Spanische Nationalmannschaft:Del Bosque straft Casillas mit Missachtung

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Auseinandergelebt: Torwart Iker Casillas und Trainer Vicente Del Bosque während der WM 2014. (Foto: Lluis Gene/AFP)

Nach dem EM-Aus verkündet Spaniens Trainer seinen Rückzug vom Profifußball. Mit einer feinen Spitze gegen seinen früheren Zögling.

Von Javier Cáceres, Paris

Am Donnerstagabend kündigte Vicente del Bosque das Ende seiner Amtszeit als Trainer der spanischen Nationalelf an, und was ausfiel, war: eine Inszenierung. Er klapperte alle Sender ab, in Spanien ist das Radio noch immer das Medium, mit dem man die größtmögliche Verbreitung einer Botschaft erreicht. Del Bosques lautete wie folgt: "Am 31. Juli werde ich aufhören, Nationaltrainer zu sein, die Entscheidung ist unwiderruflich", sprach er in Radio Nacional, in der Cadena SER, in der Cope. Mit der gleichen Beiläufigkeit, die er immer schon an den Tag legte, wenn es um ihn ging.

2008 hatte er das Amt übernommen, Spanien hatte zuvor den Europameistertitel geholt, im Finale Deutschland besiegt. Del Bosque führte das Werk fort, wurde 2010 Weltmeister, verteidigte 2012 den EM-Titel. Del Bosque ist der einzige Trainer, der die wichtigsten Titel der Fußballwelt gewonnen hat: die Champions League und den Weltpokal mit Real Madrid, WM und EM mit Spanien. Er hat wie Mário Lobo Zagallo (Brasilien), Guillermo Stábile (Argentinien) sowie Joachim Löw und Berti Vogts mehr als 100 Länderspiele mit einer einzigen Mannschaft geleitet, keiner hat einen höheren Prozentsatz an Siegen als del Bosque vorzuweisen: 77,7 Prozent.

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Von Italiens Trainer Conte wurde er taktisch ausgestochen

Bei der WM 2014 in Brasilien scheiterte Spanien aber vergleichsweise schmählich als Titelverteidiger in der Vorrunde, nun folgte das Achtelfinal-Aus bei der EM, immerhin gegen Italien (0:2). Und das Land debattiert, wie viel Schuld del Bosque trägt. Notwendigerweise, von Italiens Trainer Antonio Conte wurde er taktisch ausgestochen. Aber die aggressiven Untertöne verstören den zurückhaltenden, konsenssüchtigen, uneitlen del Bosque zutiefst.

Dem Profifußball kehrt er nun ganz den Rücken. Sein eigentlicher Traumjob sei der eines Jugendtrainers gewesen, es gebe nichts Schöneres, "als einem jungen Menschen einen Weg ins Leben weisen zu können", sagte er einmal. Bei Real Madrid sah er als Nachwuchskoordinator unter anderen Iker Casillas aufwachsen, den langjährigen Kapitän und Rekordnationalspieler der Spanier. Casillas hatte bei dieser EM seinen Stammplatz an David De Gea von Manchester United verloren.

Das war eine Entscheidung, die schon wegen Casillas' Status heikel war - und noch komplexer wurde, weil vor der EM bekannt wurde, dass de Gea in eine Affäre verwickelt ist, in der es um sexuelle Nötigung von Prostituierten geht. Während der EM sagte del Bosque, Casillas verhalte sich tadellos. Nun schränkte er ein: gegenüber den Mitspielern. Mit den Mitgliedern des Trainerstabs sei Casillas nur "comme ci, comme ça" umgegangen. Del Bosque strafte ihn mit Missachtung. Allen Spielern teilte er sein Adiós per SMS mit. Außer Casillas.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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