Skispringerin Katharina Schmid:Weit springen - und die wichtigeren Dinge angehen

Lesezeit: 3 Min.

Gekonnt in der Luft: Katharina Schmid. (Foto: Geir Olsen/dpa)

Zum ersten Mal findet an diesem Wochenende ein Frauen-Weltcup im Skifliegen statt. Katharina Schmid ist dabei - und will sich weiter für die Gleichberechtigung in ihrem Sport einsetzen.

Von Volker Kreisl

Auch im Skispringen der Frauen findet man außergewöhnliche Charaktere. Etwa die gerne zu Späßen aufgelegte Österreicherin Eva Pinkelnig aus Vorarlberg. Oder ihre im Jahr 2023 aus dem aktiven Sport ausgestiegene Landsfrau Daniela Iraschko-Stolz, eine prägende Pionierin ihres Sports, die erst als 40-Jährige aufhörte. Oder auch die gerade einmal 18 Jahre alte Slowenin Nika Prevc - Gesamtführende des Winters, Tochter eines ansonsten aus Männern bestehenden Skisprungclans, die ihre vier Brüder wohl alle an Erfolgen überholen wird. Und es gibt Katharina Schmid.

Die Oberstdorferin ist keine sonderlich schillernde Sportgestalt und will es jetzt, nachdem die Karriere schon lange anhält, auch gar nicht mehr werden. Schmid ist zunächst eine jener Sportlerinnen, die den strengen Winter lieben, aber auch den summenden Sommer. Die den Reportern keine aufwendigen Geschichten erzählen, sondern präzise das Nötige formulieren, etwa: "Baustellen gibt's in der Form immer." Nun, zur Halbzeit der Raw Air, einer Art Vierschanzentournee, nur norwegisch und etwas länger, hat sie die Form kurz mal verlassen. Schmid ist am Dienstag von Gesamtrang zwei auf vier gerutscht, am Mittwochabend war sie dann Siebte, womit der Sieg am kommenden Sonntag mit knapp 115 Punkten Rückstand unwahrscheinlich geworden ist. Auch ein Podestplatz (31 Punkte zurück) dürfte schwierig werden.

Doch es gibt immer noch einige Hinweise, dass sie einen oberen Platz erringen könnte. Sie ist ja erst 27 Jahre alt und dennoch grob über 15 Jahre bereits auf Skisprungskiern geflogen. Seit Langem ist sie also dabei, die Mittzwanzigerin ist eine weit gefahrene Sportlerin, etwa zu den Olympischen Spielen in Pyeongchang 2018 und Peking 2022, wo sie jeweils Silber auf der Normalschanze gewann. Ein Wettkampf, den sie sicher nicht vergessen wird, war der Teamsieg bei den Olympischen Jugendspielen in Innsbruck. Solche Ereignisse finden abseits der großen Kulissen statt, geben aber Zuversicht für eine lange Karriere. Und den letzten Haken an der Liste der zu gewinnenden Topereignisse hat sie vor einem Jahr gesetzt, als sie bei der Weltmeisterschaft in Planica/Slowenien Gold im Einzel von der Normalschanze gewann.

Ihre Stärken sind heute andere - zum Beispiel die Zufriedenheit

Das Podest bei Raw Air könnte nun also noch ein Ziel sein, wobei ihre Stärken nach zehn Jahren Karriere andere sind. Zum Beispiel die Zufriedenheit. Schmid hat ein Hobby, das ein wenig altbacken wirkt für eine führende Sportlerin in einer waghalsigen Disziplin. Sie setzt sich damit ab von den meisten Skispringerinnen, die vielleicht schnelle Autos fahren oder mit dem Gleitschirm fliegen. Denn Katharina Schmid beruhigt sich nach einem nervenaufreibenden Springen oder auch allgemein, wenn sie nach Hause kommt, indem sie sich hinsetzt und näht oder strickt. "Ob Nähen oder stricken, da kann ich abschalten", sagt sie - und: "Umso besser ist es, wenn dann was Positives rauskommt." Das kann beides sein: ein gelungener Schal oder ein Flug von der Schanze über die Grüne Linie der Führenden.

Schmids Prägung begann bereits wenige Jahre nach der Geburt und hält bis heute an. Die Wettkampfhärte, die Geduld und vermutlich auch die Fähigkeit, Handarbeit als eine Art Meditation zu nutzen, verdankte sie wohl auch der Schule ihrer Geschwister. Der Zeitung Die Welt sagte sie einmal: "Wenn man zwischen Brüdern aufwächst, muss man sich immer ein bisschen durchsetzen." Und tatsächlich, häufiges Triezen und Herausfordern älterer Geschwister kann entweder frustrierend oder fruchtbar sein. Bei Katharina Schmid war es eindeutig gewinnbringend.

Auszeichnung: Im vergangenen Dezember wurde Katharina Schmid (vormals Althaus) bei der "Sportlerin-des-Jahres"-Wahl in Baden-Baden Dritte. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Mit den abschließenden beiden Raw-Air-Veranstaltungen am Wochenende erschließen sich die Springerinnen auch die letzte fehlende Dimension ihres Sports: das Skifliegen, und zwar erstmals als Weltcup. Ab Freitag geht es somit in Vikersund auf dem sogenannten Monsterbakken erstmals um Punkte. Schmid möchte dabei endlich auch die 200 Meter überfliegen. Doch egal, ob dies klappt - es bleiben in naher Zeit wichtigere Dinge, die sie angehen muss.

Schmid will sich ja noch mehr einbringen in die weitere Entwicklung des Frauen-Springens. Immer noch geht es darum, Männer und Frauen bei der Vierschanzentournee in eine Serie einzubinden. All jene Gründe dafür, dass eine gemeinsame Tournee nicht funktioniere, seien widerlegt, findet Schmid. Die Springerinnen seien den Strapazen genauso gewachsen. "Das Ziel muss sein, dass alle gemeinsam in eine Richtung reisen", sagt sie. Und die Spannung des Wettkampfs ist möglicherweise höher als bei mancher Männer-Serie. In Trondheim jedenfalls lagen zwischen dem ersten und fünften Platz nur 3,5 Punkte. Anders als bei mancher Vierschanzentournee, in der Top-Springer wie Ryoyu Kobayashi, Kamil Stoch oder einst Janne Ahonen dem Rest des Feldes davonflogen.

Eine spannende Tournee mit einem gleich gestalteten Männer- und Frauen-Springen, das wünscht sich Katharina Schmid. Sie hat alles gewonnen, sie ist noch in dem Alter, in dem sie sich weiter in der Verbesserung ihres Sports engagieren könnte, oder etwas ganz anderes anfangen könnte. Oder einfach noch ein paar Winter mit ihrem Sport über die Schanzen springen.

Ein persönliches Ziel wird ihr als Antrieb wohl über diesen Winter hinaus bleiben: der Sieg bei der Raw Air.

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