Österreich und Rangnick:Mit Ausrufezeichen in die Herzen

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Ralf Rangnick macht in Österreich weiter als Bundestrainer - auch, weil er dort offenbar mehr gestalten kann als in München. (Foto: Joa Klamar/AFP)

Gerade hatten sich die Österreicher im Zweckpessimismus zurechtgefunden, da streichelt Ralf Rangnick die Austro-Seele: Sein Verbleib ist auch der Besonnenheit im Verband zu verdanken - und den Möglichkeiten, die man ihm zur Verfügung stellen kann.

Von Felix Haselsteiner

Ganz grundsätzlich lebt man in Österreich im Gefühl der Selbstüberschätzung, das beste Land der Welt zu sein, man muss die Bevölkerung daran nicht tagtäglich erinnern. Ab und an aber tut es der Seele eines Landes ganz gut, wenn so eine Tatsache noch einmal offiziell verbrieft wird, so wie das am Donnerstag um kurz vor zehn Uhr morgens der Fall war. In den Kaffeehäusern wurden gerade die finalen Kipferl des Morgens serviert, zu Butter und Marillenmarmelade reichte der Österreichische Fußball-Bund eine Pressemitteilung mit dem ausgerufenen ersten Satz: "Ralf Rangnick hat sich entschieden!"

Kein ordinärer Punkt reichte aus, es brauchte schon ein Ausrufezeichen, um zu unterlegen: Ganz normal ist das alles nicht, dass ein deutscher Trainer (!) dem größten deutschen Fußballverein absagt (!), damit darauf verzichtet, die Chance auf den unerfüllten Traum einer Bundesliga-Meisterschaft zu haben (!), nur um in Österreich (!) weiterhin die Nationalmannschaft zu trainieren. Rangnick hat sich entschieden - und hat damit im Nebeneffekt ein ganzes Land geadelt, das sich doch gerade im Zweckpessimismus zurechtgefunden hatte.

Auch diese Disziplin beherrscht man in Österreich nämlich. In den vergangenen Tagen wurden in Fernsehinterviews zahlreiche Anhänger vor Fußballstadien befragt, es herrschte Einigkeit: Bleiben solle er bitte, der Rangnick, dessen Name man zwischen Bregenz und dem Waldviertel inzwischen auch nicht mehr falsch ("Ragnick"/"Ramnick") ausspricht. Aber er werde natürlich, wahrscheinlich, verständlicherweise gehen, zu den Bayern, nur die größten Optimisten glaubten noch an einen Verbleib.

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Zu diesen zählten allerdings auch ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer und Sportdirektor Peter Schöttel, die den Verband so ruhig und sachlich durch die Debatten der vergangenen zwei Wochen navigierten, dass man dem FC Bayern fast empfehlen könnte, dieses Duo aus ihren Verträgen rauszukaufen und nicht den Trainer. "Wir waren immer sehr zuversichtlich", sagte Mitterdorfer in der Mitteilung, nachdem er tagelang klargestellt hatte, Rangnick in Ruhe eine Entscheidung treffen zu lassen - aber noch keinen Kontakt mit dem FC Bayern zu haben. Auch von der These, die zwischenzeitlich in der deutschen Boulevardpresse zu lesen war, dass man beim Verband doch Christoph Freund - einst Vermittler zwischen ÖFB und Rangnick im Frühjahr 2022 - entgegenkommen würde, zeigte man sich im Verband herzlich unbeeindruckt.

Mitterdorfer, Schöttel und natürlich Rangnick sind die größten Gewinner in der Causa

Man wusste schließlich um das Komfortpaket, das man dem Trainer in Österreich präsentiert: Es besteht aus einer attraktiven Fußballmannschaft, einem angenehmen Lebensstil und vor allem aus einer beachtlichen Gestaltungsfähigkeit, die er in München nie haben würde. Am Dienstag traf Rangnick sich mit Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler, um über Gesellschaftspolitik und den Bau eines neuen Nationalstadions zu diskutieren, derlei Anliegen durchzusetzen wird nun noch einmal leichter.

Mitterdorfer, Schöttel und natürlich Rangnick selbst sind jetzt die größten Gewinner in der Causa. Mehr Begeisterung und Zuneigung hat selten zuvor ein Teamchef von der Bevölkerung bekommen vor einem Turnier. Allein: So groß die Ausrufezeichen sind, so ungläubig und freudig die Medien nun auf den Titelseiten jubilieren ("JAA!", schrieb die Krone), so naheliegend die Fendrich-Zitate sind ("I steh zu dir/bei Licht und Schatten/jederzeit!") - wirklich nachhaltigen Größenwahn kann der Austroseelen-Streichler Rangnick dann erst von Mitte Juni an auslösen.

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