Rugby-WM:Erstes Spiel, gleich Krisenstimmung

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Rekordweltmeister Neuseeland hat noch nie ein Vorrundenspiel bei der Rugby-WM verloren - bis Freitagabend. (Foto: Warren Little/Getty)

Frankreich gelingt zum Auftakt der Rugby-WM ein klarer Sieg gegen Neuseeland. Während die Taktik des Gastgebers voll aufgeht, dürfen sich die All Blacks schon jetzt keinen Fehler mehr erlauben.

Von Felix Haselsteiner, München/Paris

Die Hymnen, der Haka, die Hitze - die Rugby-Weltmeisterschaft hatte noch nicht begonnen, und doch konnte man die Erkenntnisse schon erahnen, die dieses Eröffnungsspiel bringen würde. Frankreich gegen Neuseeland ist eine Partie, die wegen der Qualitäten beider Teams auch gut und gerne das WM-Finale Ende Oktober sein könnte. Doch Anfang September, an einem der letzten heißen Sommerabende im Stade de France in Paris, wurde es zunächst zu einem Test der Willensstärke.

Und er brachte ein klares Ergebnis: 27:13 endete das erste WM-Spiel am Freitag für Frankreich - was auf der anderen Seite die All Blacks in eine mentale Krisensituation stürzte.

Neuseeland leistet sich viele undisziplinierte Aktionen

"We're not down in the shed", lautete die gewohnt sehr neuseeländische Formulierung, die Trainer Ian Foster wählte, um auszudrücken, dass Niedergeschlagenheit gar keine Option sei. Aber in gewisser Weise sind die Neuseeländer eben schon unten im Stall, wo wenig Sonnenlicht hinkommt: Die erste Vorrunden-Niederlage der All Blacks, der dreimaligen Rugby-Weltmeister, ihrer Geschichte sorgte zu Hause, wo viereinhalb Millionen Menschen in sieben Wochen erneut den Pokal am Flughafen in Auckland erwarten, für eine beachtliche Krisenstimmung.

Schon auf ordentlicher Flughöhe: Der Franzose Damian Penaud trägt den Ball über die Linie, Neuseeland bleibt zu Turnierstart noch am Boden. (Foto: Warren Little/Getty)

Analyse um Analyse war nach der Niederlage zu lesen - immer mit demselben Tenor: Neuseeland hatte sich kämpferisch wie immer nichts zuschulden kommen lassen, aber die Franzosen geradezu freizügig dazu eingeladen, zum Auftakt einen Heimsieg einzufahren. Wiederholt leisteten sich die All Blacks zum Turnierauftakt undisziplinierte Aktionen, die dem herausragenden französischen Kicker Thomas Ramos einen Strafkick nach dem anderen erlaubten. So konterten die Franzosen auch nach dem frühen Schreck: 90 Sekunden nach Anpfiff, als der Haka, der traditionelle Motivationstanz, noch nachhallte, war den Neuseeländern bereits der erste Versuch gelungen. Eine Serie von Kicks und späten Trys in der zweiten Halbzeit, als die All Blacks nach einer gelben Karte für zehn Minuten in Unterzahl agieren mussten, reichte aus für das letztendlich klare Ergebnis zum Auftakt.

Frankreich durfte sich den Auftaktgegner aussuchen, pokerte hoch - und gewann

Die Heimnation hat damit die emotionale Hürde des Auftaktspiels erfolgreich bestritten. "Wir hatten nicht mit dieser etwas angespannten Atmosphäre gerechnet. Selbst auf den Tribünen war es angespannt. Wir sind nicht an diese Art von Atmosphäre gewöhnt", gab Trainer Fabien Galthié nach dem Spiel offen zu. Das ganze Land hatte mit seiner Tricolores mitgefiebert, Frankreich ist für die kommenden sieben Wochen im Rugby-Fieber, von dem die Quinze de France nun profitieren kann, weil ihr mutiger Schachzug aufgegangen ist: Der Gastgeber nämlich kann sich bei der WM den ersten Gruppengegner aussuchen. Doch während das normalerweise zu einer leichten Auftaktpartie führt, wählten die Franzosen den schwerstmöglichen Beginn - und stehen nun als umso größere Sieger da.

Die All Blacks hingegen dürfen sich Gruppe A keinen Fehler mehr erlauben, um nicht das Weiterkommen zu gefährden. Vor allem in zwei Wochen gegen die starken Italiener dürfte das der Fall sein, immerhin hat Trainer Foster bis dahin noch Zeit, sein Team umzubauen. Der kurzfristig verletzte Kapitän Sam Cane dürfte ebenso zurückkehren wie Jordie Barrett in der Zentrale. Einstweilen bleiben zur Krisenbewältigung nur Sprüche im neuseeländischen Slang, der stets wortreiche Foster hatte gleich noch einen parat: "Wir haben ein paar gute Kugeln geschossen, wir haben nur nicht oft genug geschossen."

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