Spanien bei der Fußball-EM:De Geas pikante Verstrickungen

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Hat er oder hat er nicht? David de Gea soll in eine Sexparty-Affäre verwickelt sein. (Foto: REUTERS)
  • Nach der Affäre um David de Gea ist fraglich, ob der angestrebte Übergang im Tor von EM-Titelverteidiger Spanien glückt.
  • Gegen Tschechien steht de Gea trotzdem im Tor.

Von Javier Cáceres , Paris

Der Fußball ist die Kunst des Unvorhergesehenen, kaum jemand hat daraus mehr Profit gezogen als Spaniens Torwart Iker Casillas. "Der Heilige Iker" wird er genannt, und es ist tatsächlich so, dass er einen faustischen Pakt mit irgendjemandem geschlossen zu haben scheint. Der Mann mit den pantherhaften Reflexen hat mehr Leben als eine Katze.

Kostproben gefällig? In der Saison 2001/2002 hatte Casillas bei Real Madrid seinen Stammplatz an César Sánchez verloren; beim Champions-League-Finale stand César im Tor - und verletzte sich nach wenigen Minuten. Casillas wurde eingewechselt und mit atemberaubenden Paraden gegen Bayer Leverkusen Reals Finalheld von Glasgow.

Drei Tage später wurde Casillas auf ähnliche Weise zu Spaniens Nummer eins befördert. Der Stammtorhüter der Spanier, der mittlerweile zurückgetretene Santiago Cañizares, hatte im Bad mit einem Parfumfläschchen hantiert. Es glitt ihm aus der Hand, und als er versuchte, den Flakon mit dem Fuß abzufedern, war eine Sehne durch, die Reise zur WM für ihn geplatzt und Casillas' Weg zum Rekordnational- spieler geebnet. Casillas, 35, hat nun 167 Länderspiele hinter sich.

Glückt der "sanfte Übergang"?

Einige Jahre später wurde Casillas vom damaligen Real-Trainer José Mourinho gemobbt. Ende 2012 setzte Mourinho Casillas auf die Bank und stellte Antonio Adán ins Tor. Nach sechs Minuten sah Adán die rote Karte. 2014 galt Casillas als abgelöst. Aber Víctor Valdés, seinerzeit Torwart beim FC Barcelona, riss sich vor der WM in Brasilien das Kreuzband.

Für die EM galt nun David De Gea von Manchester United als neue Nummer eins, "der sanfte Übergang", den Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque für das Tor ausgerufen hatte, sollte an diesem Montag in Toulouse vollzogen werden, beim Auftaktspiel der Spanier gegen die Tschechische Republik. Doch seit einem turbulenten Wochenende stand alles wieder auf der Kippe. Casillas, der als Dienstältester der Kapitän der selección ist, war plötzlich wieder im Rennen. "Ich muss mir das noch einmal durch den Kopf gehen lassen", sagte Del Bosque am Wochenende.

Der Grund ist eine überaus unappetitliche Affäre, in die De Gea, 25, verwickelt ist. Die Online-Zeitung eldiario.es veröffentlichte am Freitag einen polizeilichen Ermittlungsbericht, demzufolge De Gea im Mai 2012 über einen Porno-Produzenten und Zuhälter ein "Treffen" arrangiert und finanziert haben soll. Dabei seien zwei Frauen zu sexuellen Handlungen genötigt worden.

Es habe Drohungen und Gewalt gegeben. Eine der Frauen, die als Zeugin unter Polizeischutz steht, bezichtigte einen Profi von Athletic Bilbao, Iker Muniain, einer der Aggressoren gewesen zu sein. Die Identität eines zweiten Profis konnte bislang nicht zweifelsfrei geklärt werden; es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich um De Gea handelt. Die Polizei misst den Schilderungen der Zeugin "hohe Glaubwürdigkeit" bei; Geltungssucht oder finanzielle Motive schließt sie aus.

De Gea, der nach eigenen Angaben im Team-Camp von den Anschuldigungen erfuhr ("als ich Playstation spielte"), wies die Vorwürfe zurück. Er habe sich nichts vorzuwerfen, "es ist alles Lüge", sagte er. Seine Nationalmannschaftskameraden stellten sich hinter ihn, ebenso Trainer Del Bosque: "Wir werden ihn voll unterstützen und ihm all unsere Zuneigung schenken", sagte der Coach, der für seinen verlässlichen Führungsstil bekannt ist - und noch nie einen Spieler fallen ließ.

Auch deshalb stand ein Rauswurf De Geas nicht zur Debatte, ebenso wenig eine freiwillige Abreise. Bislang, so betont sein Umfeld, werde gegen ihn nicht ermittelt, er sei nicht einmal als Zeuge geladen. Doch das dürfte sich nach Einschätzung von spanischen Strafrechtlern noch ändern.

Auslöser der Affäre sind Ermittlungen gegen einen spanischen Porno-Unternehmer namens I. A. F. Er sitzt seit April in Untersuchungshaft. Ende vergangener Woche wurde in der Sache das Justizgeheimnis gelüftet, daher sahen die Ermittlungsunterlagen das Licht der Öffentlichkeit. Die Vernehmung der Belastungszeugin stammen aus dem vergangenen Jahr - was wieder einmal ein Licht darauf wirft, wie langsam die Mühlen der spanischen Justiz mahlen.

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De Gea ließ vor der Presse offen, ob er I. A. F. kennt. Aus den Angaben von eldiario.es sowie einer Reihe von Twitter-Botschaften des Torwarts lässt sich aber ablesen, dass De Gea und der Pornoproduzent sich sehr wohl kennen - und auch eine gewisse Vertrautheit pflegten.

De Gea gilt als schmerzfrei

Die Staatsanwaltschaft wirft I. A. F. eine Reihe von mutmaßlichen Delikten und Verbrechen vor: Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, sexuelle Gewalt, (Zwangs-)Prostitution von Voll- und Minderjährigen, Erpressung, Delikte gegen die öffentliche Gesundheit, Geld- wäsche und Steuerhinterziehung. In der Fußballerszene gilt I. A. F. als gut vernetzt.

Del Bosque steht in jedem Fall vor einem Dilemma. De Gea lässt sich nichts anmerken und gilt als nervenstark, um nicht zu sagen: schmerzfrei. "Ich habe noch mehr Lust, diese EM zu spielen", sagte De Gea, der bei Manchester United eine gute Saison hinter sich hat, während Casillas beim FC Porto häufiger gepatzt hat.

Doch was, wenn De Gea im Spiel gegen die Tschechen einen Fehler begeht? Del Bosque gab am Montag bekannt, dass De Gea tatsächlich im Tor stehen wird. Er glaube nicht, dass die späte Entscheidung den Druck auf die Torhüter erhöhe. "Sie haben die Pubertät schon hinter sich", sagte Del Bosque unter dem Gelächter der Journalisten.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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