Ski alpin:Lieber ein Selfie mit Felix

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Bestes Ergebnis eines deutschen Skifahrers in Gröden: Josef Ferstl mit Platz 15 in Abfahrt Nummer eins, hier bei der zweiten Abfahrt am Samstag. (Foto: Harald Steiner/Gepa/Imago)

Die deutschen Skirennläufer erleben ein schwaches erstes Speed-Wochenende in Gröden. Der Sportchef redet sich in Rage - der begehrteste deutsche Athlet im Zielbereich ist ein ehemaliger.

Von Korbinian Eisenberger, Val Gardena

Der derzeit beste Skirennläufer der Welt hatte keine Lust zum Reden. Ins Mikro zweier Reporterinnen vom Grödener Lokalradio sprechen? Der Tagessiebte Marco Odermatt (der tags darauf den Riesenslalom von Alta Badia gewann) winkte ab. Den beiden jungen Frauen in den lilafarbenen Sender-Outfits gaben dafür andere Auskünfte: Dominik Paris aus Südtirol, der kurz zuvor das Königsrennen dieses Wochenendes in seiner Heimat gewonnen hatte, grüßte artig die Radiohörer, viele seiner Kollegen taten es ihm gleich. Von den Fahrern in den Rennanzügen des deutschen Skiverbands wollten die beiden Lokalreporterinnen allerdings keine Grußbotschaft.

Es waren bezeichnende Szenen, die nach dem dritten von drei Rennen im Grödnertal im Ziel zu beobachten waren. Wie am Freitag hatte es abermals kein Fahrer des deutschen Skiverbands (DSV) beim Klassiker in die Nähe der vorderen Plätze geschafft. Als bester Deutscher hatte der körperlich angeschlagene Andreas Sander die sogenannten Kamelbuckel auf Rang 19 bewältigt. Sehr ordentlich für ihn selbst, bei den Umständen. Aber die Teambilanz? Tags zuvor beim Super-G war Thomas Dreßen als bester Deutscher auf Rang 18 gelandet, für ihn auch ein zufriedenstellendes Tagesergebnis. Aber insgesamt?

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Der Auftakt am Donnerstag mit einer verkürzten Abfahrt war wohl noch das erfolgreichste Ereignis aus deutscher Sicht. Romed Baumann erreichte als Neunter das beste aller Ergebnisse für sein Team, wenngleich der 37-Jährige, der Vollständigkeit halber, unüberhörbar aus Tirol kommt, also Österreicher ist (dass er für den DSV startet, ist eine eigene Geschichte). So bleibt das beste deutsche Ergebnis von Gröden dem Chiemgauer Josef Ferstl vorbehalten, der im Super-G Rang 15 belegte.

Es trug sich alsbald zu, dass der begehrteste deutsche Athlet im Zielraum des abschließenden Abfahrtslaufs am Samstag gar keinen DSV-Zebra-Rennanzug trug, oder besser: nicht mehr. Felix Neureuther war für einen Dreh an die Piste gekommen. Und während die DSV-Abfahrer das Rennen analysierten, konnte Neureuther, ehemaliger Weltklasse-Slalomfahrer und längst Medienprofi, kaum einen Satz zu Ende sprechen. Entweder weil eine Ordnerin ihn schmachtend um ein Selfie bat - oder weil Reporter aller Art sich sogleich auf ihn stürzten, um auch etwas vom deutschen Glanz zu erhaschen. Glanz vergangener Tage.

Maier redet sich in Rage: "Es heißt Rennfahrer und nicht Schönfahrer"

Während es Felix hier, Felix da hieß, schaute hinter dem Trainerzaun ein Mann bedenklich missmutig unter seiner roten Mütze vor. Wolfgang Maier, der Sportdirektor des DSV, ist nicht als Freund von Schönrednerei bekannt - wie er am Samstag einmal mehr hinterlegte. "Wenn man die Körpersprache sieht, sind wir zu wenig entschlossen und zu wenig fokussiert", sagte Maier über seine Abfahrer. Im Weltcup müsse man alles riskieren, sonst werde man - wie nun geschehen - nach hinten durchgereicht. "Wir sind auch skitechnisch nicht gut genug", sagte er, zunehmend in Rage. Er vermisse im Vergleich zu den Spitzenathleten "diesen Drang, diese Bewegung nach vorne". Anders gesagt: "Die fahren einfach zu passiv. Es heißt Rennfahrer und nicht Schönfahrer. Das ist zu wenig Rennfahren."

Dass Sander bei besten Bedingungen am Samstag noch der schnellste DSV-Mann war? Eher kein gutes Zeugnis fürs Team. Denn der 34-jährige WM-Zweite von 2021 war deutlich gezeichnet von einem heftigen Trainingssturz am Dienstag an den Start gegangen und berichtete nachher, dass er wegen der Schmerzen im Rippenbereich weder in Rechtskurven voll den Außenski belasten noch die Wellen auf der Strecke hatte abfedern oder wegdrücken können. "Mehr ging für mich heute nicht", sagte Sander.

Männer-Chefcoach Christian Schwaiger hatte zu Beginn der Saison in Sölden von einer guten Vorbereitung seines Teams berichtet - und damit auch das teils hochdekorierte Speedteam gemeint, das in den vergangenen Jahren meist mit schwierigeren Ausgangslagen in die Saison gestartet war. Diesmal hatten alle Speedfahrer im Weltcup zumindest in einer Sache die gleiche Thematik zu verkraften: Da die ersten fünf Rennen in Zermatt und Beaver Creek allesamt ausfielen, war Gröden nun für sie - mit zwei statt drei Rennen - die allzu späte Auftaktstation. Warum also läuft es bei den deutschen Speedfahrern von allen größeren Nationen mit am schlechtesten?

Niemand wollte konkrete Aussagen zum Material liefern, zu Skiern und Wachs

Baumann, Ferstl, Dreßen und Sander sprachen hinter der Ziellinie bereitwillig über mögliche und unmögliche Gründe. In einem ähnelten sich die Berichte: Niemand wollte konkrete Aussagen zum Material treffen, also nicht zu den Skiern und nicht zu der Frage, wie schnell oder gut diese gewachst waren. Es wirkte schon so, als hätten die DSV-Fahrer allesamt in Gleitpassagen erheblich an Zeit verloren. Wie gut ihre Serviceleute mit dem neuen Fluorverbot im Wachs zurechtkommen, darauf gab es in Gröden keine Antwort, auch von Chef Maier nicht.

Teamkollege Dreßen, ehemals Kitzbühel-Sieger, wertete seine Super-G-Fahrt am Freitag jedenfalls trotz allem als kleinen Erfolg; er benötige nun mehr Rennen. "Mir fehlt das nötige Selbstverständnis bei gewissen Passagen und die Coolness", sagte er. Etwas anders war indes die Stimmungslage bei Samstags-Sieger Paris. Der hatte unlängst ein massives Tief durchlebt, Beobachter wähnten den 100-Kilo-Kraftprotz schon nahe der Ski-Rente. Doch der 34-Jährige vom Team Italien raste unterhalb des Langkofels ins Tal hinab, als sei eine Horde sizilianischer Mafiosi hinter ihm her.

Auch dabei in Gröden: Felix Neureuther beantwortet Fragen von zwei Reporterinnen des Senders Radio Gherdeina. (Foto: Korbinian Eisenberger / OH)

Neureuther hat solche Sorgen nicht mehr, ihn verfolgten im Val Gardena dann noch zwei Reporterinnen in Lila - und bekamen ihre Grußbotschaften.

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