Eishockey:Die Angst spielt mit

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Adam Johnson wurde am Samstag von einem Schlittschuh am Hals getroffen und verblutete. (Foto: Imago)

Nach dem Tod des Eishockeyprofis Adam Johnson diskutieren Experten über schnelle Regeländerungen. Aber nicht alles, was der Sicherheit der Spieler dienen soll, wird von den Spielern angenommen.

Von Christian Bernhard

Der Tod von Adam Johnson erschüttert weiterhin die Eishockeywelt. Der 29-jährige Profi aus den USA, der in der vergangenen Saison für die Augsburger Panther in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gespielt hat, war am Samstag in der Partie seiner Nottingham Panthers gegen die Sheffield Steelers von einem Schlittschuh am Hals getroffen worden und verblutet. Die Polizei von South Yorkshire hat routinemäßig Ermittlungen aufgenommen, auch wenn es an deren Ergebnis keinen Zweifel geben kann.

Der deutsche Nationalspieler Dominik Bittner machte deutlich, wie sehr der Vorfall alle Eishockeyspieler getroffen hat. "Uns als Mannschaft ist ein brutaler Kloß im Magen gelegen, als wir die Information bekommen haben", sagte der Verteidiger des EHC Red Bull München. Verdrängt man als Spieler, dass es jederzeit zu gefährlichen Momenten mit messerscharfen Kufen kommen kann? "Das ist ganz, ganz schwierig", sagte der 31-Jährige nach der DEL-Partie gegen Nürnberg. Eishockey sei ein körperbetonter Sport. "Du musst es irgendwo ausblenden, aber es ist ganz weit im Hinterkopf oft mit dabei."

Tod von Eishockey-Profi Adam Johnson
:Schock und Trauer in der Eishockeywelt

Ein Unfall mit den messerscharfen Kufen ist im Eishockey selten, aber gefährlich - nun ist der ehemalige DEL-Profi Adam Johnson gestorben, nachdem er am Hals getroffen wurde. Dabei gibt es Möglichkeiten, die Spieler zu schützen.

Von Christian Bernhard

Das Unglück von Johnson sei ein "freak accident", ein außergewöhnlicher Unfall gewesen, sagte Nürnbergs Trainer Tom Rowe. Der Fall wirft dennoch Fragen auf. Eine lautet: Sollten die Spieler dazu verpflichtet werden, einen schnittfesten Halsschutz zu tragen, oder liegt der Schutz in der Eigenverantwortung der Spieler? In der DEL ist das Tragen eines Halsschutzes nicht vorgeschrieben, in der schwedischen oder finnischen Liga dagegen schon.

Bittner sagt: Der "falsche Stolz von Seiten der Spieler, der muss fallen". Spieler, die mit Halsschutz spielten, würden "teilweise belächelt". Münchens Trainer Toni Söderholm, der als Profi in Nordeuropa zum Tragen eines Halsschutzes verpflichtet war, erklärte: "Wenn ein Spieler jetzt darüber reden will oder Ausrüstungsbedarf da ist, dann schauen wir, dass er das auch bekommt." Aus dem Sportreport 2021 der Berufsgenossenschaft VBG geht hervor, dass knapp fünf Prozent aller Eishockeyverletzungen den Hals betreffen. Am häufigsten betroffen ist der Kopf (knapp 19 Prozent).

Die DEL verwies am Montag abermals darauf, dass das Thema Halsschutz beim nächsten Treffen der Sportlichen Leiter Ende November angesprochen werde. "Vom Büro aus können wir das nicht bestimmen", sagte Spielbetriebsleiter Jörg van Ameln dem Sport-Informationsdienst. "Aber wenn sich alle Klubs einig sind, ist das als Pflichtausrüstung einzuführen." Möglich sei auch eine schnelle Regeländerung per Umlaufbeschluss.

Es gibt bereits Beispiele von Regeländerungen, die zur Folge hatten, dass die Sicherheit verbessert wurde

Auch wenn der Vergleich miteinander unmöglich ist: Der schreckliche Fall von Adam Johnson ist nicht der einzige dieser Art in der jüngeren Eishockeyvergangenheit. Einen Tag vor Heiligabend 2021 starb Niclas Kaus, ein 18-jähriger Nachwuchsspieler der Löwen Frankfurt, an den Folgen schwerer Kopfverletzungen, die er sich bei einem Sturz in die Bande nach einem Zweikampf zugezogen hatte. Im Oktober 2019 war der damals 23-jährige Regionalligaspieler Tjalf Caesar nach einem Zweikampf mit dem Kopf voran in die Bande gestürzt. Dabei zog er sich einen Genickbruch zu, eine Arterie riss. Caesar erlitt einen Schlaganfall und ist seit dem Unfall querschnittgelähmt. Der Rosenheimer Oberligaspieler Mike Glemser ist seit Februar dieses Jahres abwärts der Halswirbelsäule gelähmt, er war ebenfalls mit dem Kopf in die Bande gekracht.

"Du willst das als Spieler nie", betont Nationalspieler Dominik Bittner. "Es gibt keinen Eishockeyspieler, der sich vornimmt: ,Den fahr ich jetzt ins Krankenhaus'." Es gehe darum, eine "feine Linie" in Zweikämpfen zu finden. "Eine gewisse Härte gehört zu unserem Sport, und die darf nicht verlorengehen", sagt Bittner. Dafür sei auch Solidarität unter den Spielern vonnöten: "Wenn du in einer wehrlosen Position bist, erwartest du, dass du nicht komplett über den Haufen gefahren wirst."

Es gibt im Eishockey Beispiele von Regeländerungen, die zur Folge hatten, dass die Sicherheit verbessert wurde - auch wenn sich Spieler zu Beginn oft dagegen wehrten. Das Halbvisier ist in der DEL seit rund 20 Jahren Pflicht, die Zahl schwerer Augenverletzungen hat deutlich abgenommen. Die gesetzliche Unfallversicherung versuchte um das Jahr 2010 herum, Vollvisiere bei Profis verpflichtend zu machen, um Zahn- und Kieferverletzungen zu reduzieren. Das gelang nicht. Das Argument der Profis lautet, dass Vollvisiere sie in ihrer Wahrnehmung des Spielgeschehens zu sehr einschränken.

Stefan Ustorfs Einstellung zum Thema Halsschutz ist eindeutig. "Das macht man jetzt zur Regel - und fertig", sagte der ehemalige Nationalmannschaftskapitän und aktuelle Nürnberger Sportdirektor. Beim Spiel der Nürnberger in München, bei dem auch sein Sohn Jake auf dem Eis stand, habe er "zum ersten Mal Angst gehabt, ein Eishockeyspiel anzuschauen".

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