Trauerfeier:Pelés Sarg wird im Stadion aufgebahrt

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Die monumentale Christusstatue im Süden von Rio de Janeiro leuchtet nach Pelés Tod in Brasiliens Nationalfarben. (Foto: Bruna Prado/AP)

Der Tod des Nationalhelden versetzt Brasilien in Trauer. Die Fans bekommen 24 Stunden Zeit, um sich von ihrem Idol zu verabschieden - allerdings erst, wenn die neue Regierung im Amt ist.

Von Christoph Gurk

Es war noch früher Nachmittag, als Brasiliens TV-Sender am Donnerstag auf einmal ihr Programm unterbrachen. "Eine traurige Meldung hat uns gerade erreicht", sagte eine ernste Moderatorin bei Canal Globo, einem der größten Sender des Landes. "Pelé ist gestorben. Der König ist tot." Es war die Nachricht, die viele in Brasilien seit Tagen erwartet hatten, die aber doch niemand hören wollte.

Der Tod des 82-Jährigen hat das Land in tiefe Trauer gestürzt: Pelé mag für viele Fans weltweit der größte Fußballspieler der Geschichte gewesen sein, ein Jahrhunderttalent, dreimaliger Weltmeister. Für viele Brasilianer aber war er noch viel mehr als das, nicht nur ein Sportler, sondern auch ein Vorbild und Nationalheld. Einer, auf den sich alle einigen konnten in einem ansonsten teils grotesk ungleichen und tief gespaltenen Land.

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Der Fußball trauert um seinen vielleicht Größten. Spieler aus Brasilien und der ganzen Welt drücken ihren Respekt für Pelé aus. Seine Familie erinnert an sein Vermächtnis für zukünftige Generationen, Franz Beckenbauer verliert auch einen Freund.

Und so kannte Brasilien am Donnerstag auch kein anderes Thema mehr als Pelé. Schon vor einigen Wochen war der 82-Jährige in ein Krankenhaus in São Paulo eingeliefert worden, er kämpfte gegen Darmkrebs, die Chemotherapie schlug nicht an, zudem gaben die Mediziner Nieren- und Herzfunktionsstörungen bekannt. Fans litten mit ihm, es gab Gebete und Genesungswünsche aus der ganzen Welt, aber dennoch war im Grunde klar: Pelés Tod war nur noch eine Frage der Zeit. Und als er dann am Donnerstag tatsächlich starb, waren die Nachrufe alle längst geschrieben, die Fotostrecken gebaut, die Clips mit den besten Toren schon zusammengeschnitten und sendefertig.

Und dennoch: Am Schmerz änderte all das nichts.

Vor dem Krankenhaus in São Paulo versammelten sich trauernde Fans. In Rio legten sie Blumen vor dem Maracanã-Stadion nieder, in dem Pelé am 19. November 1969 sein 1000. Tor erzielte. In Santos, der Hafenstadt, in der Pelé fast zwei Jahrzehnte lang spielte, pilgerten Menschen zum Stadion des örtlichen Fußballklubs.

Trauer um Pelé am Stadion in Santos. (Foto: Amanda Perobelli/Reuters)

Dort soll in Absprache mit den Angehörigen am Montag eine öffentliche Trauerfeier stattfinden. Auch hierfür haben die Vorbereitungen bereits vor Tagen begonnen: Zelte wurden auf dem Rasen aufgebaut, Abläufe festgelegt. 24 Stunden werden die Fans Zeit haben, am Sarg Abschied zu nehmen. Danach gibt es eine Prozession durch die Straßen von Santos - vorbei auch am Kanal 6, wo Pelés Mutter Dona Celeste wohnt. Sie wurde kürzlich 100 Jahre alt.

Pelés Leichnam wird dann im Memorial Necrópole Ecumênica, einer Art Friedhofs-Wolkenkratzer, bestattet. Dort hat Pelé nach eigenen Aussagen schon vor knapp 20 Jahren einen Platz reserviert - im neunten Stock, weil das die Rückennummer war, die sein Vater während seiner Spielerlaufbahn benutzte, und mit direkter Sicht auf das Stadion von Santos, in dem Pelé so viele Spiele absolvierte.

Auf dem Spielfeld des Stadions Vila Belmiro im brasilianischen Santos wurden schon Zelte aufgebaut. Dort soll die Öffentlichkeit ab Montag von Pelé Abschied nehmen können. (Foto: Matias Delacroix/dpa)

Die Trauerfeier ist so durchgeplant, dass Zeitungen in Brasilien sie schon mit der Beerdigung von Königin Elizabeth II. vergleichen: Riesige Menschenschlangen hatten sich im September in London gebildet, Tausende Trauergäste wollten der Monarchin persönlich Lebewohl sagen. Ähnliches soll nun in Santos mit " o rei" passieren, dem König Pelé.

Bei der Trauerfeier werden auch Sportler erwartet, Prominente und Politiker. Nach Pelés Tod veröffentlichten so gut wie alle großen brasilianischen Fußballklubs Trauerbekundungen, darunter selbst alte Widersacher wie Corinthians São Paulo: "In diesem Moment der Trauer gibt es keine Rivalität", so der Verein im Netz. "Wir applaudieren Ihnen, Eure Majestät."

Auf Instagram schrieb der brasilianische Nationalspieler Neymar, vor Pelé sei Fußball nur ein Sport gewesen, mit ihm aber habe sich dann alles verändert: "Er hat den Fußball in eine Kunst verwandelt, in Unterhaltung, er hat den Armen eine Stimme gegeben, den Schwarzen und vor allem hat er Brasilien Sichtbarkeit gegeben."

Pelé, hier im Jahr 1975, wurde 82 Jahre alt. (Foto: AP/AP)

Auch Brasiliens gewählter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva drückte im Netz seine Trauer aus. Er postete Bilder, die ihn zusammen mit dem Fußballstar zeigen, darunter schrieb der linke Politiker, er habe das Privileg gehabt, ihn im Stadion spielen zu sehen: "Vielen Dank, Pelé."

Lula da Silva tritt Anfang Januar sein Amt an

Spätestens hier erreicht der Tod des Fußballers dann auch eine politische Ebene, trifft er Brasilien doch zu einem Zeitpunkt höchster Anspannung. Nach einem extrem polarisierenden Wahlkampf und einem knappen Sieg an den Urnen wird Lula da Silva zu Jahresbeginn sein Amt als Präsident von Südamerikas größter Demokratie antreten. Seit Wochen schon gibt es immer wieder Demonstrationen von Anhängern des rechten Amtsinhabers Jair Bolsonaro. Vor Kasernen fordern sie ein Eingreifen des Militärs, immer wieder schlagen die Proteste in Gewalt um, und die Angst vor Anschlägen ist groß.

Dass die Trauerfeier für Pelé fast eine halbe Woche nach seinem Tod stattfindet, hängt auch mit alldem zusammen: Erst gibt es die Amtseinführung am 1. Januar. Danach wird es vermutlich eine der ersten Handlungen des neuen Präsidenten Lula da Silva sein, einen der größten Nationalhelden Brasiliens zu Grabe zu tragen.

Der amtierende rechte Staatspräsident Bolsonaro hat derweil ebenfalls eine knappe Trauerbekundung im Netz veröffentlicht. Dazu hat seine Regierung drei Tage Staatstrauer ausgerufen.

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