Sicherheit in Sotschi:Dabei geschützt sein ist alles

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Ein russischer Soldat salutiert bei einer Willkommenszeremonie im Olympischen Dorf (Foto: REUTERS)

Der ehemalige CIA-Vize findet: In Sotschi wird es "die gefährlichsten Olympischen Spiele" aller Zeiten geben. Russland bemüht sich vehement, diesen Eindruck zu zerstreuen - mit 37.000 Soldaten und einer selten dagewesenen Totalüberwachung.

Von Julian Hans

Das Stadion war im letzten Augenblick fertig geworden. Alles sollte gut aussehen, wenn Russland einen seiner höchsten Feiertage beging, gerade hier im Kaukasus. Um 10.32 Uhr, der Präsident hatte gerade eine Parade zum Tag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg abgenommen, explodierte ein Sprengsatz unter der Ehrentribüne des Dynamo-Stadions in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny.

Er tötete den Präsidenten Achmat Kadyrow und fünf weitere Personen, die sich in seiner Nähe aufhielten. Später fanden die Ermittler heraus, dass die Täter die Bombe während der Umbauarbeiten unter der Tribüne eingemauert hatten - unsichtbar für die Polizei und für die Metalldetektoren nicht zu erkennen.

Der Anschlag vom 9. Mai 2004 ist bald zehn Jahre her. Mittlerweile hält Kadyrows Sohn Ramsan Tschetschenien gewaltsam unter Kontrolle, und bevor an diesem Freitag in Sotschi die Olympischen Winterspiele eröffnet werden, hat der russische Präsident Wladimir Putin wieder und wieder erklärt, es werde alles dafür getan, um sichere Spiele in der Stadt zu garantierten, die nur wenige Hundert Kilometer von jener Region im Nordkaukasus entfernt liegt, in der bis heute ein Bürgerkrieg im Gange ist.

Und in direkter Nachbarschaft zur von Georgien beanspruchten Provinz Abchasien, die sich für unabhängig erklärt hat und in den vergangenen Monaten ebenfalls Schauplatz von Anschlägen war. 37.000 Polizisten sollen Sotschi schützen, die weiträumige Sicherheitszone um die Stadt wird zudem von Truppen des Innenministeriums bewacht, 11.000 Videokameras zeichnen jede Bewegung auf, in jedem Bus sind vier davon installiert, Satelliten überwachen den Verkehr, Drohnen die Besucherströme, das Abhörsystem Sorm belauscht jedes Telefonat und jede E-Mail. Dazu kommen Luftabwehrraketen und Kriegsschiffe und sogar ein U-Boot vor der Küste. Doch manchen reicht das nicht.

Fast täglich kamen in den vergangenen Wochen Warnungen aus den USA; mal vor der Datenschnüffelei der Russen, dann wiederum beklagten Vertreter des Geheimdienst-Ausschusses im US-Kongress die mangelnde Kooperation mit den amerikanischen Diensten. Der ehemalige CIA-Vize Michael Morell sprach gar von den "gefährlichsten Olympischen Spielen, seit ich denken kann".

Am Donnerstag nun warnte Washington Flughäfen und Fluggesellschaften vor Sprengsätzen in Zahnpastatuben. Moskau versuchte zu beruhigen: Die Warnung beruhe offenbar auf einem Missverständnis oder einem Übersetzungsfehler, erklärte der stellvertretende Außenminister Alexander Lukaschewitsch.

Wettkampfstätten in Sotschi
:Gigantische Monumente

Alles neu, alles groß: Die Wettkampfstätten der Olympischen Winterspiele in Sotschi haben Milliardenbeträge gekostet. Für eine Halle wurde doppelt so viel Stahl verbaut wie für den Eiffelturm. Eine interaktive Karte mit Informationen und Videos zu allen Austragungsorten.

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Das Hin und Her zeigt das Misstrauen zwischen beiden Regierungen. Die schwierige Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane beider Länder wurde durch den Fall Edward Snowden zusätzlich belastet. Schon zuvor teilten die USA ihr Wissen nur zurückhaltend und begründeten das mit dem brutalen Vorgehen russischer Spezialeinheiten gegen Verdächtige im Kaukasus. Ein Argument, das in Moskau auf Unverständnis stößt: Töten die USA mit ihren Drohnen nicht auch auf Verdacht?

Schon einmal hätte ein Anschlag verhindert werden können, wäre die Zusammenarbeit zwischen den Diensten vertrauensvoller. Aber FBI und CIA nahmen die Warnung der russischen Kollegen vor den aus Dagestan stammenden Brüdern Dschochar und Tamerlan Zarnajew nicht ernst, die laut der Anklage im April 2013 den Anschlag auf den Boston-Marathon verübten. Die USA wollen nun selbst für die Sicherheit ihrer Sportler sorgen und haben Kriegsschiffe vor der Küste in Stellung gebracht.

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:Danke, Steuerzahler

So teuer waren die Olympischen Spiele noch nie: Etwa 30 Milliarden Euro kostet das Spektakel am Schwarzen Meer. Doch wer hat die Unsummen für Sotschi bezahlt? Der russische Staat fast alles - seine Oligarchen fast nichts.

Von Johannes Aumüller, Sotschi

Zweifel am russischen Schutz für Sotschi kommen aber auch aus dem Land selbst. Der Geheimdienst-Experte Andrej Soldatow kritisiert, dass sich alles auf die Überwachung konzentriere. Das Sagen habe ein Spionage-Experte des Geheimdienstes FSB, der wenig Erfahrung mit der Bekämpfung von Terrorismus habe.

Die Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze nach den Anschlägen von Wolgograd, bei denen im Dezember 34 Menschen getötet wurden, habe zudem die Terrorabwehr erschwert: Weil die Strafen drastisch verschärft wurden, Familienangehörige der Täter nun auch offiziell für Schäden haftbar gemacht werden und selbst Mitwissern bis zu 20 Jahren Haft drohen, sei die Bereitschaft im Umfeld der Islamisten gesunken, sich den Behörden anzuvertrauen. Nun meldeten Sicherheitsbehörden, sie hätten bei einer Anti-Terror-Operation in Dagestan den Organisator der Selbstmordanschläge von Wolgograd erschossen.

Einen weiteren schwachen Punkt haben Experten bei den Bauarbeiten ausgemacht - und verweisen auf den Anschlag auf Achmat Kadyrow vor zehn Jahren. Nach Ansicht des Oppositionspolitikers Boris Nemzow stellen aber die schlampig errichteten Bauwerke eine viel größere Gefahr dar als der Terror: "Wenn alle Besucher überleben, ist das ein großer Erfolg", sagt er.

© SZ vom 07.02.2014/bwa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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