Deutsche Basketballerin Satou Sabally:Laut sein im Lärm

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Satou Sabally und ihre Dallas Wings brauchen in den WNBA-Playoffs jetzt einen Sieg gegen die Aces - doch das wird schwer gegen die Titelverteidigerinnen aus Las Vegas. (Foto: Candice Ward/AFP/Getty)

Sie spielt eine herausragende Saison für die Dallas Wings und erhielt in den USA kürzlich eine besondere Ehrung: Wer Satou Sabally in Las Vegas anlässlich des WNBA-Halbfinales gegen den Titelverteidiger trifft, erlebt eine Sportlerin mit Haltung.

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas

Natürlich ist das unfair, was die Las Vegas Aces mit gegnerischen Teams anstellen. Die Titelverteidigerinnen der US-Basketballliga WNBA tragen ihre Heimpartien im Mandalay Bay aus - einem Hotel mit Casino neben dem legendären Strip. 10 000 Leute feiern erst mal ordentlich, dann gehen sie hinüber in die Halle und machen Krach. Prominente wie Rapper Lil' Wayne, der am Dienstagabend dort seinen Geburtstag feierte, sitzen am Spielfeldrand und brüllen lauter als der Regisseur Spike Lee bei Partien der New York Knicks. Es kann also passieren, dass man in dieser hitzigen Atmosphäre drei Freiwürfe nacheinander neben den Korb setzt, wie es Satou Sabally von den Dallas Wings bei dieser Halbfinalpartie tat.

"Es ist einzigartig, was hier passiert - und sehr schwer, hier zu gewinnen. Deren Bilanz ist nicht umsonst so gut", sagte Sabally nach der 84:91-Niederlage in den Katakomben des Hotel-Casino-Arena-Gebildes. Die Aces haben tatsächlich nur eine Partie in eigener Halle verloren in dieser Saison, Anfang August gegen Favorit New York Liberty, die in der zweiten Halbfinalserie gegen Connecticut Sun zum 1:1 ausgeglichen haben. "Ich baue darauf, dass wir in eigener Halle in 50:50-Momenten diesen Push kriegen von den eigenen Fans", sagte Sabally. Ihre Wings müssen aufgrund der beiden Niederlagen in Las Vegas das dritte Spiel der Best-of-five-Serie am Freitag gewinnen: "Die Unterstützung kann für die paar Punkte sorgen, die du brauchst in diesen engen Partien."

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:"Ich will als Aktivistin gesehen werden"

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Mit diesem Satz hatte sie den Verlauf der Partie am Dienstag zusammengefasst. Die Wings haben nicht ein Mal geführt in diesem Spiel, sie waren indes auch niemals abgeschlagen. Im dritten Viertel zum Beispiel glichen sie durch einen Dreier von Sabally aus, zwei Minuten vor dem Ende kamen sie auf fünf Punkte heran - jedoch fanden die Aces in genau diesen Momenten, in denen die Partie hätte kippen können, ihre Treffsicherheit wieder. Und dann wurde es laut.

"Diese Atmosphäre ist super. Es ist toll, dass so viele Leute da sind, um uns spielen zu sehen", sagte Sabally und schob einen typischen Sabally-Satz hinterher: "Selbst wenn man verliert: Es ist doch toll, wenn man mit Basketball so viele Leute inspirieren kann."

Vor drei Jahren ist Sabally in die WNBA gekommen, Dallas hatte sie als zweite Spielerin ihres Jahrgangs im Draft gewählt. Zur SZ sagte sie damals, dass sie nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch abseits davon auffallen wolle: "Ich will als Aktivistin gesehen werden", so ihr Plan. Als Person, die sich einsetzt für Gleichberechtigung und gegen Rassismus. Als eine Sportlerin, die ihre Plattform nutzt und ihre Wirkungsmacht mit Leistung unterfüttert. Und ihre Bekanntheit ist gewachsen in diesem Jahr: Kürzlich wurde sie zur "Most Improved Player" der Liga bestimmt, also jener Akteurin mit dem größten Entwicklungsschub in der laufenden Saison. "Die Leute wussten schon, dass ich Talent habe und was kann", sagt Sabally: "Das ist aber die amtliche Bestätigung. Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung."

Satou Sabally für Drei: Auch aus der Distanz trifft die Berlinerin, die in Dallas spielt, ihre Würfe. (Foto: LM Otero/dpa)

Kein Wunder, wenn man bedenkt, was für eine Leidenszeit sie quasi seit ihrer Ankunft in der WNBA durchlebte: erst Rückenschmerzen und Gehirnerschütterung, dann Probleme an Achillesferse, Knie und Knöchel. In der vergangenen Saison war sie bei gerade elf Partien dabei, die Wings scheiterten in der ersten Playoff-Runde. "Ich habe Basketball stets mit Schmerzen assoziiert - das ist ziemlich traurig", erinnert sich Sabally. Mitte der vergangenen Saison wurde ihr alles zu viel, bei der Ankunft im Training bekam sie keine Luft mehr und weinte, sie wusste: So geht es nicht weiter. "Es war die härteste Zeit in meinem Leben. Ich habe mir geschworen, dass es nie wieder so sein soll."

Was sie tat: kurze Auszeit nach der Saison statt sofortiger Abreise in die Türkei, wo sie in der WNBA-Pause spielte, weil Gehälter der Frauen noch immer nur einen Bruchteil jener der Männer ausmachen. Sabally zum Beispiel kriegt in dieser WNBA-Saison ein Gehalt von 86 701 Dollar.

Sabally muss die Balance finden zwischen Sport in Amerika und Europa sowie gesellschaftlichem Einsatz

"Natürlich würde man mal Pause machen wollen - aber hey: money talks", sagt sie. Sie wird auch nach dieser Saison wieder in Europa spielen, allerdings nicht mehr für Fenerbahce wie bisher: "Ich weiß noch nicht für wen - aber ich könnte einen sehr, sehr schönen Vertrag bekommen. Und ich habe mir viele Tipps von Spielerinnen wie Alyssa Thomas oder Breanna Stewart geholt, die auch das ganze Jahr über spielen, wie man den Körper besser pflegen kann bei all den Anstrengungen."

Zum Beispiel: Schwimmen statt Basketball. Wirklich mal ausruhen statt dauernd zu versuchen, noch ein bisschen besser zu werden fürs nächste Engagement. Yoga statt Krafttraining. Sie kümmerte sich ein bisschen um sich selbst, anstatt sich mehrere Tage pro Woche sozial zu engagieren - was sie dennoch mindestens ein Mal pro Woche tut. "Es geht dann eben nicht, dass ich aktiv an einer Parade fürs Recht auf Abtreibung teilnehme", sagt sie: "Meinen Mund kann ich aber immer benutzen und Sprachrohr sein, wenn Frauen benachteiligt werden."

Heißt: Balance finden zwischen sportlichen Engagements in Amerika und Europa sowie gesellschaftlichem Einsatz - und das funktioniert in dieser Saison herausragend: 18,6 Punkte pro Partie, 8,1 Rebounds und 4,4 Assists. In einer Playoff-Partie gegen Atlanta Dream in der ersten Runde schaffte sie gar 32 Zähler.

Jetzt sind Playoffs, da ist das Erreichte aus der regulären Saison fast egal. Was zählt, sind aktuelle Werte, und da stand bei Sabally am Dienstag: Nur fünf Treffer bei 17 Würfen aus dem Feld, sechs Rebounds. Die Wings brauchen mehr von ihr, und Sabally will liefern: "Ich freue mich, dass wir jetzt Heimvorteil haben." Sie haben die Aces besiegt in der regulären Saison - also: warum nicht wieder?

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