Ski-Weltcup in Gröden:Ein Elefant auf Kamelbuckeln

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31 Jahre alt, 2,01 Meter Körpergröße, 100 Kilogramm Wettkampfgewicht: Bryce Bennett fliegt in Gröden die Abfahrtpiste hinab. (Foto: Tiziana Fabi/AFP)

Der Kalifornier Bryce Bennett triumphiert beim ersten Abfahrtsrennen in Gröden und stellt alle anderen in den Schatten - auch die Favoriten und die Deutschen.

Von Korbinian Eisenberger, Gröden

Sie standen da wie zwei Schulbuben beim Zoobesuch im Angesicht eines Elefanten: Die Münder weit geöffnet, dicke Rucksäcke und Augen so groß wie Skistockteller. Die österreichischen Skirennläufer Daniel Hemetsberger und Vincent Kriechmayr staunten dem Zielhang entgegen, auf dem soeben ein Konkurrent in einem Affenzahn hinuntergerast war. Und dieser Zwei-Meter-Schlaks hatte sie nun alle düpiert. Bryce Bennett, der Elefant aus Kalifornien (um im Bild zu bleiben), hatte wie bei seinem Sieg 2021 an selber Stelle gezeigt, wie man die berühmten Kamelbuckel der Grödener Abfahrtspiste meistert. Bennett erwies sich abermals als zu groß für das gesamte Feld, selbst für die Athleten aus der Skination Österreich.

31 Jahre alt, 2,01 Meter Körpergröße, 100 Kilogramm Wettkampfgewicht: So ausgestattet ging Bennett mit der hohen Startnummer 34 an den Start dieses Abfahrtsrennen, das - man mag es kaum glauben - tatsächlich ausgetragen wurde. Wenn auch mit verkürzter Strecke, um die Athleten vor dem geplanten Super-G am Freitag, einer Abfahrt in Originallänge am Samstag (jeweils 11.45 Uhr) sowie zwei Riesenslaloms kurz darauf in Alta Badia nicht zu arg zu strapazieren.

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Lange hatte an diesem sonnigen Donnerstag im Grödener Tal zu Südtirol vieles dafür gesprochen, dass der Norweger Aleksander Aamodt Kilde seinen Sieg vom Vorjahr würde wiederholen können. Der 31-Jährige gab bereits erste Interviews im Zielbereich, wer sollte ihn noch einholen? Doch plötzlich bretterte besagter Kalifornier über die Saslong-Piste wie ein Surfer auf der perfekten Welle. Im Ziel lag Bennett tatsächlich drei Hundertstel vor Kilde, fünf vor dem Schweizer Marco Odermatt, der als Tagesdritter dieser ersten Abfahrt noch mit aufs Siegerpodest stieg.

Romed Baumann wird Neunter und freut sich vor allem darüber, dass seine verloren gegangenen Skistöcke wieder aufgetaucht sind

Zu den Geschlagenen musste man zuvorderst die Österreicher zählen, deren zweitstärkster Athlet obendrein im Rennanzug des Deutschen Skiverbands startete. Romed Baumann wurde mit 43 Hundertsteln Rückstand auf Sieger Bennett Neunter und zeigte sich im Zielraum durchaus zufrieden mit seiner Form, wenngleich nicht restlos begeistert von seinem Lauf. "Die gesamte Fahrt war okay", erklärte Baumann. Entscheidend sei indes, dass überhaupt gefahren wurde. Er habe sich zuletzt gefühlt, so Baumann weiter, "wie ein Rennpferd, das noch nicht auf die Strecke gelassen wird".

Speedskifahrer zu sein, war in dieser Saison die bis dato undankbarste aller Aufgaben, weil die Saison Anfang November hätte beginnen sollte - und einen Monat später noch immer kein Rennen gefahren war. Sowohl in schweizerischen Zermatt, als auch in Beaver Creek in den USA wurden alle fünf geplanten Weltcups der Männer abgesagt. Für weltschnellsten Skifahrer war dieser erste verkürzte Abfahrtslauf von Gröden nun also die erste Weltcupfahrt der Saison. Und selbst bei diesem Unterfangen wäre beinahe noch etwas schiefgelaufen.

Während der Rückreise aus Beaver Creek, wo der Weltcup-Zirkus unverrichteter Dinge wieder abgereist war, ging dem Tross des Deutschen Skiverbands auch noch ein Großteil des Materials verloren - ganze Skisäcke waren verschwunden, unter anderem die Skistöcke von Romed Baumann. Die Frage war lange, ob das Gepäck rechtzeitig zum Wettkampf in Gröden wieder auftauchen würde. Und tatsächlich: "Die Skistöcke sind gestern endlich mit der Post gekommen", erklärte Baumann. In den Trainings zuvor habe er sich mit Fremdmaterial "durchgeschnorrt".

Ein Babyrennen? Thomas Dreßen hat auf den Kamelbuckeln eher "das Gefühl, mir fetzt es die Kniescheiben raus"

Ähnlich war es Josef Ferstl aus dem Chiemgau ergangen, der in Gröden bis kurz vor dem Ziel mit Bestzeit unterwegs gewesen war. Allerdings ruderte er beim Schlusssprung derart mit dem Armen in der Luft, dass er nicht zum ersten Mal mehrere Zehntelsekunden verlor. So landete er hinter dem deutsch-österreichischen Teamkollegen Baumann als bester ureingeborener deutscher Landesbürger auf Rang 15 - mit 59 Hundertstelsekunden hinter dem furiosen Kalifornier Bennett. Aber - und das ist nicht unwesentlich für einen Oberbayern - vor einer ganzen Reihe österreichischer Athleten, die im Alpenland stets an vorderster Position erwartet werden, besonders in der Königsdisziplin Abfahrt. Kriechmayr, der auf der Saslong auch schon gewonnen hat, landete auf Rang 17, Hemetsberger wurde gar nur 28. Etwas Balsam für die österreichische Alpin-Seele brachte immerhin Stefan Babinsky, der mit hoher Startnummer auf Rang sechs raste.

Das übrige Team in rot-weiß-rot wusste ähnlich wenig zu überzeugen wie einige Athleten im DSV-Renndress. Thomas Dreßen, immerhin fünfmaliger Sieger im Weltcup, kam nur auf Rang 41 ins Ziel und zeigte sich dort wenig erfreut, zwider gar, wie man in Südtirol zu sagen pflegt. Und er teile die Meinung des an Rang elf notierten Südtirolers Dominik Paris keineswegs, der wegen der verkürzten Strecke von einem "Babyrennen" gesprochen hatte. Im Gegenteil: Bereits im Training hatte er beim Überfahren der Kamelbuckel "das Gefühl, mir fetzt es die Kniescheiben raus", wie Dreßen mitteilte. Am Freitag schon hat er erneut das zweifelhafte Vergnügen mit dieser Strecke: Beim Super-G, so sagte Dreßen, gehe er trotz aller Kamelbuckel und Elefanten an den Start.

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