Ski alpin:Garantiert undurchsichtig

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WM-Ausrichtung in Gefahr? Um Crans-Montana, das zuletzt einen Weltcup der Frauen ausrichtete, ist ein Streit entbrannt. (Foto: Jean-Christophe Bott/dpa)

Der Ski- und Snowboard-Weltverband Fis droht, den Schweizern die alpinen Ski-Weltmeisterschaften 2027 zu entziehen - die Ausrichter sprechen von Vorwürfen "ohne Grundlage". Über einen Weltverband und dessen Talent, den eigenen Sport mit Debatten zu überziehen.

Von Johannes Knuth

Darf man dem als seriös geltenden Schweizer Bundesamt für Umwelt trauen, ist die Schweiz im europäischen Vergleich auf mittlerem Niveau von Erdbeben gefährdet. Nicht in diese Kalkulation eingespeist sind offenbar sportpolitische Erschütterungen wie jene, die der in Oberhofen am Thunersee ansässige Ski- und Snowboard-Weltverband Fis vor Kurzem auslöste. Man sei, teilte er sinngemäß und unverblümt auf seiner Homepage mit, falschen Versprechungen aufgesessen - als habe ein raffinierter Betrüger die Geschädigten mit einem windigen Immobiliendeal ins Verderben geritten.

Sollten die Verursacher, der Schweizer Ski-Verband und die zuständigen Behörden, den Missstand jedenfalls nicht rasch beheben, so die Fis, müsse man die für 2027 an Crans-Montana vergebenen alpinen Ski-Weltmeisterschaften einem anderen Kandidaten vermachen. Was für eine Posse - "ausgerechnet in der seriösen Schweiz!", entrüstete sich das Boulevardblatt Blick.

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Nun hat die Schweiz und ihr Umgang mit Sportverbänden über die Jahre zu so einigen Episoden geführt, die mit seriös eher unzureichend umschrieben sind. Andererseits: Wenn sich eine Lehre aufdrängt aus den etwas mehr als zwei Jahren, die der britisch-schwedische Unternehmer Johan Eliasch nun an der Spitze der Fis präsidiert, dann jene, dass man Verlautbarungen seines Weltverbandes ganz genau abklopfen sollte. Und tatsächlich brauchte es nicht mal eine Lupe, um herauszufinden, dass der neue Aufruhr nach Lage der Dinge kaum von falschen Schweizer Versprechungen handelt. Sondern - so sieht es zumindest die Gegenseite - von Vorwürfen "ohne Grundlage" - und einem Weltverband, der ein erstaunliches Händchen dafür entwickelt hat, den Sport, den er voranbringen sollte, mit Debatten zu überziehen.

Ist die Posse Teil eines Machtspiels?

Die amtliche Mitteilung, die die Fis vor Kurzem auf ihrer Homepage publizierte, war selbst für Eliaschs Verhältnisse mit scharfem Unterton gewürzt. Crans-Montana, so stellt es die Fis dar, habe, als es sich (wie Garmisch-Partenkirchen) um die alpine Ski-WM 2027 bewarb, zugesichert, dass Bund, Kanton und Gemeinde finanzielle Garantien hinterlegen würden. Nun habe sich auf einmal herausgestellt, dass diese Garantien erst fließen, sobald mehrere Volksabstimmungen ("Referenda") erfolgen. Um diese zu umgehen, habe der Schweizer Skiverband die Fis gebeten, die WM ausrichten zu dürfen, ohne die fraglichen Garantien zuzusichern. Die Versprechen der Schweizer Bewerber seien also "vollkommen falsch" gewesen - ein Vorgang, der dem Skisport "enormen" Schaden zufügen könnte. Weil die Schweizer Organisatoren ihren Pflichten nicht nachgekommen seien, habe man auch noch keinen Vertrag mit den WM-Ausrichtern unterzeichnet. Drei Jahre vor Anbruch interkontinentaler Titelkämpfe ist das ein höchst ungewöhnlicher Vorgang.

Diego Züger, der Geschäftsführer des Schweizer Skiverbands, hatte sichtbar Mühe, seine Irritation hinter der Sonnenbrille zu verbergen, als er vor Kurzem im Zielraum von Crans-Montana Widerrede leistete - an einem Wochenende, an dem die Schweizer mit dem Weltcup der Frauen Vorfreude auf die WM in drei Jahren schüren wollen. Man sei "gelassen" und sehe die WM auch nicht gefährdet, sagte Züger, das Vorgehen der Fis verstehe man aber "definitiv nicht". Die Garantien von Bund, Kanton und Gemeinde seien längst durch alle demokratischen Prozesse gewandert, "da gibt es schlicht gar keine Referendumsmöglichkeiten mehr". Der Schweizer Bundesrat Guy Parmelin bestätigte das am Rande des Weltcups in Crans-Montana tatsächlich haargenau. "Von daher", sagte Züger, sei die Mitteilung der Fis "schlicht ohne Grundlage".

Redeten zuletzt offenbar mehr über- als miteinander: Urs Lehmann (links, im Vordergrund), Präsident des Schweizer Skiverbands, und Johan Eliasch (Mitte), Vorstand des Ski- und Snowboard-Weltverbands, hier beim Weltwirtschaftsforum in Davos. (Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Woher rühren dann die forschen Behauptungen in der Depesche? Ein Szenario drängt sich auf: Dass die Fis weitere Garantien verlangt hat - nach der Vergabe und nachdem die Politik die ersten Garantien vor zwei Jahren abgesegnet hatte. Das berichtete zuletzt auch Blick. Der Weltverband dementiert das auf Nachfrage explizit nicht. Diego Züger bestätigte in Crans-Montana immerhin, dass man sich in dieser Richtung konstruktiv ausgetauscht habe, man habe sich zuletzt sogar "angenähert". Das bezog sich offenbar aber auf einen Austausch mit Michel Vion, dem Generalsekretär der Fis. Dass nun plötzlich die massive Drohung hereinplatzte, überraschte angeblich selbst Kenner innerhalb der Fis.

Eliasch hat immer beteuert, ihm gehe es um Reformen und das Wohl der Skisportfamilie

Hatte sich der Austausch zwischen den Skiverbänden und Eliasch zuletzt ein wenig entspannt, wie zu vernehmen war, wirkt die neue Episode wie ein Rückfall in die vergangenen Monate. Da ist die zentrale Vermarktung der TV-Rechte, die Eliasch früh durchdrücken wollte, die bis zuletzt aber am Widerstand vieler Skiverbände scheiterte - weil diese nicht so recht erkennen konnten, wie ihnen das neue Modell die versprochenen Mehreinnahmen bescheren würde. Da ist ein umstrittener Ausrüsterdeal der Fis mit Eliaschs eigenem Unternehmen, den die Fis und Eliasch als alternativlos darstellten. Da ist der langjährige Geschäftsführer einer Fis-Marketingtochter, dem die Fis und Eliasch Untreue vorwerfen - was die zuständige Staatsanwaltschaft zuletzt als haltlos einstufte. Da ist Kritik am Weltcup-Kalender der Alpinen, die der Schweizer Verbandschef Urs Lehmann zuletzt öffentlich vorbrachte - eine geharnischte Replik der Fis war die Folge.

Sei die jüngste Posse um Crans-Montana nun eine Retourkutsche, ein Machtspiel, wurde der Geschäftsführer Züger gefragt? "Bei uns ist der Sport im Vordergrund", sagte er, "nicht die Politik." Wie das die Fis handhabe, könne er nicht beurteilen.

Eliasch hat immer beteuert, ihm gehe es um Reformen und das Wohl der Skisportfamilie. Schaut man auf die Vorgänge seiner bisherigen Amtszeiten, drängt sich indes ein anderes Leitmotiv auf: das der Maximierung eigener Interessen - mit Mitteln, die vielen als mindestens unseriös vorkommen.

Dass sie das Ganze diesmal zu wild getrieben haben könnte, dämmert zuletzt offenbar auch der Fis. Zu Wochenbeginn teilte sie mit: Man habe bei der jüngsten Ratssitzung beschlossen, dass "alle Beteiligten mit vollem Fokus an einer zeitnahen Lösung arbeiten sollten". Als wolle sie einen Streit einfangen, den sie nach Lage der Dinge selbst losgetreten hat.

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