Transfermarkt:Der Wahnsinn erreicht die zweite Reihe

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Aus Paris zurück nach Frankfurt: Torwart Kevin Trapp. (Foto: dpa)
  • Für wenig bekannte Spieler zahlen die Klubs in diesem Transferfenster gerne 40 Millionen Euro und mehr.
  • Die Bundesliga entzieht sich dem Irrsinn - das kann positiv oder negativ gesehen werden.
  • Einen echten A-Klasse-Spieler hat die Liga schon lange nicht mehr verpflichtet.

Von Martin Schneider

Es passte sehr gut zu diesem Transfersommer, dass die letzte spektakuläre Meldung eine sogenannte Nicht-Meldung war: Jérôme Boateng wird München nicht verlassen, verkündete Bayern-Trainer Niko Kovac auf der Pressekonferenz. Es bleibe in der Abwehr alles so, wie es ist. Nur Juan Bernat, der unterschreibe gerade in Paris. Bernat war zwar vier Jahre beim FC Bayern, er war aber auch vier Jahre lang der Ersatzlinksverteidiger.

Am Freitag endete die sommerliche Transferperiode, und es gab schon noch ein paar finale Bewegungen, die man zur Kenntnis nehmen sollte. Nuri Sahin, der vermutlich im BVB-Trikot auf die Welt gekommen ist, geht zum SV Werder Bremen, und Kevin Trapp, der in einer erstaunlichen Job-Kombination zweiter Ersatz-Torhüter sowohl im Nationalteam als auch bei Paris St. Germain war, wird für ein Jahr an Eintracht Frankfurt ausgeliehen, wo er einst drei Jahre spielte.

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Aber insgesamt lief dieser Transfersommer doch eher ruhig ab, obwohl er mit dem Umzug eines gewissen Cristiano Ronaldo von Madrid nach Turin begann und Beobachter mit einem Millionen-Domino rechneten. Aber es gab dann nur eine Torwart-Kettenreaktion, in der bekannte Torhüter wie Thibaut Courtois (für 35 Millionen von Chelsea nach Madrid), halbwegs bekannte Torhüter wie Alisson (für 62,5 Millionen von AS Rom nach Liverpool) und weniger bekannte Torhüter wie Kepa (für 80 Millionen von Bilbao nach Chelsea) den Verein wechselten. Natürlich wurde in diesem Sommer unfassbar viel Geld bewegt, aber an diesen Wahnsinn hat man sich gewöhnt. Der Unterschied zum vergangenen Jahr: Die Gelder flossen von Ronaldo abgesehen nicht in sogenannte A-Klasse-Spieler. Es dominierten Wahnsinnspreise für die zweite Reihe.

Die Bundesliga macht den Wahnsinn nicht mit

Eine kurze Frage: Was haben die Spieler Fred, Jorginho, Fabinho, Vinicius Junior, Joao Cancelo und Goncalo Guedes gemeinsam? Antwort: Eine ganze Menge. Sie haben alle in diesem Sommer den Verein gewechselt, nur Fußball-Experten kannten sie vorher, sie sprechen alle Portugiesisch und sie haben alle mindestens 40 Millionen Euro Ablöse gekostet. Zur Erinnerung: Der teuerste Einkauf der deutschen Geschichte ist immer noch Corentin Tolisso (Lyon zu Bayern) für ein bisschen mehr als diese Summe.

Die Bundesliga macht den Wahnsinn nicht mit, das hat auch diese Transferperiode wieder gezeigt. Unter den 20 größten Einkäufern Europas landet der VfL Wolfsburg gerade auf Platz 20, auf Platz drei und vier stehen übrigens die Premier-League-Mittelklasse-Klubs West Ham United und Fulham. Während die reichste Liga der Welt insgesamt gut eine Milliarde riskiert hat, kommt die Bundesliga ziemlich genau auf eine schwarze Null. Die Liga hat genauso viel eingenommen wie sie ausgab. Die Frage ist: Weil sie nicht will? Oder weil sie nicht kann?

Der FC Bayern hat keinen Cent an Ablöse gezahlt. Angesichts des Kaders und der ins Jahr 2019 vertagten Investitionen in den Kolumbianer James (gehört noch Real Madrid), Frankreichs Verteidiger Benjamin Pavard (noch beim VfB Stuttgart) sowie einen Robben und/oder Ribéry-Ersatz darf man getrost von einer Münchner Strategie ausgehen. Borussia Dortmund, strukturell die Nummer zwei in Deutschland, hat unterm Strich weniger Geld investiert als Nottingham Forrest, ein englischer Zweitligist, was auch daran lag, dass man die Spieler Sokratis und Andrej Yarmolenko für eine mehr als angemessene Ablöse veräußern konnte.

Überhaupt waren Bundesligaspieler durchaus gefragt im übrigen Europa. Neben Leistungsträgern wie Naby Keita (für 60 Millionen von Leipzig nach Liverpool) oder Thilo Kehrer (für knapp unter 40 Millionen von Schalke nach Paris) gingen zudem Spieler, die man nicht zwingend in eine Elf der Saison gewählt hätte. Für Arturo Vidal, Bernd Leno, Jannik Vestergaard, Caglar Söyüncü oder auch Douglas Costa bekamen die jeweiligen Vereine anständig viel Geld.

Es gibt nun zwei Interpretationen. Entweder man sagt, es ist vernünftig, nicht jede Umdrehung des rotierenden Marktes mitzumachen und darauf zu spekulieren, dass man den nächsten Naby Keita eher in der eigenen Akademie findet, bevor man 30 Millionen in die Hand nimmt. Oder man verweist auf die Tatsache, dass die Bundesliga schon sehr lange keinen dieser A-Klasse-Spieler mehr verpflichtet hat, man sich an den Gedanken gewöhnt hat, dass die Großen in den anderen Ligen kicken und die deutsche Eliteklasse in der Uefa-Fünfjahreswertung auf den vierten Platz hinter Italien zurückgefallen ist.

Ihre notorische Erfolglosigkeit im Europapokal (vom FC Bayern abgesehen) sollten die Bundesligisten auch spätestens in dieser Spielzeit ablegen - denn bei einem Rückfall auf Platz fünf hinter Frankreich streicht die Uefa die vier sicheren Champions-League-Plätze auf zweieinhalb zusammen. Dass RB Leipzig am Donnerstag durch ein Tor in letzter Sekunde die Europa-League-Qualifikation gegen den ukrainischen Vertreter Luhansk geschafft hat, könnte in dieser Causa wichtig werden.

Am 12. Dezember wird die Gruppenphase der Champions League zu Ende sein, im vorigen Jahr hatte die Bundesliga mit dem FC Bayern nur einen Verein unter den 16 besten Mannschaften Europas. In diesem Jahr will sie besser sein - und das im Prinzip, ohne Geld ausgegeben zu haben.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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