Schwimm-WM:Gold für Angelina Köhler über 100 Meter Schmetterling

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Angelina Köhler während ihres 100-Meter-Schmetterling-Finales. (Foto: Sebastien Bozon/AFP)

Die 23-Jährige beendet eine lange Durststrecke des Deutschen Schwimm-Verbandes - und ist vielleicht auch deshalb so erfolgreich, weil sie sich gegen einen Wechsel in die USA entschieden hat.

Von Sebastian Winter

Die WM-Gastgeber in Katar mussten am Montagabend fürchten, dass der Wasserspiegel im 50-Meter-Pool des Aspire Domes sprunghaft um einige Zentimeter ansteigt, so sehr wurde die Schwimmerin Angelina Köhler nach ihrem Rennen von Weinkrämpfen geschüttelt. Als sie aus dem Becken stieg, winkte sie fast entrückt ins Publikum - es war ja auch Außergewöhnliches geschehen. Köhler, 23, ist neue Weltmeisterin über 100 Meter Schmetterling, vor Claire Curzan aus den USA und der Schwedin Louise Hansson.

Damit hat erstmals seit 2009, als Britta Steffen in Rom zweimal erfolgreich war, wieder eine deutsche Beckenschwimmerin WM-Gold gewonnen. Über 100 Meter Schmetterling ist sie die erste bundesdeutsche Weltmeisterin überhaupt - zuletzt hatte 1986 Kornelia Greßler auf dieser Stecke für die DDR Gold gewonnen. Für den Deutschen Schwimm-Verband war es am zweiten Tag der Becken-Wettbewerbe bereits die dritte Medaille - am Sonntag hatte es jeweils Bronze für Isabel Gose und Lukas Märtens gegeben.

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Dass Köhler bereit ist für den mit Abstand größten Erfolg ihrer bisherigen Karriere, hatte sie bereits im Vorlauf und im Halbfinale angedeutet, als sie jeweils den deutschen Rekord verbesserte und schneller war als alle ihre Konkurrentinnen. Bei der WM in Fukuoka vor etwas mehr als sechs Monaten hatte sie - im allerdings stärkeren Teilnehmerfeld - noch keine Medaille gewinnen können, damals sagte sie: "Ich hoffe, vielleicht irgendwann die 57 zu knacken, das wäre ein Traum."

Nun schwamm sie im Halbfinale unter den Augen ihrer Eltern, die nach Doha gereist waren, 56,11 Sekunden, im Finale reichte ihr die Zeit von 56,28 Sekunden. Danach zeigte sich Köhler, die zur Rennvorbereitung immer Taylor Swift hört und dazu tanzt, fassungslos: "Ich kann es noch nicht ganz so verarbeiten, was grade passiert ist. Ich zittere auch am ganzen Körper. Der Sieg hat mir einfach unfassbar viel bedeutet, weil ich davon schon träume, seit ich ein Kind bin. Das bedeutet so viel für mich, dass auch jemand wie ich, der manchmal ein bisschen tollpatschig ist und Sachen vergisst, auch Weltmeisterin sein kann."

Ja, das hat tatsächlich zu Gold gereicht - auch wenn Angelina Köhler es anfangs nicht fassen kann. (Foto: Jewel Samad/AFP)

Dabei hat Köhler nicht den einfachsten Weg eingeschlagen in Richtung Weltspitze. Lange trainierte sie in Hannover, doch als sich dort die Trainingsgruppe mehr oder weniger auflöste, stand sie vor der Wahl, ins US-amerikanische College-System zu wechseln - oder in Deutschland zu bleiben. Die meisten Schwimmer erliegen dem Lockruf aus den USA, wo sie dann am Campus unter profihaften Bedingungen mit kurzen Wegen trainieren können. Doch Köhler entschied sich aus dem Bauch heraus dagegen - und für einen Wechsel zur SG Neukölln.

Dort hat der hoch angesehene Trainer Lasse Frank auf der Kurz- und Mittelstrecke akribisch einen zweiten großen Stützpunkt neben dem Langstrecken-Stützpunkt von Bundestrainer Bernd Berkhahn in Magdeburg aufgebaut. Selbst kleinste Details werden dort analysiert, beispielsweise, ob die Handwinkel-Stellung der Athleten unter Wasser für den Vortrieb perfekt passen oder nicht. Angelina Köhler ist in Berlin neben Ole Braunschweig zu einer der Galionsfiguren dieses Stützpunktes geworden.

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