Fidschi bei der Rugby-WM:Erst Gott, dann Rugby

Lesezeit: 2 min

Stolze Männer: Fidschi feiert den Überraschungssieg gegen Australien - mit dem Ball unterm Trikot. (Foto: Nicolas Goisque/Maxppp/Imago)

Kaum ein Land auf der Welt ist so eng mit einer Sportart verbunden wie Fidschi mit Rugby. Der erste Sieg über Australien seit 1954 ist ein historischer Moment - und Hoffnung auf mehr Beteiligung im Weltsport.

Von Felix Haselsteiner

Andächtig gab Josua Tuisova dem kleinen Pokal einen Kuss, mit dem er als Spieler des Spiels bei der Rugby-Weltmeisterschaft ausgezeichnet worden war - und der am Sonntag für so viel mehr stand als nur für eine brillante individuelle Leistung. Erst dankte Tuisova dem "allmächtigen Gott", eine Tradition auf den Pazifikinseln, auch in Interviews, dann seiner Mannschaft: "Ich möchte den Jungs danken, sie haben alles gegeben. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen in der zweiten Halbzeit den Tank leer machen. Wir haben dieses Spiel wie ein Finale behandelt."

Offiziell war die Partie zwischen Fidschi und Australien in Saint-Étienne nur das zweite Gruppenspiel in Pool C, doch als solche wird sie nicht in Erinnerung bleiben. Vor allem nicht in dem kleinen Inselstaat, der in Tuisovas kleinem Pokal eine Auszeichnung für einen der größten sportlichen Erfolge der Landesgeschichte sehen wird: 22:15 besiegte das kleine Fidschi den großen Nachbarn Australien, zum ersten Mal seit 1954.

Da fliegt er: Josua Tuisova markiert einen Versuch gegen Australien. (Foto: Philippe Vacher/Maxppp/Imago)

Überhaupt war es das erste Mal, dass eine pazifische Inselnation bei einer Rugby-WM die Australier bezwingen konnte, deren einstige Vormachtstellung längst geschwunden ist: Tonga, Samoa und vor allem Fidschi spielen so gut wie nie zuvor. Vor der WM stand dafür bereits ein Sieg gegen England, nun folgte der Triumph gegen Australien. "Das war Geschichte für uns", sagte Tuisova, der sich mit so etwas auskennt.

Von den knapp 900 000 Bewohnern Fidschis spielen etwa 80 000 Rugby

Der 29-Jährige war 2016 schon einmal Teil eines bedeutenden sporthistorischen Moments, als er mit Fidschi die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro gewann. Im Siebener-Rugby, der abgespeckten, noch schnelleren, weniger taktischen Variante des Sports, waren die Fidschianer schon damals eine Weltmacht. Die erste Goldmedaille überhaupt für einen pazifischen Inselstaat machte die Mitglieder der Mannschaft in der Heimat zu noch größeren Helden als sie ohnehin schon sind: In kaum einem anderen Land weltweit ist ein Sport so dominant wie Rugby in Fidschi.

Von den knapp 900 000 Bewohnern des Landes spielen etwa 80 000 Rugby, mehr als 600 Vereine gibt es. "Rugby ist in unserem Land an zweiter Stelle hinter Gott", so erklärte der ehemalige Nationalspieler Nemani Nadolo die Faszination dem Sydney Morning Herald: "Jedes Mal, wenn man das Trikot anzieht, spielt man stellvertretend für all die Menschen auf den Inseln, die nicht viel haben. Sie würden ihren letzten Dollar geben, um dem Team zu helfen."

Es ist eine einzigartige Verbindung zwischen Nation und Sport, die Fidschi auszeichnet - und die auch von der Suche nach mehr Beteiligung erzählt. Die kleinen Pazifiknationen sind auch sportlich weiterhin Entwicklungsländer, die Unterschiede etwa bei der Finanzierung zu den großen Nationen wie Neuseeland und Südafrika groß. Eine Aufnahme in den elitären Kreis der Rugby Championship könnte vieles bewirken, jährliche Testspiele gegen große Gegner etwa.

Auch Fidschis Trainer Simon Raiwalui fordert "mehr Beteiligung": "Ja, wir wollen involviert sein in der Zukunft", sagte er auf der Pressekonferenz nach dem großen Sieg gegen Australien, der für solche Begehren einen wichtigen Effekt haben könnte. Raiwalui aber verneinte, dass seine Mannschaft mit dem Gedanken im Hinterkopf gespielt hatte, für mehr Inklusion werben zu können: "Heute ging es nur um heute", sagte er: "Es ging darum, ein Spiel zu gewinnen und damit im Turnier zu bleiben." Fidschis Geschichte ist schließlich noch nicht zu Ende erzählt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Rugby-WM
:Erstes Spiel, gleich Krisenstimmung

Frankreich gelingt zum Auftakt der Rugby-WM ein klarer Sieg gegen Neuseeland. Während die Taktik des Gastgebers voll aufgeht, dürfen sich die All Blacks schon jetzt keinen Fehler mehr erlauben.

Von Felix Haselsteiner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: