Peter Fischers Abschied bei in Frankfurt:Beifall für den Präsidenten der Haltung

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Sagte zum Abschied gar nicht leise Servus: Eintracht Frankfurts scheidender Präsident Peter Fischer. (Foto: Arne Dedert/dpa)

"Kein Platz für Rassismus und Diskriminierung": Peter Fischer wiederholt bei seiner letzten Eintracht-Versammlung noch einmal seine Kernbotschaften - und wird zum Abschied nach fast 25 Jahren im Amt von 2500 Mitgliedern gefeiert.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Die Jahrhunderthalle im Frankfurter Stadtteil Unterliederbach hat in ihrer langen Geschichte schon viele besondere Sportereignisse erlebt. Aber wann gab es dort solche großen Emotionen wie am Montagabend bei der Mitgliederversammlung von Eintracht Frankfurt? In der Spitze bis zu 2500 Menschen - Rekordbesuch in der langen Historie - bereiteten Peter Fischer einen bewegenden Abschied. Die Ovationen für den Eintracht-Präsidenten, der fast ein Vierteljahrhundert im Amt war, wollten gar nicht mehr enden. Und die meisten konnten sich nicht daran erinnern, dass hier an Ort und Stelle schon mal so laut und lange geklatscht wurde.

Der Beifall schwoll zum Orkan, als der zu Tränen gerührte Fischer, 67, noch einmal betonte, was er zuletzt immer wieder - meist sehr laut - ausgerufen hatte: "Bei uns gibt es keinen Platz für Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung." Die Frankfurter Eintracht sei ein "bunter Klub" mit 112 verschiedenen Nationalitäten, eine "internationale Familie", so Fischer. Und wer diese Werte nicht lebe, "den schmeißen wir raus". Den Jubel aus der Halle erhielt Fischer zu einem Zeitpunkt, als keine elf Kilometer Luftlinie entfernt auf dem Frankfurter Römer unter freiem Himmel Abertausende zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus zusammenkamen. Fischer war in den vergangenen Jahren vor allem als Mann mit klarer Haltung abgefeiert worden, weil er sich als einer der ersten Funktionäre aus dem bezahlten Fußball gegen den Aufstieg der AfD positioniert hatte. Sein politisches Engagement will er als Ehrenpräsident des Klubs fortsetzen: "Dieser Kampf gegen rechts ist und bleibt meine Lebensaufgabe."

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Auf den üblichen Rechenschaftsbericht hatte der präsidiale Paradiesvogel mit dem Faible für blumige Sprache und schrille Kleidung diesmal verzichtet. Sein Nachfolger Mathias Beck, mit einer überwältigenden Mehrheit der 1867 Stimmberechtigten ins Amt gehievt, will an der gesellschaftlichen Orientierung des Bundesligisten mit inzwischen fast 140 000 Mitgliedern nichts ändern: "Wir werden keinen Zentimeter von unseren Werten abrücken." Der zuvor im Verwaltungs- und Aufsichtsrat engagierte und ebenfalls gefühlsmäßig stark mit dem Adler verbundene Immobilienkaufmann Beck ("meine Liebe zur Eintracht ist lebenslang und unzertrennlich") möchte das Angebot von 50 Sportarten weiter ausbauen, um auch hier eine Vielfalt zu garantieren.

Beck, 52, kommt zugute, dass der Verein und die Eintracht Frankfurt Fußball AG als Tochtergesellschaft inzwischen gut verzahnt sind. Das frühere Etikett der "launischen Diva vom Main" hat der Klub fast vollständig abgelegt. Keine andere traditionsreiche Marke im deutschen Fußball kann in den vergangenen Jahren auf eine derart rasante sportliche und wirtschaftliche Entwicklung verweisen.

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Über Peter Fischers Anteil an diesem Aufstieg sagte Vorstandssprecher Axel Hellmann: "Du weißt genau, was andere besser können als du - und stärkst ihnen den Rücken." Sein Freund Fischer hatte ihn gleich in seinen Anfangsjahren als Strategen im Klub eingebunden. Als Hellmann, 52, nach dem Abgang von Heribert Bruchhagen mehr Macht im Vorstand bekam, setzte die Häutung des Vereins von der grauen Mittelstands-Maus zum bunten Vorzeigeverein mit internationalem Geltungsbedürfnis ein.

Als er auf der Frankfurter Geschäftsstelle anfing, gab es acht Mitarbeiter, einen Computer und eine Kaffeemaschine

Der DFB-Pokalsieg 2018 und der Europa-League-Triumph 2022 waren Meilensteine. Und keiner zelebrierte diese Erfolge so sehr wie der wegen seines ausschweifenden Privatlebens als "Party-Präsident" titulierte Fischer - es gibt sogar einen Aufkleber, auf dem der Zwei-Meter-Mann aus dem hessischen Lich den Pokal über den Kopf gestülpt hat. Fischer, gesundheitlich angeschlagen, war mit seinem Lebenswandel gewiss kein Vorbild, aber er gilt längst als Identifikationsfigur für die Eintracht und für Frankfurt. Anfangs schuftete er 60 Stunden die Woche für den Klub, der zur Jahrtausendwende noch als Sanierungsfall galt. Bei einer Verwaltungsratssitzung im Sommer 2000 stimmten die Mitglieder eher aus Mangel an Alternativen für den gelernten Werbekaufmann mit Zweitwohnsitz auf Ibiza. Auf der Geschäftsstelle am Riederwald fand er damals acht Mitarbeiter vor, eine Kaffeemaschine, einen Computer - und "Ratten im Keller", wie er oft erzählte.

Als Fischer damals davon sprach, der Klub müsse mehr als 10 000 Mitglieder haben und ein Trainingszentrum bauen, las er tags darauf in der Zeitung, dass er doch "liebe wieder surfen" solle. Doch er entwickelte das richtige Gespür dafür, wer wie und wann am besten zur Eintracht passte. Und niemand schien in guten wie in schlechten Zeiten den Puls der Fans besser zu fühlen als Fischer. Allerdings wurden Auswüchse des gewaltbereiten Teils der Frankfurt Ultras zu oft von ihm relativiert.

Dass sich Frankfurt nach dem Abstieg 2011 ungeniert als "Randalemeister" feierte, daran trug der zur Verharmlosung neigende Klubchef eine Mitschuld. Als sein persönlicher Tiefpunkt müssen die staatsanwaltschaftlichen Drogenermittlungen gelten. Obwohl das Verfahren vor einem Jahr eingestellt wurde, blieb ein fader Beigeschmack. Für Fischer war es "eine reine Luftnummer" - aber gleichwohl der Anstoß, von seinem Amt mit langem Anlauf am 5. Februar 2024 zurückzutreten. Letztlich hätte es dafür keinen besseren Zeitpunkt geben können.

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