Tennis:Karriere auf der Kippe

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"Man muss sehen, was passiert": Dominic Thiem weiß selbst nicht, wie lange er noch spielt. (Foto: Nuno Cruz/NurPhoto/Imago)

Der frühere US-Open-Sieger Dominic Thiem versucht es mit der nächsten Maßnahme zur Krisenbewältigung: Er will sich nicht mehr mit früher vergleichen. Endlos gibt sich der 30-Jährige aber nicht Zeit, um sportlich die Wende zu schaffen.

Von Gerald Kleffmann

Dominic Thiem, 30, ist eigens für eine Presserunde auf die Terrasse im ersten Stock des VIP-Zelts gekommen, aber zuerst soll er sich, mit zwei Tennisbällen in der Hand, am Geländer anlehnen und in die Ferne schauen. Um diese Pose bat ihn der hauseigene Turnierfotograf dieser BMW Open. Thiem macht professionell mit, dann nimmt er auf einem der Barhocker Platz. Der Andrang an Medienvertretern ist groß. Wäre auf der Einladung gestanden, der 97. der Weltrangliste, der in dieser Saison nur zwei Matches gewann, lädt zum Gespräch ein, sehr wahrscheinlich wären an diesem hufeisenförmigen Tisch viele Sitze leer geblieben. Der Name Thiem zieht eben noch.

Am Montag bestreitet er seine Erstrundenpartie auf der wunderschönen Anlage des MTTC Iphitos, die an diesem Wochenende, obwohl erst mal nur die Qualifikation stattfand, restlos ausverkauft war, auffallend viele Kinder und Jugendliche vergnügten sich auf dem Areal. Ein Qualifikant wird Thiems Gegner auf dem Center Court sein. Seine Chancen? Thiem überlegt, gut, der habe ja schon zwei Spiele absolviert, sagt er, und das war so ein kleiner Satz, der seine Verunsicherung früh zum Ausdruck brachte.

"Ich habe damit abgeschlossen, mich mit meiner früheren Version zu vergleichen", das gibt er später auch zu. Nur: Das sagt sich in seinem Fall so leicht. Der frühere Thiem stand in drei Grand-Slam-Endspielen, gewann 2020 den Titel bei den US Open, stieg zur Nummer drei der Welt auf, in Österreich wurden viele deppert, wie das so ist, wenn ein dortiger Landsmann im Sport Erfolge erzielt. Der aktuelle Thiem indes kämpft noch mit den Folgen mehrerer Eingriffe am rechten Handgelenk, ausgerechnet an der Schlaghand, er durchlitt Motivationsschwankungen, kürzlich stellte er sich gar die Sinnfrage, ob er Ende des Jahres vielleicht doch aufhören sollte, wenn sich seine Position im Ranking nicht grundlegend bessere.

Eine gewisse Tragik aus sportlicher Sicht beinhaltet Thiems Geschichte, auch wenn er im Falle eines Karriereendes betont: "Ich wäre völlig mit mir im Reinen." Das darf er auch sein, nur ist sein Ringen, dass es das noch nicht gewesen sein kann mit der Karriere, deutlich herauszuhören. Thiems Erklärungen klingen teils wie ein Abschiedsblues, dann bäumt er sich auf, kritisiert einmal sogar recht scharf bestimmte Medienberichte, in denen er sich falsch dargestellt sieht, um sofort Verständnis für hohe Erwartungen an ihn zu äußern: "Die Leute sind gutes Niveau von mir gewohnt."

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"Es fühlt sich nicht an wie vor der Verletzung"

Der alte Thiem hatte wahrlich viele begeistert mit seinen peitschenartigen Tennishieben und seiner sympathischen Art. Beim vergangenen ATP-Turnier in Estoril hatte er detailliert erklärt: "Ich hatte etwas mehr Kraft, mehr Selbstvertrauen. Ich habe einfach besseres Tennis gespielt, es war flüssiger." In München sagt er: "Es fühlt sich nicht an wie vor der Verletzung." Er umgreift sein Handgelenk. Verzweifelt wirkt er nicht, eher fatalistisch. Er habe gelernt, "Dinge zu akzeptieren".

Zu diesen Dingen zählt auch, dass sich Thiem aufgrund seines Weltranglistenplatzes nicht wahllos aussuchen kann, welche Turniere er spielt. In Madrid, der nächste Stopp, wird er in die Qualifikation müssen, bei den French Open hat er um eine Wildcard angefragt. Ansonsten: wieder ab in die Quali. Thiem verwendet einmal das Wort "Zitterei", es ist eines, das der frühere Thiem nur vom Hörensagen kannte.

In München begleitet ihn der Lette Karlis Lejnieks als Trainer, nach dem Erstrunden-Aus bei den Australian Open hatte sich Thiem von Benjamin Ebrahimzadeh getrennt. Die Unruhe in seinem Umfeld wurde nicht geringer, als sein Bruder Moritz, der ihn als Manager betreut, jüngst in einem medialen Rundumschlag österreichische Reporter anging. Es sind viele Baustellen, die Thiem beschäftigen, noch will er eine Weile durchhalten. Er sei voll auf Tennis fokussiert, versichert er und sagt: "Man muss sehen, was passiert."

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