Olympique Marseille:Ohne Präsident und ohne Trainer

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Es brennt bei Olympique Marseille: Der Trainer ist weg, der Präsident wohl auch. Die Fans, hier beim Heimspiel gegen Toulouse am Sonntag, immerhin bleiben. (Foto: Clement Mahoudeau/AFP)

Pablo Longoria fühlt sich von den Anhängern bedroht und soll sich aus dem Verein zurückgezogen haben. Trainer Marcelino tritt daraufhin am Tag vor dem ersten Europa-League-Spiel gegen Ajax Amsterdam zurück.

Von Stefan Galler, Marseille/München

Im Normalfall ist ein Fußballverein gesegnet, wenn er über begeisterungsfähige und idealerweise treue Fans verfügt. Bei besonders emotionsstarken Klubs wie Olympique Marseille kann die Liebe aber schnell zum Fluch werden. Dazu passt, dass zu Beginn dieser für OM sportlich so wichtigen Woche mit dem Start in die Europa-League-Gruppenphase an diesem Donnerstag (21 Uhr) bei Ajax Amsterdam und dem französischen "Classique" am Sonntag bei Paris Saint-Germain ein Treffen von Präsident Pablo Longoria und anderen Klubvertretern mit Anführern von sieben Fangruppen völlig aus dem Ruder lief.

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Die Delegation, der neben Longoria auch Fußballdirektor Javier Ribalta, Finanzchef Stéphane Tessier und Geschäftsführer Pedro Iriondo angehörten, sah sich massiven Anfeindungen ausgesetzt, vor allem im Bezug auf die Personalpolitik des Vereins, in der es seit Jahren keine Kontinuität mehr gibt. Auch in diesem Sommer wurde der Kader einmal mehr runderneuert. So trennte man sich etwa von den beim Anhang verehrten Ex-Herthaner Mattéo Guendouzi (Lazio Rom), Alexis Sánchez (Inter Mailand) sowie Klubikone Dimitri Payet, 36, dessen Vertrag aufgelöst wurde und der nun bei Vasco da Gama in Brasilien spielt. Im Gegenzug kam unter anderem der ehemalige Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang, mittlerweile 34.

"Wir müssen den Lügen Einhalt gebieten", sagt Fanklub-Chef Poutet

Der kroatische Trainer Igor Tudor musste trotz Platz drei in der abgelaufenen Ligue-1-Saison gehen, er wurde durch den Spanier Marcelino Garcia Toral ersetzt, der zuvor unter anderem die spanischen Erstligisten Villarreal, Valencia und Athletic Bilbao angeleitet hatte. Bei den Ultras fanden all diese Änderungen wenig Anklang, zumal Marseille - wenn auch äußerst unglücklich - in der Champions-League-Qualifikation an Panathinaikos Athen scheiterte und in der Liga zwar nach fünf Spielen noch ungeschlagen ist, jedoch nur zwei Siege einfahren konnte und beim 0:0 gegen Toulouse am Sonntag im heimischen Vélodrome zum wiederholten Mal äußerst fade Fußballkost darbot.

Da kam das Treffen mit dem Präsidium zur Unzeit. Wie der Präsident des einflussreichen Handi Fan Club OM, René Poutet, im Gespräch mit der Zeitung La Marseillaise betonte, sei kein wirklicher Dialog zustande gekommen: "Wenn einer der vier Klubvertreter etwas sagen wollte, unterbrach ihn immer jemand aus der Gruppe der Fans, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen. Nach 20 Minuten beschlossen alle, das Treffen zu beenden."

Rücktritt vorm Europa-League-Auftakt: Marseilles bisheriger Trainer Marcelino Garcia Toral. (Foto: Clement Mahoudeau/AFP)

Der Klub versandte am Dienstag eine Pressemitteilung, in der es heißt, die Transformation des Vereins sei elementar, damit der Champions-League-Sieger von 1993 "auf das höchste Niveau zurückkehren" könne. Jedoch sei den Vorständen mit "Krieg" gedroht worden für den Fall, dass sie nicht zurücktreten. Fanklub-Chef Poutet wehrte sich gegen diese Darstellung: "Wir müssen den Lügen Einhalt gebieten. Es gab zwar Worte wie ,raus da' oder ,pack deine Koffer'. Aber keine Morddrohungen."

Laut Medienberichten soll der 37 Jahre alte Longoria sein Amt zumindest vorübergehend bereits niedergelegt haben, gleiches gilt für Trainer Marcelino, der sich am Mittwochvormittag nach nur drei Monaten im Amt von der Mannschaft verabschiedete und die Reise nach Amsterdam gar nicht erst antrat. Zunächst hatte es geheißen, dass der Präsidenten-Berater und ehemalige FC-Bayern-Profi Jean-Pierre Papin als Interimscoach beim Europa-League-Spiel gegen Ajax auf der Bank sitzen würde. Nun sickerte durch, dass der frühere Marseille-Spieler Jacques Abardonado das Team dort betreut.

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