Nils Politt bei der Flandern-Rundfahrt:Dank der Jury aufs Podium

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Radprofi Nils Politt bei der Zieleinfahrt der Flandern-Rundfahrt. (Foto: Laurie Dieffembacq/dpa)

Nils Politt ist der beste deutsche Klassiker-Fahrer - hat aber ein paar schwierige Jahre hinter sich. Doch nach seinem Wechsel zum umstrittenen UAE-Team blüht der Radprofi auf, wie sein dritter Platz bei der Flandern-Rundfahrt zeigt.

Von Johannes Aumüller

Nils Politt befand sich schon leicht frustriert im Mannschaftsbus, als er eine unerwartete Nachricht empfing. Ein starkes Rennen war er gefahren über die schmalen, giftigen und an diesem regnerischen Tag auch noch glitschigen Straßen Flanderns. Doch das Finale war nicht so gelaufen wie erwünscht. Im Sprint um Platz zwei waren zwei andere Fahrer vor ihm über die Linie gefahren und er selbst damit knapp am Podium vorbei. Also steuerte Politt direkt den Teambus an, pfefferte den Tacho auf einen Sitz - und sah sich auf einmal einem freudestrahlenden Teamchef gegenüber.

"Junge, du bist Dritter", habe ihm Mauro Gianetti zugerufen, der Boss von Politts neuer UAE-Emirates-Equipe. Denn der Australier Michael Matthews war wegen seiner unfairen Fahrlinie im Sprint von der Jury distanziert worden. Und so ging es für Politt noch mal retour zur Siegerehrung, um sich dort belobigen zu lassen, zusammen mit dem zweitplatzierten Luca Mozzato und dem niederländischen Dominator Mathieu van der Poel, der bei seinem dritten Flandern-Erfolg die Konkurrenz um mehr als eine Minute hinter sich ließ. "Es war ein Riesenjubel", sagte Politt: "Bei der Flandern-Rundfahrt auf dem Podium zu stehen, ist etwas Besonderes."

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Das gilt selbstverständlich generell, aber bei Politt kam noch eine besondere Note hinzu. Denn eigentlich genießt der Kölner schon länger den Ruf, der beste deutsche Klassikerfahrer zu sein. Aber seit seinem zweiten Platz bei der Kopfstein-Qual von Paris nach Roubaix 2019 hat er ein paar schwierige Jahre hinter sich. Nicht, dass der 30-Jährige in dieser Zeit gänzlich erfolglos gewesen wäre: Bei der Tour de France 2021 gewann er eine Etappe, auch bei der Deutschland-Rundfahrt reüssierte er - doch die erhofften vorderen Resultate bei den Eintagesrennen im Frühjahr blieben aus.

Bei Bora schien alles für Triumphe bereitet zu sein. Doch dann passte es nicht zusammen

Das war auch deswegen erstaunlich, weil in dieser Zeit alles gerichtet zu sein schien für große Triumphe. Denn von 2021 bis 2023 fuhr Politt in Diensten der deutschen Bora-Hansgrohe-Mannschaft, und damit als Teil eines Teams, in dem sich nahezu alle aussichtsreichen deutschen Fahrer gleichsam wie in einer Nationalmannschaft versammelten; von Politt selbst über den Kletterer Emanuel Buchmann bis zu Lennard Kämna, dem größten Rundfahrt-Talent. Politt klang beim Wechsel so, als komme ihm diese Atmosphäre zupass: "Es ist ein bisschen wie das Wiedersehen mit Freunden aus den Anfangstagen, und das machte die Entscheidung für mich auch sehr einfach." Und noch dazu war klar, dass er bei den bedeutenden Rennen im Frühjahr der eindeutige Kapitän sein würde, für den sich der Rest der Equipe ins Zeug legen sollte.

Tatsächlich aber passte es in dieser Konstellation nicht ganz zusammen, manch gesundheitliches Problem kam dazu - und so war dann nach drei Jahren wieder Schluss. Politt habe nicht die erhofften Resultate eingefahren, sagte Bora-Teamchef Ralph Denk, und als "starker Helfer und Road Captain war er zu teuer für uns".

Stattdessen schloss sich Politt also UAE an. Das Team um den zweimaligen Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar zählt zwar seit Jahren zu den stärksten Mannschaften des Pelotons, aber auch zu den umstrittensten - unter anderem wegen ihres Führungspersonals. Teamchef Mauro Gianetti und seine rechte Hand Joxean Matxin Fernandez steuerten schon in den dopingverseuchten Nullerjahren die Skandal-Truppe von Saunier-Duval; Gianetti war sogar von der Direktion der Tour de France angezählt worden ("ist ein Mann von schlechtem Ruf"), Fehlverhalten bestritt er stets.

Am nächsten Wochenende steht Politts Lieblingsrennen an: Paris - Roubaix

Politt aber hielt das nicht von einem Wechsel ab. "Es war eine einfache Entscheidung, mich für das beste Team der Welt zu entscheiden", sagte er zur Jahreswende in einem Eurosport-Interview zu seinem Wechsel - auch wenn das bedeutete, dass er bei den Frühjahrsrennen nicht mehr zwingend die klare Nummer eins sein würde, sondern oft mehreren Fahrer gleichgestellt. "Die Taktik von UAE war in den vergangenen Jahren von vielen Attacken geprägt - und das liegt mir. Ich mag ihren Stil", sagte er.

Es fällt immer wieder auf, wie Fahrer nach ihrem Wechsel zu UAE oder zum Team Visma (bisher: Jumbo) auf eine neue Stufe gelangen - oder zu alter Form zurückkehren. Und auch Politt scheint das neue Umfeld gutzutun, wie schon vor seinem Podiumsplatz bei der Flandern-Rundfahrt zu bemerken war. Bei Paris-Nizza gewann er mit den Kollegen das Teamzeitfahren, beim Omloop Het Nieuwsblad holte er Rang zwei, beim E3 Preis Rang sieben. Zwischendrin platzierte er schon eine mit Blick auf seine Bora-Jahre interessante Botschaft: "Wir haben ziemlich hart trainiert im Winter, mehr als die letzten Jahre", sagte er der dpa. In Flandern reichte das nun für Rang drei. Und am nächsten Wochenende steht ja Paris-Roubaix an, die Königin der Klassiker - und Politts eigentliches Lieblingsrennen.

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