Profisport:Standortnachteil Freistaat

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"Mogelpackung": Unter Einhaltung der Abstandsregeln liegt die Zuschauerzahl deutlich unter den erlaubten 50 Prozent der Auslastung, wie hier beim Heimspiel der Erlanger Handballer gegen Melsungen. (Foto: Oliver Gold/Imago)

Nach Ansicht der bayerischen Profiklubs bringen die geänderten Infektionsschutzmaßnahmen für den Hallensport einen eklatanten Wettbewerbsnachteil mit sich. Kleinere Vereine bangen um ihre Existenz.

Von Ralf Tögel

Am Montag hat die bayerische Staatsregierung ein paar Zahlen veröffentlicht, die bei nahezu allen bayerischen Profisportvereinen, die ihrem Geschäft unter einem Hallendach nachgehen, blankes Entsetzen hervorrufen. Seither gilt eine aktualisierte Form der 13. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, die angekündigten Änderungen indes stoßen bei diesen Klubs gelinde gesagt auf großes Unverständnis. Es geht um die sogenannten "großen Sportveranstaltungen mit länderübergreifendem Charakter", sprich die Profiligen in den Hallenballsportarten wie Handball, Basketball, Volleyball oder Eishockey. Dann nämlich dürfen "inzidenzunabhängig maximal 50 Prozent der Sitzplätze gefüllt werden", die Obergrenze liegt bei 25000 Zuschauern. Stehplätze sind verboten, die 3G-Regeln greifen, der Abstand von 1,5 Metern ist einzuhalten und es besteht FFP2-Maskenpflicht - auch auf dem Sitzplatz. Der Verkauf von Alkohol wird weiterhin untersagt. Die Profivereine im Freistaat hatten sich angesichts der Lockerungen in anderen Bundesländern ebenfalls deutliche Erleichterungen erhofft, nun ist die Ernüchterung groß.

"50 Prozent der Hallenauslastung" liest sich vordergründig recht passabel, angesichts der verpflichtenden Abstandsregeln bedeutet dies in der Praxis für die Vereine eine weit weniger üppige Auslastung. Carsten Bissel, der Aufsichtsratsvorsitzende des Handball-Erstligisten HC Erlangen, spricht von einer "Mogelpackung". In der Nürnberger Arena etwa, in der die Erlanger ihre Heimspiele austragen, käme man unter Einhaltung der Regeln auf gerade einmal 20 Prozent Auslastung, also etwa 1600 Fans. Der THW Kiel habe gerade verlautbaren lassen, dass er im Heimspiel zum Saisonstart am 8. September mit 9000 Zuschauern plane. "So haben wir einen brutalen Wettbewerbsnachteil gegenüber allen anderen Bundesländern, der nicht zu rechtfertigen ist." Zumal die Regeln weiterhin auch für Geimpfte, Genesene und Getestete gelten würden, so Bissel: "Wo sind denn da die angekündigten Erleichterungen?"

Was die Regelung für den ESV Kaufbeuren bedeutet? "Den Ruin", sagt der Geschäftsführer

Noch schlimmer trifft es die kleineren Vereine, die in größerem Maße von Zuschauereinnahmen abhängig sind. Der Eishockey-Zweitligist ESV Kaufbeuren etwa dürfte nach den derzeit geltenden Regeln bei einer Kapazität von 3500 Zuschauern nur deren 200 in die Arena lassen, wie Michael Kreitl vorrechnet. Auf die Frage, was dies für den schwäbischen Eishockey-Traditionsklub bedeute, sagt der Geschäftsführer: "Den Ruin. Das ist für uns existenzbedrohend und wirtschaftlich nicht mehr darstellbar." Kreitl empfindet die Regelung als "herben Schlag gegen uns alle, weil man sieht, dass es in anderen Bundesländern ganz anders gehandhabt wird. Bei uns in Bayern geht diese Gängelung aber weiter."

Auch Stefan Esch, Medien-Leiter des Eishockey-Erstligisten Augsburger Panther, beklagt innerhalb der Deutschen Eishockey Liga (DEL) "eine spürbare wirtschaftliche und sportliche Benachteiligung der bayerischen Klubs". Gerade das pauschale Verbot von Stehplätzen sei in den Eishockey-Arenen nicht nachvollziehbar. Im etwas mehr als 6000 Zuschauer fassenden Curt-Frenzel-Stadion wäre "nicht einmal ansatzweise Platz für alle Dauerkarteninhaber". Das Testspiel gegen Bietigheim am kommenden Freitag wird daher vor leeren Rängen stattfinden, während die Baden-Württemberger mit ausverkauftem Haus in die Saison starten dürfen. Auch in Nordrhein-Westfalen würden die Vorsichtsmaßnahmen weitaus großzügiger interpretiert, so Esch, dort seien die Sitzplätze ausverkauft und die Stehränge immerhin zur Hälfte besetzt - "und das teils ohne das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes am Platz und mit Ausschank von alkoholischen Getränken".

Die Maskenpflicht schreck viele von einem Besuch in der Halle ab, sagt Bambergs Medienchef Thorsten Vogt

Auch die Maskenpflicht schrecke viele Zuschauer von einem Besuch in den Sportstätten ab, glaubt Thorsten Vogt. Auch der Medienchef des Basketball-Erstligisten Brose Bamberg sieht einen Standortnachteil im Freistaat: "Natürlich sind wir enttäuscht und fühlen uns benachteiligt mit der seit Montag geltenden Regelung in Bayern. Während beispielsweise in Baden-Württemberg die Hallen voll sein dürfen, sind bei uns die 50 Prozent unter Berücksichtigung der 1,5-Meter-Abstandsregel eher dürftig." Die große Hoffnung vieler Klubs ist - neben einem baldigen Einlenken der Staatskanzlei - die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden vor Ort. Dabei hätten viele Vereine, wie die Basketballer des FC Bayern, gute Erfahrungen gemacht: "Wir freuen uns, dass wir wieder Fans bei unseren Heimspielen haben werden", sagt FCB-Medienchef Andreas Burkert, dessen Klub selbstredend weit weniger von Zuschauereinnahmen abhängig ist als andere. "Zu den grundsätzlichen Details sind wir noch in Abstimmung mit der Stadt München. Mit ihr pflegen wir eine exzellente Zusammenarbeit und wir wissen, dass dort verantwortungsvoll mit der Thematik und den von uns entworfenen Konzepten umgegangen wird."

Noch hoffen die bayerischen Klubs auf weitere Änderungen, Vorschläge will die eigens gegründete Interessengemeinschaft "Indoor Teamsport Bayern" nach SZ-Informationen am kommenden Freitag in einer Pressekonferenz in Nürnberg mitteilen.

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