Eishockey:NHL? Niederbayern!

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"Heute wollen ehemalige NHL-Cracks kommen." Justin Braun ist einer dieser hocherfahrenen NHL-Cracks bei den Straubing Tigers - und enorm wichtig für deren Defensive. (Foto: Heike Feiner/Eibner/Imago)

Knapp 37 Jahre, 961 NHL-Spiele: Justin Braun ist Straubings neue Lebensversicherung in der Defensive - und verdient sich im Mittwochsspiel gegen Augsburg beim 4:1-Sieg zudem zwei Scorerpunkte. Der Mann aus Minnesota steht auch für einen Paradigmenwechsel beim DEL-Klub.

Von Christian Bernhard

Sich selbst im Alter von knapp 37 Jahren und nach 961 NHL-Spielen noch eine Profi-Premiere zu bescheren, ist gar nicht so einfach. Justin Braun, Verteidiger der Straubing Tigers, hat genau das am Mittwochabend hinbekommen. Der US-Amerikaner traf beim 4:1-Derby-Heimsieg der Straubinger gegen die Augsburger Panther mit einem überlegten Handgelenkschuss zum 2:1 und bereitete einen weiteren Treffer vor. In der Deutschen Eishockey Liga (DEL) war es das erste Zwei-Punkte-Spiel des Mannes aus Minnesota, der im vergangenen Sommer eine neue Zeitrechnung bei den Niederbayern eingeläutet hat.

Einen Profi mit seiner NHL-Vita hatten die Tigers noch nie in ihren Reihen. Für Tigers-Trainer Tom Pokel ist seine Verpflichtung das Ergebnis einer stetigen Entwicklung. Als Pokel vor mehr als sechs Jahren nach Straubing kam, waren die Tigers DEL-Letzter und mussten neue Spieler "lange und aufwendig" von einem Wechsel nach Straubing überzeugen, erinnert er sich zurück. "Heute wollen ehemalige NHL-Cracks kommen." Spieler wie Justin Braun.

Braun war in seinen 13 NHL-Jahren ein Verteidiger im Wortsinn. Zweikämpfe gewinnen, Schüsse blocken, eng am Mann sein, die Übersicht vor seinem Torhüter behalten, das waren seine Aufgaben in der besten Liga der Welt. Was für eine Rolle er innehatte, verdeutlicht am besten das abschließende Hauptrundenspiel in einer seiner letzten NHL-Spielzeiten. Seine Philadelphia Flyers hatten zu jenem Zeitpunkt bereits die Playoffs verpasst, trotzdem warf sich Braun im bedeutungslosen Spiel in einen gegnerischen Schuss, um ihn zu blocken - und brach sich dabei den Mittelfuß. Seine Anmerkung dazu direkt nach der Partie: "Das dürfte ein Standardbruch sein, in vier Wochen sollte es wieder passen. Nichts, um verrückt zu werden." Es sind Geschichten wie diese, die erahnen lassen, warum ihn Pokel als "sehr bodenständig" wahrnimmt.

Straubings Plan - eine gute Defensive bringt eine bessere Offensive - scheint aufzugehen

Braun, der deutsche Vorfahren hat, agiert auf dem Eis ruhig und clever - und hilft damit auch seinen Nebenleuten. Obwohl er zuletzt mit vier Scorerpunkten in vier Spielen offensiv etwas auffälliger agierte, liegt sein Hauptaugenmerk auch im Tigers-Trikot auf den defensiven Aufgaben. Und die verrichtet der US-Amerikaner zusammen mit seinen Teamkollegen besonders gewissenhaft, denn die Straubinger stellen die beste Defensive der Liga. Diese "Umstellung in unserer Philosophie", wie Pokel es nennt, war bereits zu Saisonbeginn ausgerufen worden. "Defense first", und dann erst die Offensive, wollte der Trainer in dieser Spielzeit sehen - ein Paradigmenwechsel, wie er selbst erklärte, schließlich sei es in der Vorsaison eher "Offense first und dann mal schauen, was an Defensive läuft" gewesen. Braun ist ein entscheidendes Puzzlestück in diesem bisher erfolgreichen Umdenken.

Das Besondere am Straubinger Abwehrverbund ist, dass er nicht nur defensiv verlässlich, sondern auch offensiv prägend ist. Angeführt von Nic Mattinen (12 Tore) haben die Tigers-Verteidiger bereits 25 Tore erzielt, kein DEL-Team konnte sich über mehr Treffer von Verteidigern freuen. Pokels Plan ("Eine gute Defensive bringt eine bessere Offensive") scheint aufzugehen, die "herausragende" Erfahrung Brauns, wie Jason Dunham, Sportlicher Leiter der Tigers, schwärmt, hilft dabei. Brauns Ansatz, auch in Deutschland zuallererst defensiv solide und konstant zu spielen, hat sich auf die ganze Mannschaft übertragen: Seit Ende Oktober sind die Tigers unter den Top drei der Tabelle.

Und Braun hat schnell verstanden, welche Spiele dem euphorisierten Straubinger Publikum am wichtigsten sind: die bayerischen Derbys. Vor seinem spielentscheidenden Treffer gegen Augsburg hatte er bereits zweimal gegen Ingolstadt getroffen, einmal in der Verlängerung zum Sieg. Elf Derbys haben die Tigers seit Mitte September bestritten - zehn davon haben sie gewonnen, darunter alle drei gegen den Meister aus München. Der Mann mit der beeindruckenden NHL-Vita ist wirklich schnell in Straubing angekommen.

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