Comeback von Rafael Nadal:Jeder Schlag wie ein Ausruf: Ich bin zurück

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"Eines der schlimmsten Jahre der Karriere": Nach langer Verletzungspause ist Rafael Nadal zurück auf der Tour. (Foto: Jono Searle/AAP/Imago)

Rafael Nadal tritt nach einem Jahr wieder auf der Tennis-Tour auf und präsentiert sich beim Sieg gegen Dominic Thiem in Brisbane in glänzender Form. Er spielt, als wäre er nie fort gewesen.

Von Barbara Klimke

Zahlen ist nicht zu trauen im Tennis. Zur Anschauung kann ein Match der ersten Runde in Brisbane dienen, bei einem Turnier in Queensland, das als Vorbereitung auf die Australian Open gilt. Jeder Platz in der weiten Arena war besetzt, als die Abenddämmerung den Himmel über dem Dach des Stadions färbte und die Nummer 672 der Tennis-Weltrangliste den Platz betrat. Diese Nummer 672 hatte ein paar Tage zuvor schon einen mittleren Menschenauflauf in der Innenstadt verursacht bei einem Werbeauftritt für das Turnier. Am Dienstagabend riss die Nummer 672, herausgefordert von der Nummer 98, das Publikum vor Begeisterung von den Sitzen mit präzisem, kraftvollem, nahezu fehlerfreiem Spiel, was womöglich nicht überrascht bei den Namen hinter den Zahlen: Rafael Nadal und Dominic Thiem.

Nahezu ein Jahr lang war Nadal bis zu diesem Abend weitgehend von der Bildfläche verschwunden gewesen. Das erklärt sein Abrutschen in der Rangliste; auch wenn er nun das Recht hat, ein sogenanntes Protected Ranking zu nutzen, das seine alte Position (Platz 9) einfriert.

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Die French Open, die er vierzehnmal gewonnen hatte, Wimbledon und die US-Open gingen ohne den 22-maligen Grand-Slam-Sieger aus Manacor ins Land. Ob er jemals wieder bei einem Turnier zum Racket greifen würde, war vor einigen Monaten ungewiss, zu lang erschien die Liste der medizinischen Bulletins, die seine Karriere begleitet. Im Mai, kurz vor einer Hüftoperation, hatte er sich zu Wort gemeldet aus seinem Tenniszentrum auf Mallorca und das sich anbahnende Ende der Laufbahn verkündet: Er wolle alles versuchen, damit er vielleicht noch eine Saison spielen könne, erklärte er damals - um Abschied zu nehmen.

Nadals Haar ist schütterer geworden, die Dynamik ist noch immer gewaltig

"Eines der schlimmsten Jahre der Karriere" liege hinter ihm, hat Nadal nun am Dienstag in Brisbane nach dem Match gegen Thiem gesagt, das er in nicht einmal anderthalb Stunden 7:5, 6:1 für sich entschied. Am Stadionmikrofon dankte er für die Unterstützung, die er "in den einsamen Momenten" der Genesungszeit von seiner Familie erfahren habe, aber auch von den vielen Unbekannten, die ihm aufmunternde Briefe und Nachrichten hätten zukommen lassen. Er habe das alles vermisst: die Gesundheit und das Gefühl, in großen Stadien vor so vielen Menschen zu spielen.

Auf dem Platz wirkte er, als wäre er nie fort gewesen seit jenem verhängnisvollen Match am 18. Januar 2023, als er, schon am Hüftbeuger verletzt, in der zweiten Runde der Australian Open gegen Mackenzie McDonald aus den USA verlor. Das Haar ist etwas schütterer geworden. Aber mit 37 Jahren beherrscht Nadal noch immer dieses präzise, dynamische Spiel, das die Massen fasziniert und das er im Unterschied zu seinem inzwischen zurückgetretene Wegbegleiter Roger Federer nicht mit Eleganz, sondern mit einer aus jedem Ballwechsel zu lesenden Leidenschaft zelebriert. Dominic Thiem, seinem Gegner, der Nummer 98, gelang es zumindest im ersten Satz, dieser Schlagkunst ebenbürtig zu begegnen.

Auch im Falle von Thiem sagt die Zahl nichts aus. Sie verweist auf keine mathematischen Zusammenhänge, sondern ist nur eine Chiffre für die Geschichte, die hinter den Resultaten steht. Seinen letzten Titel eroberte der 30-jährige Österreicher, einst Drittbester der Tennis-Tour, im September 2020, als er im Finale der US-Open Alexander Zverev schlug. Im vergangenen August hat er das Endspiel in Kitzbühel erreicht. Dazwischen liegt eine Phase, in der er sich mit den Folgen einer Handgelenksverletzung quälte, mit Formschwankungen und Motivationsproblemen.

Schon der erste Ballwechsel ist eine Machtdemonstration

Anders als Nadal, der in Brisbane mit einer Einladung der Veranstalter, einer Wildcard, spielt, musste sich der Grand-Slam-Sieger aus Wiener Neustadt, inzwischen von Trainer Benjamin Ebrahimzadeh betreut, zunächst in je drei Sätzen durch die Qualifikation schlagen. Er hatte also mehr Matchpraxis gesammelt auf dem schnellen Court; Nadal hatte sich zuvor nur im Doppel mit seinem Freund und Trainer Marc Lopez eingespielt und gleich verloren.

Im ersten Einzel seit einem Jahr am Dienstag war dann schon der erste Ballwechsel eine Machtdemonstration: eine flache, harte, gerade Vorhand am Gegner vorbei fast in die Ecke, wo sich die Linien treffen - ein Schlag wie ein Ausruf: Ich bin zurück. Das erste Spiel gewann Nadal zu null. Thiem, ebenfalls ein Meister der Vorhand, konterte souverän. Bis zum 5:5 gab keiner ein Spiel ab, es war ein hochklassiges Duell zweier Champions dieses Sports. Nach 50 Minuten erkämpfte sich Nadal den ersten Breakball des Matches, der auch der erste Satzball war. Erst den dritten nutzte er. Im zweiten Durchgang überwanden Wucht und Wille dann Thiems Gegenwehr.

Er habe seine Zweifel gehabt, sagte Nadal, als er am Mikrofon vor dem Publikum stand. Um seine Leistung richtig einzuschätzen, fehlten ihm noch die Erfahrungswerte, aber so viel könnte er sagen: Er habe sich wohlgefühlt, "es lief ganz gut".

Der akribische, penible Arbeiter Nadal allerdings hätte das Wagnis, wieder einen Platz zu betreten, kaum unternommen, ohne angemessen auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Wie lange und wie oft er noch so spielen kann, so kraftvoll und souverän? Wer weiß. Er erwartet nicht zu viel von sich, hatte er schon vorher erklärt. Nur sein Entschluss steht seit langem fest: "Ich möchte es auf meine Art beenden."

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