Rosa Chutor wirkt wie der aufgeräumtere Teil der olympischen Bergregion Krasnaja Poljana. Entlang des Flusses Mzymta verläuft eine großzügige Promenade an den Hotels der klassischen internationalen Ketten vorbei, es gibt Läden und ein paar Restaurants und natürlich die Gondelbahn-Stationen, die direkt in die Skigebiete führen. Je weiter man ins Tal hinein vordringt, desto ansehnlicher werden die Bauten. Irgendwo dort oben hat sich Wladimir Potanin in diesen Tagen noch einmal ablichten lassen, weiße Jacke, schwarze Mütze, verschränkte Arme und hinter sich ein paar Holzbänke im Schnee, auf denen schon ein paar Gäste sitzen.
Potanin, 53, ist der Besitzer und der Investor dieses Ski-Resorts, wo nun Alpine und Snowboarder um die Medaillen kämpfen; und er ist einer der reichsten Männer des Landes, auf mehr als zehn Milliarden Euro taxiert Forbes sein Vermögen. Als Sotschi 2007 die Spiele vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zugesprochen bekam, gab es mit Blick auf die Finanzierung des großen Events zwei Annahmen.
Erstens: Es wird teuer; von umgerechnet knapp zehn Milliarden Euro sprach Staatspräsident Wladimir Putin selbst. Und zweitens: Die Kosten sind kein Problem. Denn dafür gibt es in Russland ja zum Glück diese Leute vom Schlage Potanins, die schwerreichen und oft dubiosen Oligarchen, die dem Kreml nahestehen - und die schon deshalb nun in Putins Lieblingsprojekt investieren würden.
So teuer war Olympia noch nie
Sieben Jahre später sieht das Fazit mit Blick auf die Finanzierung deutlich anders aus. Erstens: Alles ist noch um Unsummen teurer geworden als jemals erwartet. Und zweitens: Die Oligarchen haben fast gar nichts bezahlt. Das Gros haben Staat und Staatsfirmen gestemmt, mithin also: der russische Bürger.
1,5 Billionen Rubel. So viel hat die Errichtung der Sause am Schwarzen Meer nach Auswertung von kritischen Beobachtern gekostet; nicht nur die Spiele, sondern die Transformation einer ganzen Region. Das sind nach aktuellem Wechselkurs etwas mehr als 30 Milliarden Euro. An der Größenordnung dieser Zahl gibt es keinen Zweifel, sie beruht zu einem erheblichen Teil auf staatlichen Dokumenten.
Weil diese Summe aber selbst für russische Verhältnisse recht hoch ist, versuchten Putin und seine Getreuen zuletzt, mit einer anderen Zahl dagegenzuhalten: Sie beziffern die unmittelbaren Kosten für die Spiele auf 214 Milliarden Rubel (zirka fünf Milliarden Euro) und sagen, weniger als die Hälfte davon habe der Staat bezahlt. Wer aber die komplette Infrastruktur einkalkuliert, die Straßen, die Hotels und alle Wettkampfstätten, der kommt auf die 1,5 Billionen Rubel. So teuer waren Olympische Spiele noch nie; so teuer waren die letzten fünf Winterspiele zusammen nicht.
Eine Straße für 6,3 Milliarden Euro
Das viele Geld kam zu einem großen Teil direkt vom Staat. "Der Staat hat vor allem in Bereiche investiert, die für Investoren nicht interessant sind", so umschreibt das Dmitrij Tschernyschenko, der Chef des Organisationskomitees. Unmittelbar nach der Vergabe der Spiele 2007 gründete die russische Regierung das Unternehmen "Olimpstroj", das für diverse Sportstätten und Straßen zuständig war. Einen zweiten großen Batzen verschlang das von der russischen Eisenbahn ausgeführte zentrale Verkehrsobjekt der Region: die Bahn- und Autotrasse zwischen Sotschi und der Bergregion Krasnaja Poljana. Diese Straße alleine kostet zirka 6,3 Milliarden Euro.
Wettkampfstätten in Sotschi:Gigantische Monumente
Alles neu, alles groß: Die Wettkampfstätten der Olympischen Winterspiele in Sotschi haben Milliardenbeträge gekostet. Für eine Halle wurde doppelt so viel Stahl verbaut wie für den Eiffelturm. Eine interaktive Karte mit Informationen und Videos zu allen Austragungsorten.
Auch die Region Krasnodar, in der Sotschi liegt, steuerte ihren Teil bei. Dazu kommen immense Investitionen von staatlich kontrollierten Firmen, vor allem vom Energieunternehmen Gazprom und der Sberbank. Doch auch die staatlichen oder staatsnahen Firmen wollen Geld verdienen, und somit holten sie sich ihre Investitionen teilweise wieder vom Bürger zurück - beispielsweise durch Preiserhöhungen für die Eisenbahnfahrkarten.
Und die Oligarchen, die am Anfang als die Hauptfinanziers dargestellt worden waren? Bei ihnen kommt nur eine überschaubare Summe zusammen. Viele, zum Beispiel Alischer Usmanow, haben sich mit einigen Millionen Sponsorgeld begnügt. Mit höheren Summen haben sich im Prinzip nur drei Geschäftsmänner engagiert: Viktor Wekselberg hat ein paar Hundert Millionen Euro für ein Hotel investiert, Oleg Deripaska etwas mehr als eine Milliarde Euro (Olympisches Dorf, Hafen und Flughafen) und besagter Wladimir Potanin (Rosa Chutor, Olympische Universität) war mit etwas mehr als zwei Milliarden Euro dabei.
Doch es ist keineswegs so, dass es sich bei diesen Summen um ausschließlich eigenes Kapital dieser drei Herren handelte. Vielmehr haben sie sich den überwältigenden Anteil von der Wneschekonombank zu Sotschi-Spezialkonditionen geborgt - einer staatlichen Bank. Insgesamt vergab das Institut zirka 5,5 Milliarden Euro an Krediten, und es ist in vielen Fällen völlig ungewiss, ob sie das Geld zurückbekommt. Bis zu drei Viertel der Kredite sollen kritisch sein. Oligarch Deripaska und die Wneschekonombank streiten sich deswegen sogar schon vor Gericht. Sollte das Institut am Ende weitgehend leer ausgehen und seine Verluste an anderer Stelle ausgleichen müssen, fiele auch das auf den russischen Steuerzahler zurück.