WM-Qualifikation:Ronaldo jagt seinen letzten Traum

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Erfolgreich und stolz: Cristiano Ronaldo ist mal wieder in seinem Element. (Foto: Octavio Passos/Getty Images)

Portugal besiegt Nordmazedonien souverän, Cristiano Ronaldo steht vor seiner fünften WM-Teilnahme und kann in Katar historische Rekorde brechen. Nationaltrainer Fernando Santos spricht vom ganz großen Ziel.

Von Javier Cáceres, Porto

Der englische Schiedsrichter Anthony Taylor hatte die Partie gerade abgepfiffen, da reckte Portugals Nationaltrainer Fernando Santos die Arme in die Höhe und malte mit Zeige- und Mittelfinger ein Victory-Zeichen in die Luft. Aus den Lautsprecherboxen des Estádio do Dragão zu Porto dröhnten die erste Akkorde der ausnehmend schönen - und schauderhaft kriegerischen - Hymne der Portugiesen, sie ruft die "mutige und unsterbliche Nation" zu den Waffen.

"Às aaaaarmas, às aaaaarmas ...", schluchzte die Menge, und allein der Lärmpegel verhieß, dass kein Zweifel daran bestand, welche Last von den 48 000 Menschen im Stadion und wohl auch von elf Millionen Portugiesen gefallen war. Portugal hatte sich in einem schmucklosen Spiel gegen Nordmazedonien keine Blöße gegeben, sondern mit 2:0 gewonnen, durch zwei Treffer von Manchester-United-Stammkraft Bruno Fernandes (32./65.). Der ganze Kader kam im Mittelkreis zusammen, ließ eine riesige Nationalfahne tanzen, und im Kopf von Santos formte sich ein Gedanke zu einem Satz, den er bald in ein Mikrofon sprechen würde: "Ich träume davon, Weltmeister zu werden."

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Was sollte man nun auch weniger erwarten? Unter seiner Ägide ist Portugal im Jahr 2016 Europameister geworden und im Sommer 2019 - worauf er übrigens extrem großen Wert legt - auch Sieger der Nations League. Ja, sie hatten durch diese Mühle der WM-Playoffs gemusst, weil sie in der Gruppenphase hinter Serbien gelandet waren. Aber: Sie überstanden die K.-o.-Spiele. Wer könnte das besser wissen als die Italiener, die der Menschheit ein großes Rätsel hinterlassen haben, es lautet: Wie kann man nur an diesen aufopferungsvollen und tapferen, aber eben auch limitierten Nordmazedoniern scheitern?

"Wir sind da, wo wir hingehören!", schrieb Cristiano Ronaldo, der 37 Jahre alte Kapitän in einem Sozialnetzwerk, als er ein Siegerfoto postete und sein apodiktischer Satz vom Vortag wahr geworden war. "Es gibt keine WM ohne Portugal!", hatte er da getönt. Und siehe: Er steht nun vor der fünften WM-Teilnahme seiner Karriere. Wie der Argentinier Lionel Messi, der in dieser Statistik ebenfalls mit dem Deutschen Lothar Matthäus, den Mexikanern Antonio Carbajal und Rafael Márquez sowie dem Italiener Gigi Buffon (auch wenn der 1998 nicht zum Einsatz kam) gleichziehen kann.

Wer weiß, wozu diese Kur in einem Fluidum namens Demut noch nützlich ist, das die Portugiesen nehmen mussten; die Fallhöhe war für sie höher als die Brücken überm Douro, die Nachrufe schon vorbereitet. Am Spieltag musste Fernando Santos in der Zeitung Público lesen, dass er im Falle einer Niederlage sein Mandat als "Schurke" beenden würde. Am Mittwoch hieß es im gleichen Blatt, dass er "nicht mal Glück brauchte" wie sonst.

Am Dienstagabend hatte Santos, 67, wohl auch deshalb so entspannt im Pressesaal gesessen, weil ein wenig Genugtuung durch seinen Körper geflossen war. In den vergangenen vier Monaten habe er "mit viel Respekt die Kritiken und Analysen" registriert, "die euch zustehen", wie er den Journalisten zugewandt sagte. "Aber mir steht es zu, ein ruhiges Gewissen zu haben, in den Spiegel zu schauen und zu sehen, was ich gut und was ich weniger gut mache. Das ist meine Arbeit." Und er hatte sie erledigt.

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Seine Mannschaft zeigte tatsächlich eine Reihe von Tugenden, mit denen man etwas anfangen kann: die Fähigkeiten zu leiden und Widerstände zu überwinden, Willen und Konzentration. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa, der im Stadion zugegen war, lief durch die Mixed Zone und nahm mal alles pars pro toto: "Wir Portugiesen sind so. In den entscheidenden Momenten wissen wir eine Antwort."

Selbst wenn Ronaldo nicht Weltmeister werden sollte - sein Ego würde aus Katar wohlgenährt zurückkommen

Ob das in jeder Hinsicht stimmt, wird sich noch erweisen müssen. Aber einen brillanten Kader haben die Portugiesen schon. Was Danilo Pereira und der schon 39-jährige Pepe in der Innenverteidigung abräumten, ist von granitartiger Solidität; die beiden Außenverteidiger Nuno Mendes und João Cancelo hatten immer wieder gute Vorstöße und doch ihren Rücken im Blick; und die vielen - latent oder ausdrücklich - offensiven Kräfte wie Moutinho, Bernardo Silva, Bruno Fernandes, Diogo Jota, Otávio sind von solcher Qualität, dass der blendende Reservist João Félix nicht richtig vermisst wurde.

Und Torwart Diogo Costa? Wurde von den Nordmazedoniern nicht geprüft, die Kontrolle des Spiels "war total", sagte Trainer Santos. Dafür blieb die Frage erlaubt, ob der alternde Ronaldo wirklich nötig ist. Auch wenn er am ersten Tor der Portugiesen durch einen Doppelpass mit Bruno Fernandes entscheidend beteiligt war.

Portugal ist ein möglicher Gegner Deutschlands in der Vorrundengruppe

Aber selbst wenn er nicht Weltmeister werden sollte - Ronaldos Ego würde aus Katar wohlgenährt zurückkommen. Ein Tor dort - und Ronaldo wäre der erste Spieler der Geschichte, der in fünf unterschiedlichen Endrunden trifft, vor Legenden wie dem Brasilianer Pelé oder den Deutschen Uwe Seeler und Miroslav Klose. Und der Weltrekord an Länderspielen ist nicht mehr weit. Er steht mit 186 Partien an dritter Stelle, hinter Bader Al-Mutawa (Kuwait/191) und Soh Chin Ann (Malaysia/195).

Portugal wird am Freitag zu den acht gesetzten Mannschaften zählen - und ist damit ein möglicher Vorrundengegner des DFB-Teams, die es nur in Lostopf zwei geschafft haben. "Wir alle haben einen Traum, den wir uns gern erfüllen würden: Ich, die Mannschaft, alle Portugiesen", sagte Trainer Santos. Warum dieser Traum realistischer sei als vor vier Jahren? "Wegen dieser Mannschaft, wegen dieser Spieler, wegen ihrer Fähigkeiten, weil wir schon bei zwei Turnieren gezeigt haben, dass wir gewinnen können ...", brummte er. "Wir haben das Recht, zu träumen. Und wir werden diesen Traum jagen."

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