Tennisprofi Dominic Thiem:"Ich will noch ein Mal so richtig zünden bei einem großen Turnier"

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Den Auftakt locker geschafft: Mit 6:3, 6:2, 6:4 gewann Dominic Thiem bei den US Open gegen Alexander Bublik. (Foto: Dave Shopland/Shutterstock/Imago)

Nach mehr als zweieinhalb Jahren Ergebnisdürre gewinnt Dominic Thiem wieder eine Partie bei einem Grand-Slam-Turnier - und gibt kurz vor seinem 30. Geburtstag Einblicke in seine Zukunftspläne.

Von Jürgen Schmieder, New York

Sie haben einen hundsgemeinen Sinn für Humor bei den US Open, was die Ansetzung der Partien angeht. Holger Rune etwa, an vier gesetzt bei diesem Turnier, stellte auf Twitter eine Karte der Tennisanlage ein, mit dem Hinweis: "Solltet ihr Platz 5 finden: Dort werde ich diesmal meine erste Partie bestreiten."

Dieser Platz 5 ist der unbeliebteste in Flushing Meadows, eingepfercht zwischen den Courts 4 und 6, fünf Trainingsplätzen sowie dem Grandstand, und das führt zu Dominic Thiem: Der Sieger von 2020 durfte seine erste Partie nicht im Arthur Ashe Stadium austragen, das war am ersten Tag für die Favoriten Iga Swiatek und Novak Djokovic sowie die amerikanischen Hoffnungen Frances Tiafoe und Coco Gauff reserviert. Er durfte nicht ins Louis Armstrong Stadium, da sollten die einstigen Grand-Slam-Gewinnerinnen Caroline Wozniacki, Sloane Stephens und Wictoria Asarenka sowie die Amerikaner Taylor Fritz und Steve Johnson die Leute anlocken.

Sein Magen macht ihm manchmal zu schaffen - auch wenn es wohl harmlos ist

Thiem konnte also nicht an den Ort seines größten Triumphs zurückkehren, sondern musste dort spielen, wo er 2017 seine wohl dramatischste Niederlage erlebt hatte: 6:1, 6:2 hatte er gegen Juan Martín del Potro geführt - und verloren. Auch deshalb, weil die argentinischen Fans das Stadion in eine Stierkampfarena verwandelt hatten. "Das war sehr bitter. Sowas vergisst man nie, obwohl ich auf dem Platz auch ein paar Spiele gewonnen habe", sagte er nun, und man könnte das, was Thiem vor seiner Partie gegen den an 25 gesetzten Kasachen Alexander Bublik beim Aufwärmen passierte, durchaus als Kommentar zu dieser Ansetzung interpretieren: Er entleerte den Inhalt seines Magens. War es natürlich nicht, Thiem leidet an Magenproblemen, er hatte deshalb die Teilnahme am Vorbereitungsturnier in Winston-Salem abgesagt: "Der Magen ist ein bisschen beleidigt, aber mein Team hat mir versichert, dass es nichts Ungewöhnliches ist."

Die Frage also: Was für ein Dominic Thiem würde da in New York antreten? Achtmal hatte er in dieser Saison bereits in der ersten Runde verloren - nur dreimal war er über die zweite Runde hinaus gekommen, zuletzt beim Heimturnier in Kitzbühel, wo er sein erstes Finale des Jahres erreichte. Nun also in New York gegen den Zocker Bublik, der an guten Tagen die Besten zum Narren halten kann, wie im Juni mit Siegen gegen Jannik Sinner, Alexander Zverev und Andrej Rublew - an schlechten Tagen sich aber selbst zum Deppen macht.

Am Montagmittag war die zweite Version zu bestaunen. Aufschläge von unten, Schnibbel-Grundschläge und stumpfsinnige Stopps waren Einladungen zum Angriff für Thiem, der diese Partie locker 6:3, 6:2, 6:4 gewann. Bublik war darüber derart genervt, dass er sich Mitte des zweiten Satzes einer üblen Bemerkung hinreißen ließ - auch in Anspielung darauf, dass er kürzlich beim Turnier in Toronto gegen den wie Thiem lange verletzten Gaël Monfils verloren hatte: "Ich habe wirklich keinen Bock mehr, Behinderten die Fortsetzung der Karrieren zu ermöglichen."

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Thiem wollte die Aussage nicht weiter kommentieren: "Was soll ich schon groß dazu sagen?" Er wollte lieber über den ersten Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier seit Anfang 2021 reden - ja, es ist wirklich schon so lange her. Thiem war lange am Gelenk der Schlaghand verletzt, er hatte jedoch eher mit den psychischen Aspekten des Comebacks zu kämpfen: "Als Tennisspieler oder Sportler generell war es nicht so toll, aber ich habe sehr viel gelernt als Mensch und will diese Zeit sicherlich nicht missen. Es ist aber schon so, dass einem der Finaleinzug in Kitzbühel zeigt, dass da noch was gehen könnte - und deshalb bedeutet mir dieser erste Erfolg bei einem Grand-Slam-Turnier nach fünf Niederlagen in der ersten Runde sehr viel, gerade hier in New York, wo es so viele Erinnerungen gibt, gute wie bittere. Ich fühle mich gerade sehr wohl mit meinem Tennis, das Gefühl hatte ich vor ein paar Wochen nicht. Das Ziel ist also schon: Ich will noch ein Mal so richtig zünden bei einem großen Turnier."

Thiem wirkt fit und spielfreudig - die Vorhand ist druckvoll und sicher

Das sind letztlich die entscheidenden Fragen bei Thiem, der am 3. September seinen 30. Geburtstag feiern wird: Wie gut kann er spielen - und was hat er noch vor im letzten Drittel dieser Karriere? Die Antwort auf die erste, trotz oder vielleicht gerade wegen der Magenprobleme: Thiem wirkte fit und spielfreudig; die Vorhand war druckvoll und doch sicher. "Ich habe in den Trainingseinheiten bemerkt, dass ich mich sicher fühle von der Grundlinie aus. Das sieht man dann beim Return, der heute sehr gut war - und den ich in der nächsten Runde ganz dringend brauche gegen diese Aufschläge." Er trifft nun auf den jungen Amerikaner Ben Shelton, 21, der bei den Australian Open das Viertelfinale erreichte und jetzt beim lockeren Auftaktsieg 28 Aufschlag-Winner schaffte: "Ich muss die Returns ins Feld kriegen und in die Ballwechsel kommen."

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Wenn der Turnierveranstalter der US Open die Ansetzungen weiter so planen wie bisher - Amerikaner und Berühmtheiten in den beiden großen Stadien -, ist diese Zweitrundenpartie ein heißer Kandidat für Mittwochnachmittag im Arthur Ashe Stadium, also dem Ort des größten Triumphs in Thiems Karriere: "Es ist eine wahnsinnige Energie in New York. Die nimmt einen mit. Erst am Ende der zwei Wochen wird es einem ein bisschen viel."

So weit ist es freilich noch nicht, und der Vollständigkeit halber: Auch Holger Rune wird sich nicht mehr über die Ansetzungen in diesem Jahr beschweren - er verlor seine Partie auf Platz 5.

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