nachwuchs aus den eigenen Reihen spielen zu lassen", sagt er. Man habe jetzt "das Fundament für Profifußball gelegt", sagt der Präsident. Wie weit die Wünsche realisiert werden können, hänge neben dem sportlichen Erfolg oder Misserfolg maßgeblich von der Unterstützung der Stadt ab.

"Das, wovon ich träume, ist, die Infrastruktur so auszubauen, dass man eine Chance bekommt", sagt Bayerische-Chef Gräfer: eine echte Chance auf Frauen-Spitzensport also. Dies sei eine kommunalpolitische Aufgabe, dort seien die verwaltungstechnischen Hürden allerdings recht hoch. Es gibt dem Vernehmen nach Gedankenspiele, in denen große Leistungszentren und sogar ein neues Stadion vorkommen, eines, das eigentlich seit jeher gebraucht wird, um etwa die Verbandsauflagen für die Männer-Regionalliga oder die Frauen-Bundesliga zu erfüllen. Möglicherweise bringt der FFC Wacker München, die weibliche Abspaltung der einst dritten Kraft im Männerfußball der Stadt, Schwung in diese Überlegungen.

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