Paris Saint-Germain:Neymar - der Traumstifter von Paris

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  • Der Brasilianer Neymar wird bei seiner Vorstellung in Paris wie ein Staatsmann empfangen.
  • Er soll Paris Saint-Germain endlich die Träume vom Gewinn der Champions League erfüllen.
  • Die 222 Millionen Euro Ablöse, die PSG für ihn bezahlte, werden nun wohl den Transfermarkt in den Wahnsinn treiben.

Von Oliver Meiler

Dann war er endlich da, ein schmächtiger, schlecht rasierter junger Mann im eng geschnittenen, dunklen Anzug, weißes Stecktuch in der Brusttasche. Ersehnt wie ein verspätetes Geschenk und verrückt teuer erkauft, für 222 Millionen Euro - es fehlte nur das Schleifchen. Paris ist ja nicht leicht zu beeindrucken. Grandeur gehört zum Standard, zum Selbstverständnis. Doch dieser Neymar Junior, schreibt jedenfalls die Zeitung L' Equipe, befördert Paris, dessen Verein Saint-Germain und den französischen Fußball insgesamt in eine "neue Dimension". Er allein, als wäre er ein Raumschiff.

Über dem Podium der Pressekonferenz, bei der er offiziell vorgestellt wurde, stand groß: "Dream bigger", träum größer. Neymar spielt in diesem Motto den Traumstifter, nicht den Träumenden. Vielleicht müsste man sich auch mal der Frage widmen, was ein solch dröhnendes Hallo mit einem jungen Menschen anstellt.

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Neymar wirkte am Freitag, als bewege er sich mit natürlicher Nonchalance in dem ganzen Wahnsinn, der ihn da umschwirrt. Paris habe er nicht wegen des Geldes gewählt, sagte er, davon hätte er anderswo mehr erhalten können. Mehr also als 30 Millionen Euro im Jahr, netto. Dass er nun der teuerste Fußballer der Historie sei, verändere seine Bedeutung nicht, sein Gewicht sei schließlich noch immer dasselbe: "69 Kilogramm". Ein bisschen prägen will er den Sport aber schon, ein bisschen an dessen Geschichte schreiben.

Auf den Champs-Élysées standen sich die Passanten die Beine in die Bäuche, um möglichst zu den Ersten zu gehören, die im eilig umgebauten Laden des Vereins ein Trikot von PSG mit der "10" und dem Namenszug des Brasilianers auf dem Rücken kauften. Für 140 Euro. Über Nacht waren einige Tausend bedruckt worden. Manche Fans fürchteten wohl, dass es schon bald keine mehr geben könnte, doch zumindest in diesem Punkt dürfen sie wohl gelassen sein. Andere warteten den halben Tag vor dem Hotel Royal Monceau, einem Fünfsternepalast im VIII. Arrondissement. Da wohnen die Neymars in diesen ersten Pariser Tagen, alle, auch Juniors Mutter und Schwester sind angereist, der Vater sowieso. Das Hotel gehört, wie PSG, dem Emir von Katar. Der beschenkt sich mit dem Transfer Neymars selber mindestens so generös wie die Anhänger seines Vereins.

Mit "Ney" soll der ersehnte Erfolg in der Champions League her

Das französische Fernsehen schickte seine Kameraleute auf halsbrecherische Fahrten auf Motorrädern, um auch ja keinen Schritt Neymars zu verpassen. Das tut es sonst nur nach der Wahl eines Präsidenten. Emmanuel Macron übrigens, der amtierende Staatschef, ließ ausrichten, Neymars Kommen sei "eine gute Nachricht für Frankreich". Es beweise nämlich, dass das Land attraktiv sei. Immerhin: Macron widerstand der Versuchung, die beiden Ereignisse, seine Wahl zum Präsidenten und Neymars Rekordwechsel vom FC Barcelona zu PSG, in eine direkte Kausalkette zu stellen. Der Präsident ist ein passionierter Fan des Rivalen im Süden, von Olympique Marseille.

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Ob die Operation auch sportlich gelingt, hängt maßgeblich davon ab, ob sich mit "Ney" endlich auch der internationale Erfolg einstellt, in der Champions League. Nur diese größte Trophäe zählt, nur sie gibt die erhoffte Strahlkraft. Dafür hatte Katar den Verein vor sechs Jahren gekauft, dafür pumpt es jedes Jahr Hunderte Millionen in den Verein. PSG ist das Imagevehikel des Emirats, der Marketingmotor. Wer an Katar denkt, soll an Fußball denken, an die Weltmeisterschaft 2022, an Spektakel und Zirkus, und besser nicht an die wüsten Geschichten über die angebliche Nähe Dohas zu islamistischen Extremisten, an geopolitische Wirren in der Region, an katastrophale Arbeitsbedingungen auf den Baustellen.

Mit französischen Pokalen allein, so nett die sich auch machen in der Sammlung eines jungen Klubs wie PSG, glänzt man nicht in der Welt. Nun träumt man also wirklich groß - dank dem Mann mit dem weißen Stecktuch. So elegant hat man Neymar selten gesehen. Er war gekleidet wie ein Botschafter, der zum Kamingespräch erwartet wird. Das passt ja auch zur neuen Rolle: Neymar wird zum wichtigsten Botschafter Katars. Vielleicht muss man ihn dann auch einmal fragen, ob er sich dieser politischen Komponente bei seiner Anstellung voll gewahr sei.

Neymar sagte bei seiner Vorstellung, er sei nur da, um zu spielen, und man möchte ihm glauben. Am liebsten würde er das schon an diesem Samstag tun, zum Saisonstart im Parc des Princes gegen Aufsteiger Amiens. Doch wahrscheinlich reicht die Zeit nicht aus für das Bürokratische. Der Gastverein ließ unterdessen wissen, er verfüge über einen Jahresetat von 22 Millionen Euro. Das ist ein Zehntel von Neymars Transfersumme.

Die 222 Millionen Euro aus Katar liegen jetzt also in Barcelona. Sie dopen den Markt. Das politische Kalkül des Emirs verändert den europäischen Fußball wahrscheinlich nachhaltig. Unmittelbar ist ein Dominoeffekt zu erwarten, eine Serie von viel zu teuren Transfers unter großen Vereinen. Am meisten Ersatzbedarf hat natürlich Barça, dem eine Spitze aus dem Dreizack fällt: Neymar formte in den vergangenen Jahren mit Lionel Messi und Luis Suárez einen aufregenden Sturm - 298 Tore insgesamt, dreizehn Titel.

Wollten die Katalanen Neymar mit einem ähnlichen Spielerprofil ersetzen, einem linken Flügelstürmer als Zuträger von Messi und Suárez, kämen zwei sehr junge Herrschaften in Frage, zwei französische Großtalente: Ousmane Dembélé von Borussia Dortmund und Kylian Mbappé von AS Monaco. Dembélé ist 20, Mbappé gar erst 18. Unter 100 Millionen Euro, so hört man, wollen ihre Vereine aber gar nicht erst verhandeln. Und da nicht nur Barça um sie buhlt, sondern auch Real Madrid und Manchester City, treibt das ihren Transferpreis in absurde Höhen. Für Mbappé, der erst eine einzige, wenn auch spektakuläre Saison in den Beinen hat, wurde schon mal die Summe von 180 Millionen Euro herumgereicht. In Barcelona bemüht man sich außerdem um den Brasilianer Philippe Coutinho, 25, einen offensiven Mittelfeldspieler vom FC Liverpool. Auch seine Verpflichtung soll nun plötzlich über 100 Millionen kosten, wenn man ihn denn überhaupt ziehen lässt. Und Juventus Turin würde den Argentinier Paulo Dybala, 23, offenbar nur abgeben, wenn Barça 140 Millionen Euro überwiese.

Neue Dimensionen eben, Science-Fiction im Fußball. Fragt sich nur, ob der Markt von selber wieder abkühlt, wenn die vielen Millionen aus Katar dann mal alle verprasst sind. Ohne Eingriff des europäischen Verbandes Uefa, ohne neue, strengere Regeln für das Financial Fairplay im Fußball. Möglich ist es, aber wohl nicht sehr wahrscheinlich.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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