Spitzenteams in Spanien:Nostalgie zum Billigtarif

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Sie bleiben und sparen dem FC Barcelona dadurch Geld: Trainer Ronald Koeman und Lionel Messi. (Foto: David Ramos/Getty Images)

Barça-Trainer Ronald Koeman nimmt Gehaltseinbußen in Kauf, auch Superstar Lionel Messi bleibt zu verringerten Bezügen - und beim kriselnden Erzrivalen Real Madrid kehrt in Carlo Ancelotti ein alter Bekannter als Coach zurück.

Von Javier Cáceres, Madrid/Berlin

Am Donnerstag trat das Präsidium des FC Barcelona zum Essen zusammen, und auf dem Menü stand eine Personalie, die im Lichte der vergangenen Wochen sensationell anmutete. Obschon sie eigentlich nur eine Fortführung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses markierte. Nachdem Präsident Joan Laporta in den vergangenen Wochen Trainer Ronald Koeman aktiv und passiv infrage gestellt hatte, bleibt der Niederländer nun doch über den Sommer hinaus Chefcoach. "Nach einer Periode der Reflektion haben wir uns entschlossen, den Vertrag fortzuführen", sagte Laporta am Donnerstag. Bei Barça hat Koeman nun einen Vorgesetzten mit klangvollem Namen: Barça bestätigte auch die Verpflichtung von Jordi Cruyff als Manager.

Koeman, der seit seinem Tor im Champions-League-Finale gegen Sampdoria Genua im Jahr 1992 bei Barça als Klublegende gilt und in der vergangenen Saison immerhin den Pokal in die Vitrinen des Klubs holte, soll eine erhebliche Senkung seines Grundgehalts akzeptiert haben. Im Gegenzug seien potenzielle Erfolgsprämien erhöht worden. Koeman amtiert seit einem Jahr in Barcelona, mit Alfred Schreuder als Assistenten, den der neue Bayern-Coach Julian Nagelsmann angeblich gern nach München geholt hätte. Laporta hatte zuletzt mehr oder weniger offen eingestanden, dass er Koeman nur behalten wolle, wenn er keinen anderen finde. Durch die milliardenschweren Schulden war er in seinen Möglichkeiten eingeschränkt: Die Abfindung Koemans und des Trainerteams hätte Millionen gekostet. Gleichwohl sondierte Laporta den Markt intensiv.

Barça-Präsident Laporta soll auch über Thomas Tuchel nachgedacht haben

Nach SZ-Informationen wurde unmittelbar vor dem Champions-League-Finale, das der FC Chelsea am Samstag in Porto gegen Manchester City mit 1:0 gewann, eruiert, ob Thomas Tuchel zur Verfügung stehe. Laporta sei nachgerade verrückt auf Tuchel gewesen; ihm wurde hinterbracht, dass die Türen des legendären Camp Nou für ihn offenstehen würden. Dabei dürfte eine Rolle gespielt haben, dass der heutige City-Trainer und frühere Barça-Coach Pep Guardiola zu den wichtigsten Vertrauensleuten Laportas zählt und große Stücke auf Tuchel hält. Zu konkreten Gesprächen kam es dem Vernehmen nach nicht. Nach dem Champions-League-Sieg gegen City aber hat sich der Anfang des Jahres bis 2022 geschlossene Vertrag Tuchels bei Chelsea zu erheblich verbesserten Konditionen bis 2024 verlängert. In einer anderen, entscheidenden Personalfrage hat Laporta dieser Tage aber offenbar einen wichtigen Fortschritt erzielt.

Medienberichten zufolge soll Kapitän Lionel Messi eingewilligt haben, sein Bruttojahresgehalt um einen Betrag jenseits der 50-Millionen-Euro-Schwelle zu senken. Er würde in den kommenden beiden Jahren immer noch 60 Millionen Euro brutto pro Saison kassieren. Den gleichen Betrag würde er angeblich ab 2023 für zwei Spielzeiten bei Inter Miami in den USA erhalten, wo er die Karriere ausklingen lassen wolle. Anschließend solle er nach Barcelona zurückkehren und auf Jahre hinaus ein Amt bekleiden, das ebenfalls satt entlohnt würde. Das würde den milliardenschwer verschuldeten Klub kurzfristig entlasten und für Marketingeinnahmen sorgen, die ohne Messi wohl geringer ausfallen würden. Bislang hat der FC Barcelona den ablösefreien Messi-Intimus Sergio Agüero von Manchester City verpflichtet. Im Gespräch ist neben Georginio Wijnaldum (zuletzt FC Liverpool) weiterhin der niederländische Mittelstürmer Memphis Depay (Olympique Lyon), der als Wunschkandidat von Koeman gilt. Er soll auch deshalb kommen, weil so die angeblich von Laporta oktroyierte Taktik umzusetzen wäre. Laporta soll von Koeman gefordert haben, zum 4-3-3 zurückzukehren, das einst Johan Cruyff bei Barça implantiert hatte und im vergangenen Jahr in Vergessenheit geraten war, weil Koeman keinen guten Neuner hatte.

Ancelotti erhält in Madrid einen Dreijahres-Vertrag

Unterdessen ordnen sich die Verhältnisse bei Barças Erzrivalen Real Madrid. Am Mittwoch wurde Carlo Ancelotti als Coach präsentiert, er unterzeichnete als Nachfolger des Ende Mai zurückgetretenen Trainers Zinédine Zidane einen Dreijahres-Vertrag. Der Italiener war schon zwischen 2013 und 2015 Trainer in Madrid gewesen und arbeitete zuletzt beim englischen Premier-League-Klub FC Everton.

Nach über sechs Jahren zurück bei Real Madrid: Trainer Carlo Ancelotti. (Foto: Jan Kruger/AFP)

Ancelotti, 61, wurde vor allem wegen seiner ausgleichenden Art verpflichtet, er soll den kriselnden Klub befrieden. Einen Vorgeschmack darauf bot er bei seiner Vorstellung. Auf den geharnischten "Offenen Brief" ein, in dem Zidane dem Klub und Präsident Florentino Pérez vorwarf, seine Arbeit durch gezielte Indiskretionen hintertrieben zu haben, ging er nicht ein. Er habe auch nach der Veröffentlichung des Briefes "null Zweifel" gehabt, zurückzukehren. "Ich weiß, was es heißt, Real Madrid zu trainieren, ich mache es mit Vergnügen, Energie und Freude".

Ancelotti vermied es, sich konkret zu Personalien zu äußern. Allerdings erklärte er: "Wir müssen ein bisschen das Personal reduzieren." In Madrid trifft er auf den Österreicher David Alaba, mit dem er schon zwischen 2015 und 2017 beim FC Bayern zusammengearbeitet hat. Offen blieb unter anderem, was aus Innenverteidiger Sergio Ramos wird. Ancelotti verwies einerseits auf ausstehende Gespräche von Ramos mit dem Klub, andererseits quittierte er die Frage, ob er sich ein Madrid ohne Ramos vorstellen könne, mit einer vielsagenden, launigen Bemerkung. "Ich konnte mir (2015) ein Real Madrid ohne Ancelotti auch nicht vorstellen, und dann gab es das doch..." Überhaupt war er zu Scherzen aufgelegt, sechs Jahre danach sah er unter den Journalisten viele altbekannte Gesichter: "Das Einzige, was sich bei Real Madrid ändert, sind die Trainer". Zu den altbekannten Gesichtern, die Ancelotti in Madrid sehen wird, zählt auch der einstige 100-Millionen-Einkauf Gareth Bale. Der Waliser war zuletzt an Tottenham Hotspur ausgeliehen und muss zurückkehren. Ancelotti sagte, er glaube daran, Bale wieder zu Höchstform treiben zu können. Doch es grassieren längst Gerüchte, Bale könne nach der EM die Fußballkarriere beenden - und Golfprofi werden.

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