Portugal bei der Fußball-EM:Sanches stiehlt Ronaldo die Show

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Nach dem Halbfinal-Einzug der Portugiesen dreht sich alles um den neuen Bayern-Spieler. Hat Renato Sanches doch das Zeug zum Weltfußballer?

Von Maik Rosner, Marseille

Renato Sanches hat ganz am Ende und ziemlich beiläufig noch einmal einen kleinen Trick aufgeführt, diesmal mit einer Trinkflasche. Er griff nach ihr, warf sie in die Luft und fing sie mit einer fest zupackenden Handbewegung wieder auf. Dann war der Mann des Abends in Marseille auch schon entschwunden.

Hinterlassen hatte er mit diesem Abgang vom Podium im Bauch des Stade Vélodrome einen ähnlichen Eindruck wie im Viertelfinale gegen Polen zuvor. Nämlich jenen, dass er sich auf elegante Bewegungen versteht, trotz seiner wuchtigen körperlichen Präsenz. Und dass beides bei ihm fest zusammenzugehören scheint, sogar dann, wenn gerade kein Ball in der Nähe ist.

"Er erinnert mich ein bisschen an Coluna", sagt Trainer Santos

Vorführen darf er seine Fähigkeiten nun erneut im Halbfinale der EM gegen Wales oder Belgien. Portugal hatte sich ja im Elfmeterschießen 5:3 gegen Polen durchgesetzt, nach einem anfangs unterhaltsamen, später aber müden 1:1 über 90 und 120 Minuten, bei dem Robert Lewandowski die frühe Führung (2.) erzielt hatte und sein künftiger Vereinskollege Renato Sanches den Ausgleich mit einem fein inszenierten und dann kraftvoll ausgeführten Linksschuss (33.).

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"Ein fantastischer Moment", sagte der 18-Jährige nach seinem ersten Startelfeinsatz und seinem ersten Turniertor, mit dem er zum jüngsten Torschützen aufgestiegen war, der je in der K.-o.-Phase einer EM getroffen hat. Später verwandelte er auch seinen Elfmeter sicher.

Ausnahmsweise ging es deshalb nach dem Spiel nicht hauptsächlich um Cristiano Ronaldo. Sondern eben um Sanches, der von der kommenden Saison an für den FC Bayern auflaufen wird und schon allein durch die überwiesene Ablösesumme in Höhe von 35 Millionen Euro die Fantasie anregt. Auch deshalb, weil sich Benfica Lissabon bei dem Transfer noch einige weitere Geldströme zusichern ließ, die zu einem ähnlich hohen Betrag anschwellen könnten. Jedenfalls sehr theoretisch und für den unwahrscheinlichen Fall, dass Renato Sanches einmal einen ähnlichen Status erlangen sollte wie Portugals Kapitän Ronaldo, der dreimalige Weltfußballer.

Wer Portugals Nationaltrainer später schwärmen hörte, der konnte allerdings annehmen, dass er diesen Werdegang durchaus für möglich hält. "Ein wunderbarer Schuss des Jungen", sagte Fernando Santos, "Renato ist ein wundervoller Spieler, er hat großartig gespielt. Aber er entwickelt sich noch und kann noch besser werden in der Zukunft. Er muss alle seine Qualitäten auf den Platz bringen, und ich muss ihm dabei helfen. Er erinnert mich ein bisschen an Coluna."

Mário Coluna gilt als einer der besten Fußballer in Portugals Geschichte. Er spielte einst gemeinsam mit dem ebenfalls bereits verstorbenen Eusébio, nicht nur für die Nationalmannschaft, sondern auch für Benfica. Und vor allem verkörperte Coluna jene Markenzeichen, zu denen auch Sanches die Anlagen besitzt. O Monstro Sagrado, das heilige Monster, wurde Coluna genannt, wegen seiner Brillanz als technisch gewandter Mittelfeldstratege mit einer großen körperlichen Wucht. Über die verfügt Sanches bereits jetzt, obwohl er erst 18 Jahre alt ist.

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Die Münchner dürften durch die verheißungsvollen Prognosen des portugiesischen Nationaltrainers aber kaum ins Schwitzen gekommen sein, auch nicht wegen der möglichen Nachschlagszahlungen. Sie sehen in Sanches ja ohnehin ein großes Versprechen, und sie hoffen, dass sich ihr hoher Wetteinsatz auf eine große Zukunft auch rentiert. Darauf setzt auch Carlo Ancelotti, der Nachfolger des bisherigen Trainers Pep Guardiola. Ancelotti hat Sanches gerade schon einmal als "Phänomen" bezeichnet.

Dass Sanches nun schon zum zweiten Mal bei dieser EM zum Spieler des Spiels ernannt wurde, fügte sich ins Bild, auch wenn ihm längst nicht alles gelang. Vor allem aber beeindruckte seine unerschrockene Art, sein enormes Selbstvertrauen und der erkennbare Wille, das Spiel an sich zu reißen. "Der Trainer hat mir gesagt, ich soll das tun, was ich am besten kann", erklärte Sanches später. Es hat ganz gut geklappt.

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