Stadiondebatte bei 1860 München:Der Löwe will heim

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Mit dem Plan, in das Grünwalder Stadion zurückzukehren, sendet der TSV 1860 ein Zeichen an Fans, Politik und den FC Bayern. Ob er realisierbar ist, bleibt weiter mehr als fraglich.

Thomas Hummel

Der TSV 1860 München erwägt ernsthaft die Rückkehr in seine frühere Heimat, dem Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße und damit den Auszug aus dem Münchner WM-Stadion. Die im März eingesetzte Projektgruppe Stadion hat wenig überraschend das von den allermeisten Fans ersehnte Ziel formuliert. Dabei muss der Verein allerdings gleich mehrere hohe Hürden nehmen, bevor eine Rückkehr möglich ist. Nicht wenige in der Stadt glauben, dass in dem mitten in einem Wohngebiet stehenden Grünwalder Stadion nie mehr Profifußball stattfinden wird.

Das Grünwalder Stadion in München-Giesing ist für viele Sechzig-Fans ihre eigentliche Heimat - jetzt plant der Verein eine Rückkehr. (Foto: Foto: Getty)

Der Zweitligist formulierte seine Perspektive kurz nachdem ein Rechtsstreit mit dem Lokalrivalen FC Bayern München bekanntwurde. In einem rüden Wortwechsel über die Presse stritten sich Bayern-Manager Uli Hoeneß und Sechzig-Geschäftsführer Manfred Stoffers über die Miete des TSV 1860, im Besonderen über die Kosten für das Catering. Stoffers erklärte die bis zum Jahr 2025 zu zahlenden 40 Millionen Euro für die Bewirtung als zu hoch, und sieht sich in einer "Notwehrsituation". Er überweist deshalb nur noch so viel, wie er für angemessen hält, woraufhin der FC Bayern nun vor Gericht ziehen will.

Einst Partner, jetzt Streitparteien

Der Streit zwischen den Münchner Profivereinen spitzt sich damit zu. Einst haben sie als Partner zusammen das WM-Stadion vor der Stadtgrenze gebaut, damals war der TSV 1860 noch Erstligist und glaubte, es sich leisten zu können. Außerdem gab es auch erheblichen politischen Druck auf den Klub, weil ohne das neue Stadion wohl keine WM 2006 nach München gekommen wäre und es wegen der hohen Kosten für die Stadt für die Verkehrsanbindung ein Bürgerbegehren gab. Ohne 1860 wäre das Stadion politisch kaum durchsetzbar gewesen.

2004 folgte aber der Abstieg des Klubs aus der Bundesliga und es stellte sich alsbald heraus, dass ein Zweitligist die Kosten nicht stemmen kann. Kurz vor der Insolvenz musste 1860 im Jahr 2006 seine 50 Prozent Anteile an den FC Bayern verkaufen, nun sind die Blauen Mieter der Roten. Ein Graus für viele Sechzig-Fans, noch dazu hemmen die Mietkosten von 4,5 Millionen Euro im Jahr die Entwicklung des Klubs.

Während anfangs nur eine kleine Gruppe den Auszug aus der Arena forderte, werden die Stimmen inzwischen immer lauter. Das Präsidium setzte im März eine Projektgruppe ein, die neue Heimstätten prüfen sollten. Diese stellte nun fest, dass die Rückkehr ins Grünwalder Stadion "die einzige Alternative ist", sagte Aufsichtsratsmitglied Christian Waggershauser.

Kein Fußball im Olympiastadion

Für das Münchner Olympiastadion gebe es eine Vereinbarung, die bis 2090 darin Fußball ausschließe, wie im Gegenzug in der Allianz Arena keine Musikkonzerte stattfinden dürften. Ein Neubau "auf der grünen Wiese" sei politisch und rechtlich nicht durchsetzbar, weil es keine geeigneten Grundstücke mit entsprechender Verkehrsanbindung gebe. Bereits bestehende Sportareale in München würden ebenfalls aus verschiedenen Gründen durchfallen, so Waggershauser. Ebenso ein Umzug nach Unterhaching, wo der bestehende Sportpark mit 15.000 Plätzen zu klein sei für die Ansprüche des TSV 1860. Und so bleibt nur: das Grünwalder Stadion, für viele Herzensstätte des Klubs.

Immerhin gab Waggershauser zu, dass in der Stadtpolitik hier "große Skepsis" herrsche. Das Stadion ist mehr oder minder baufällig und derzeit nur noch für gut 10.000 Zuschauer zugelassen. Oberbürgermeister Christian Ude und Sportpolitikerin Christine Strobl (beide SPD) erklärten mehrfach öffentlich, dass für sie Profifußball mitten im Stadtteil Giesing "unmöglich" zu realisieren sei. Auch Waggershauser betonte, dass er vor allem wegen scharfer Anforderungen an Brandschutz, Sicherheit derzeit nicht sagen könne "ob das geht".

Und so war der Auftritt von Waggershauser und Präsident Rainer Beeck vor allem ein politischer. Viele Fans warteten sehnsüchtig auf ein Zeichen des Klubs, die Allianz-Arena verlassen und ins Grünwalder Stadion zurückkehren zu wollen. Rund um den sogenannten Mediencontainer auf dem Sechzig-Klubgelände tummelten sich einige, die die Nachricht skeptisch aber hoffnungsfroh aufnahmen. Ebenso in den Klubforen im Internet.

Renovierung des Grünwalder Stadions?

Zudem musste der Verein ein Zeichen an die Stadtpolitik senden, die im Dezember darüber befindet, ob das Grünwalder Stadion für etwa zehn Millionen Euro wenigstens drittligatauglich renoviert wird. "1860 hat jetzt die einmalige Chance auf eine Rückkehr. Wenn die Stadt schon Millionen Steuergeld reingesteckt hat, wird sie sicher in zwei, drei Jahren einen weiteren Umbau nicht mehr genehmigen", bemerkte Waggershauser.

Dabei plant seine Gruppe mit einem Neubau an alter Stätte. Nach dem Vorbild es 45 Millionen Euro teuren Augsburger Stadions ("in der Stadt München wäre es sicher etwas teurer", so Waggershauser) soll eine Arena für maximal 35.000 Zuschauer entstehen, die Spielfläche müsste abgesenkt, ein Dach gebaut werden, die Laufbahn weg. Die Probleme Parkplätze und Lärmschutz glaubt Waggershauser bewältigen zu können. Sollten Brandschutzamt, Polizei und Politik zustimmen, blieben allerdings zwei weitere Hürden: Erstens hat der Klub kein Geld und müsste sich von Investoren das Stadion finanzieren lassen.

Und als Letztes müsste auch der FC Bayern mitspielen, schließlich verfügt 1860 noch über einen gültigen Mietvertrag für die Arena bis 2025. Doch nachdem der Rekordmeister nun eine Finanzspritze von mehr als 100 Millionen Euro vom Autobauer Audi erwartet und der Ärger mit dem kleinen Nachbarn ständig zunimmt, glaubt kaum einer, dass der FC Bayern erpicht darauf ist, sein Stadion weiterhin alle zwei Wochen in Blau leuchten zu lassen.

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