Schwimmen-Geschwister Märtens:Paris? Paris!

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Banger Blick, dann pure Freude: Leonie Märtens hat die Qualifikation für Paris sicher. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Leonie und Lukas Märtens sind die ersten deutschen Schwimm-Geschwister bei Olympia nach den Deiblers. Während ihr Bruder bei der Qualifikation in Berlin über 400 Meter Freistil fast den Biedermann-Weltrekord knackt, bekommt sie zur Belohnung einen Chihuahua geschenkt.

Von Sebastian Winter, Berlin

Lukas Märtens ist nicht unbedingt bekannt für emotionale Ausbrüche, anders als die zuletzt vielfach in der Öffentlichkeit herumgereichte Weltmeisterin Angelina Köhler. Erdverbunden und zugleich mit Tiefenschärfe analysiert der 22-jährige Schwimmer seine in jüngster Zeit erstaunliche Entwicklung. WM-Silber und EM-Gold 2022, WM-Bronze 2023 und 2024, alles über 400 Meter Freistil. Auf jener Strecke also, auf der Paul Biedermann seit 15 Jahren den Weltrekord hält, als noch in Rennanzügen geschwommen werden durfte. Doch am späten Donnerstagnachmittag schlug Märtens bei den deutschen Meisterschaften in Berlin, zugleich die Olympiaqualifikation, nach dem 400-Meter-Rennen gleich mehrmals aufs Wasser. Ein klassischer Ausdruck der Begeisterung im Profischwimmen, dessen Protagonisten ja nicht so einfach auf den Boden fallen, Purzelbäume schlagen oder Salti drehen können. Und am Beckenrand falteten viele seiner Kollegen, die zugeschaut hatten, die Hände über dem Kopf zusammen.

Die Uhr war bei 3:40,33 Minuten stehen geblieben, 0,26 Sekunden über dem Weltrekord. Nur Biedermann, Ian Thorpe und Sun Yang waren jemals schneller. Als Märtens auf dem Weg zur Laktatmessung gefragt wurde, ob er nun der Goldfavorit bei den Spielen in Paris sei, sagte er: "Das kann man so sehen. Aber ich setze eigene Ziele, und das ist eine Medaille." Die Zeit, die er auf der Anzeigetafel in der Schwimmhalle im Europasportpark gesehen hatte, bekam er auch da noch nicht wirklich zu greifen. "Was war das denn?", fragte er.

Das erste deutsche Geschwisterpaar im Schwimmen bei Olympia nach den Deiblers: Lukas und Leonie Märtens. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die vier Tage in Berlin, die darüber entscheiden, wen das deutsche Schwimmen nach Paris entsendet, begannen jedenfalls mit Märtens-Festspielen. Nicht nur wegen des spektakulären Rennens, das der neben Florian Wellbrock hoffnungsvollste deutsche Olympiakandidat bei den Männern gezeigt hatte. Sondern auch wegen Leonie Märtens, seiner zwei Jahre jüngeren Schwester.

Leonie Märtens' Tief begann Ende des vergangenen Jahres mit Halsschmerzen

Sie kam hinter Europameisterin Isabel Gose über 400 Meter Freistil auf Platz zwei und darf ebenfalls die Koffer für Paris packen. Mit ihrer Qualifikation hat die 20-Jährige außerdem etwas sehr Besonderes geschafft. Denn das hat es nicht oft gegeben, dass ein deutsches Schwimm-Geschwisterpaar gemeinsam an Olympischen Spielen teilnimmt. Die Deibler-Brüder sind da zu nennen, oder Angela und Klaus Steinbach, die 1972 in München Medaillen gewannen. "Ich bin baff, meine Familie ist baff, wir werden ein großes Familienfest machen", sagte Märtens, die zusammen mit ihrem Bruder unter Bundestrainer Bernd Berkhahn in Magdeburg trainiert - und nun ein besonderes Geschenk von ihrer Mutter erhält: einen Hund, genauer einen Chihuahua, aus der Zucht von Leonie Märtens' bester Freundin. "Er kommt in ungefähr zwei Monaten auf die Welt, ist dann noch so acht bis zehn Wochen bei der Mutter. Direkt nach Olympia kann ich ihn abholen", sagte Märtens.

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Anfang 2021 sollen Medienrecherchen zufolge bei 23 Top-Athleten aus China positive Doping-Proben genommen worden sein. Konsequenzen gab es demnach keine. Auch Olympiasieger der Spiele von Tokio sollen verwickelt sein.

Nette Anekdote, die künftige Hundebesitzerin wirkt gerade auch sehr gelöst. Eine große Angst sei nun von ihr abgefallen, es nicht zu schaffen nach Paris. Sie zeichnete dann ein Bild ihres Bruders, der zuletzt immer auch Förderer und Unterstützer war. "Er hat mich immer motiviert, war immer an meiner Seite, hat mich aufgebaut, als ich im Tief war." Leonie Märtens' Tief begann Ende des vergangenen Jahres mit Halsschmerzen, die immer stärker wurden, sie mündeten im Dezember in eine Mandeloperation. An Trainingsaufbau war nicht mehr zu denken, sie verpasste deshalb auch die WM in Doha. "Es war eine Leidenszeit, die ich durchgemacht habe", sagt sie.

Ihrem Bruder erging es ähnlich, er fiel im Winter wochenlang mit verschiedenen Blessuren aus. Trotzdem ist er nun in bestechender Form. In Paris konzentriert er sich bei voll auf die 200 und 400 Meter Freistil, die langen Strecken lässt er erst mal aus, auch weil sie zeitlich ungünstig liegen. Seiner Schwester gelang am Freitag zugleich noch die Olympia-Qualifikation über 1500 Meter Freistil.

Und das Geschenk? Es wird ein Mädchen. Einen Namen hat Leonie Märtens auch schon für ihre Chihuahua-Hündin: Paris.

Hinweis der Redaktion: In der ersten Version dieses Beitrags hieß es, Leonie und Lukas Märtens seien die "ersten deutschen Schwimm-Geschwister bei Olympia". Das war falsch. Richtig ist, dass es bereits mehrere deutsche Schwimm-Geschwister bei Olympia gab. Wir haben den Hinweis auf die Deibler-Brüder sowie auf Angela und Klaus Steinbach nachträglich eingefügt.

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