Fis-Präsident Johan Eliasch:"Eine Katastrophe für unseren Sport"

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Ein Präsident als fortwährender Problemfall: Johan Eliasch scheint bislang weit von seinem Ziel entfernt zu sein, den Wintersport in eine prosperierende Ära zu führen. (Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Auch im dritten Jahr unter Johan Eliasch herrscht im alpinen Rennbetrieb Chaos - viele Beteiligte machen den Fis-Präsidenten mitverantwortlich für die Misere und distanzieren sich öffentlich. Wie lange geht das noch gut?

Von Johannes Knuth

Es gab in den vergangenen Monaten einige Momente, da sorgte man sich fast ein wenig um Johan Eliasch, den Präsidenten des Ski- und Snowboard-Weltverbandes (Fis). In Sölden hatte ihn ein "dringendes privates Geschäft" davon abgehalten, den Saisonauftakt seiner geliebten Alpinen zu verfolgen, und auch sonst war der 61-Jährige selten präsent, so nahmen es zumindest kundige Begleiter im Weltcup wahr. Schuftete er stattdessen hinter der Bühne, im Dienst seines Sports? Oder verging da jemandem allmählich die Lust wie einem Kleinkind an einem Spielgerät?

Aber, große Erleichterung: Rund um die Höhepunkte in Wengen, Kitzbühel und Schladming meldete sich Eliasch wieder öffentlich zu Wort. Und die Repliken auf seine Einlassungen verrieten schon einiges darüber, wie es im Alpingeschäft gerade vorangeht. "Sehr besorgniserregend" lautete noch eines der milderen Urteile. Andere sprachen von "Wahnsinn", manche konstatierten, Eliasch sei eine "Katastrophe für den Sport". Hätte nicht spätestens jetzt, im dritten Jahr seiner Präsidentschaft, eigentlich eine neue, prosperierende Ära anbrechen sollen?

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Die Debatten hatten zuletzt neue Nahrung erhalten durch Christian Scherer, Generalsekretär des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV). Die Fis, sagte Scherer der Agentur APA, lerne nicht aus Fehlern der Vergangenheit, sie blockiere den ganzen Alpin-Betrieb.

Hintergrund ist, dass die Fis mit ihren Partnern eisern um eines von Eliaschs Herzensprojekten kämpft: die neuen Matterhornrennen, die seit zwei Jahren ab Oktober die Saison der Abfahrer eröffnen sollen. Zwei Jahre lang fielen sämtliche angesetzte Rennen - acht insgesamt - jedoch aus. Im Frühwinter war es, wie Athleten und Kenner gewarnt hatten, zu stürmisch und unbeständig auf dem Gletscher. (Oder in Eliaschs Worten: Man hatte "großes Pech".) Trotzdem hat die Fis die Veranstalter mit einem Vertrag bis zur Saison 2026/27 ausgestattet, jeweils für das Zeitfenster Ende Oktober/Anfang November. Wie genau man diese Rennen künftig aufziehe, bedürfe nun noch einer "umfangreichen Evaluierung", teilte der Schweizer Skiverband zuletzt mit. Und diese zieht sich dem Vernehmen nach bis mindestens Mitte Februar.

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"Für eine professionelle Struktur nicht tragbar", entgegnete ÖSV-Generalsekretär Scherer. Frei übersetzt: Wieso wird ein Ort, dem es zwei Jahre lang die Rennen wegbläst, mit Garantien ausgestattet, während andere im Ungewissen tappen? Dazu muss man wissen, dass die Fis ihren Alpinkalender einst für drei, vier Jahre im Voraus entwarf. Jetzt war selbst mit Blick auf kommenden Winter bis zuletzt vieles in der Schwebe. Scheint das Slalomrennen der Männer, das zuletzt in Gurgl seine Premiere erlebte, wieder im Kalender auf? Kommt die Kandahar-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen noch mal wieder? Oder der Slalom am Gudiberg, der 2023 stattfand, nicht aber 2024? Ein kurzer Slalom mit einem Ziel auf 700 Metern Höhe könnte ja durchaus leichter auszurichten sein als Speed-Rennen (die für das kommende Wochenende in Garmisch gerade wieder abgesagt wurden). Das Problem sei nur, sagte Scherer zuletzt: Viele Zeitfenster seien längst geschlossen. In Sölden, wo der kommende Auftakt in den etwas kälteren November wandern sollte, sind die Quartiere offenbar schon blockiert - bleibt wieder nur der ungeliebte Termin Ende Oktober.

Noch ein Bremsstein: Eliasch, das gibt er offen zu, will den Sport in neue Märkte tragen, vor allem nach Amerika - als würde dort ein Geschäft im Schnee schlummern wie ein unerschlossenes Ölfeld in der Wüste. Dass viele ähnlich gelagerten Versuche in der Vergangenheit misslangen? Offenbar wurscht. Ab 2025 soll Sun Valley offenbar das Weltcup-Finale ausrichten, zuletzt brachte Eliasch im Schweizer Fernsehen auch wieder China ins Spiel. Mehr als die derzeit 45 Rennen im Kalender sollten es aber nicht werden. Andere Standorte müssten also weichen.

Der Renndirektor der Fis ging zuletzt immer wieder auf Distanz zum Präsidenten

Das entscheide er aber nicht allein, betonte Eliasch, darum kümmere sich "eine große Gruppe", wie immer. Dem widersprach Markus Waldner, der Renndirektor der Fis, rund um die Rennen in Wengen beachtlich offen: "Es ist nicht mehr wie vor zwei Jahren, als ich allein den Kalender gemacht habe, das wissen alle", sagte Waldner. "Jetzt haben andere auch einen Einfluss, und deswegen bastelt man so herum."

Wer da wohl gemeint war? In Garmisch wollte sich Waldner auf Anfrage nicht äußern. Wie lange das noch gut geht mit ihm und der Fis-Führung, das beobachten nicht wenige in der Branche sehr genau.

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Er habe das in 30 Jahren so noch nie erlebt, sagte Christian Schwaiger in Garmisch, der Chefcoach der deutschen Alpin-Männer: "Auf einmal will man mit Gewalt Veränderungen einbringen, die einfach nicht produktiv sind für den Sport." Nur eines von vielen Beispielen: Weil die Techniker (samt der Riesenslalomfahrer, die auch im Speed starten) Anfang März nun wieder nach Aspen beordert werden, sind die schnellen Rennen in Kvitfjell auf Mitte Februar gerutscht - mitten in die norwegischen Skiferien hinein. So finde man dort nun kaum Unterkünfte, sagt Schwaiger. Wären die Rennen in Chamonix am kommenden Wochenende nicht ersatzlos ausgefallen, hätten die Abfahrer gar fünf Speed-Blöcke an sechs Wochenenden abgespult, hintereinander.

"Wahnsinn", sagt Schwaiger. Dabei sei der Skisport, vor allem der Abfahrtssport "so wunderschön - wenn man sich ordentlich vorbereitet". Dafür müsse einem der Kalender aber "eine gewisse Luft zur Regeneration und zum Trainieren geben, und die haben wir einfach nicht". Und wenn dann die Eltern im Fernsehen sehen, wie ermattete Fahrer in die Fangzäune purzeln - auch wenn die Gründe dafür vielschichtig sind -, "dann entscheiden die im Zweifel, dass ihr Kind ganz sicher keinen Abfahrtssport betreiben wird".

An der Grenze: Im alpinen Weltcup kam es zuletzt wieder zu vielen Stürzen, hier der Kanadier James Crawford in Wengen. Manche machen dafür auch den eng gestrickten Kalender verantwortlich. (Foto: Marco Bertorello/AFP)

Im vergangenen Dezember hatten die Cheftrainer der Nationalverbände in Gröden eine außerordentliche Sitzung einberufen, Michel Vion, den Generalsekretär der Fis, sinngemäß gebeten: Ihr müsst auch auf uns hören! Was nutzen neue Märkte, wenn die besten Artisten die Manegen nicht bespielen können? Und wie passt das alles noch mal zu den Nachhaltigkeitsplänen der Fis?

Da hatte Eliasch zuletzt eine besonders originelle Replik parat. Der ökologische Fußabdruck eines Nachtrennens in Schladming etwa, mit 30 000 Zuschauern: Der sei ja "viel größer als bei den Rennen in Aspen, wenn man die Fußabdrücke der Zuschauer addiert". Irgendwie hatte Eliasch nur nicht ganz addiert, dass das Hauptbewegungsmittel der meisten Zuschauer in Schladming die öffentlichen Verkehrsmittel sind - und nicht der Privatjet, wie beim Jetset in Aspen. Oder dass ein Skitross, der mehrmals von Europa nach Amerika gejagt wird, nicht mit dem Segelboot reist. Und wenn der Fußabdruck der wenigen Zuschauer in Aspen so klein ist, wie Eliasch behauptet - warum muss man dort noch mal zwingend neue, angeblich sprudelnde Märkte erschließen?

"Sehr besorgniserregend", wertete Roswitha Stadlober, die ÖSV-Präsidentin, Eliaschs Einlassungen. Ihr Vorgänger Peter Schröcksnadel befand im Schweizer Blick gar, die Aussagen untermauerten, dass Eliasch "eine Katastrophe für unseren Sport" sei, längst untragbar als Oberhaupt eines Weltverbandes.

In einem geben allerdings selbst große Kritiker Eliasch recht: Er allein kann keine Rennkalender durchpeitschen, dafür (und für viele andere Tagesordnungspunkte) braucht es Mehrheiten in Kongressen und Räten. Und solange dort nicht reagiert wird? Rollt die Katastrophe weiter.

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