Nationalteam von Russland:Bei den Russen sind Deutsche die Gewinner

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  • Russlands Nationalteam sieht beim Länderspiel gegen Deutschland anders aus als bei der erfolgreichen Heim-WM.
  • Mit Konstantin Rausch und Roman Neustädter sind auch zwei Deutsche wieder mit dabei - aber es bleiben auch Zweifel.

Von Johannes Aumüller

Seit kurzer Zeit hat Igor Akinfejew einen neuen Job, wobei es noch abzuwarten gilt, ob es sich dabei um seinen Zweit- oder seinen Drittjob handelt. Im Hauptberuf ist der 32-Jährige weiterhin Torwart des russischen Spitzenklubs ZSKA Moskau, außerdem gehört ihm schon seit einiger Zeit ein Friseursalon, und nun ist er auch noch Student - eingeschrieben an der Moskauer Gubkin-Universität für Erdöl und Gas, Fachrichtung Management.

Er ist also ein viel beschäftigter junger Mensch, von daher passt es auch ganz gut, dass er auf einem anderen Gebiet seine Tätigkeiten reduziert hat: Igor Wladimirowitsch Akinfejew ist tatsächlich nicht mehr der Torwart der russischen Nationalmannschaft.

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Es hat in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten sehr unterschiedliche russische Nationalmannschaften mit sehr unterschiedlichen Leistungsniveaus gegeben, aber ein paar Konstanten waren problemlos auszumachen. Seit 2004 stand im Tor Akinfejew (wenn er nicht gerade einen Kreuzbandriss hatte), und fast immer agierte vor ihm in der Innenverteidigung sein ZSKA-Klubkollege Sergej Ignaschewitsch, 39, und zumindest ziemlich oft Jurij Schirkow, 35, auf der linken Seite. Doch im Sommer haben die drei gemeinsam ihre Sbornaja-Karriere beendet, und so befindet sich Russlands Nationalelf in einem kleinen Umbruch nach dieser überraschend erfolgreichen Heim-WM.

Bis ins Viertelfinale gegen Kroatien (3:4 im Elfmeterschießen) war sie da gekommen, skeptisch begleitet ob ihrer verblüffenden Laufwerte und manch anderer merkwürdiger Vorgänge. Die gepflegte Ammoniak-Schnüffelei in der Halbzeit zählte dazu oder ein auffallender Einstich in der Vene von Angreifer Artjom Dsjuba, den die Mediziner noch dazu mit seltsamen Argumenten begründeten.

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Der Trainer Stanislaw Tschertschessow selbst blieb zwar an Bord, obwohl er zwischenzeitlich beim kriselnden Hauptstadtklub Spartak im Gespräch war - und er von Vertrauten offenkundig den Hinweis erhielt, dass es mit der Sbornaja und seiner Popularität kaum besser werden könne als im Sommer. Aber Tschertschessow, 55, will nun offenkundig zeigen, dass der Erfolg im Sommer kein singuläres Ereignis war, sondern dass er die Sbornaja dauerhaft auf einem guten Niveau etablieren kann.

Dafür hat er an ein paar Positionen gedreht. Gegen Deutschland wird diese Erneuerung sogar noch extremer wirken, als sie tatsächlich ist, weil einige wichtige Spieler wie der Rechtsverteidiger Mario Fernandes, die bei der WM so auffällig spritzigen Mittelfeldspieler Alexander Golowin und Denis Tscheryschew oder Angreifer Dsjuba verletzt fehlen. Aber unabhängig vom aktuellen Genesungszustand dieser Akteure gibt es ein paar Verschiebungen im Kader.

Die beiden früheren deutschen Bundesligaprofis Roman Neustädter (Fenerbahce Istanbul) und Konstantin Rausch (Dynamo Moskau) etwa dürfen sich als Gewinner der vergangenen Monate fühlen. Sie waren schon vor einigen Jahren eingebürgert worden und hatten im Sommer den Sprung in den 23er-WM-Kader noch knapp verpasst, aber inzwischen gehören sie fest dazu und dürften in Leipzig auch in der Startelf stehen.

Im Tor gilt Andrej Lunjow von Zenit Sankt Petersburg als neue Nummer eins und in der Offensive in diesen Tagen Fjodor Tschalow als neuester Schrei. Der 20-Jährige von ZSKA Moskau, bisher noch ohne A-Elf-Einsatz, ist mit neun Treffern der bisher beste Angreifer der russischen Premjer-Liga. Und auch Ari (geboren in Fortaleza/Brasilien, seit Sommer russischer Staatsbürger und derzeit beim FK Krasnodar unter Vertrag) gilt als mögliche Variante, obwohl dessen Nominierung in Russland einige scharfe Debatten hervorrief.

Bisher scheint das mit dem Umbau ganz gut zu funktionieren. Vier Spiele bestritt die Sbornaja seit der WM, drei Siege gab es und ein Unentschieden. Und in ihrer Nations-League-Gruppe mit Schweden und der Türkei hat sie angesichts von sieben Punkten aus den ersten drei Partien beste Chancen, aus der Kategorie B aufzusteigen und sich die Playoff-Spiele um ein EM-2020-Ticket zu sichern. Wobei Tschertschessow diesen neuen Wettbewerb ohnehin mit dem ihm eigenen Humor anging: "Den Spielern alle Details des Wettbewerbs zu erklären, das würde lange dauern und könnte sie verwirren. Das Entscheidende ist einfach, immer zu gewinnen."

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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