Olympia:Taiwan? Frau Yan schnauft!

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Erstaunliche Botschaften: Yan Jiarong, die Sprecherin des Pekinger Organisationskomitees, hat einen denkwürdigen letzten Auftritt bei den Olympischen Winterspielen. (Foto: Xue Yuge/Xinhua/Imago)

Eine Sprecherin der Pekinger Spiele-Organisatoren sagt, Taiwan sei ein unzertrennbarer Teil Chinas und Berichte über Lager in Xinjiang basierten auf "Lügen". Protokoll einer denkwürdigen Vorstellung.

Von Johannes Knuth

Die Presserunde des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und der Organisatoren der Pekinger Winterspiele (OK) am Donnerstagmorgen begann wie immer, mit jenem Vorgeplänkel, das oft daherkommt wie eine Bekanntmachung des Stadtbezirks München-Perlach über das neue Grünflächennutzungsgesetz. Yan Jiarong, die Sprecherin des OK, erwähnte die Corona-Fälle in den vergangenen 24 Stunden- erstmals null Fälle in der gesamten Olympia-Blase und am Flughafen! -, dann verlas Frau Yan den Wetterbericht für die Bergregionen (leichter bis moderater Schneefall) und stellte eine freiwillige Helferin der Spiele vor, die sie stellvertretend in die Presserunde geladen hatte. Diese "wundervollen" Helfer, voller Professionalität und Freundlichkeit, seien "die beste Visitenkarte jeder Stadt", sagte Frau Yan.

Dann begann eine Fragerunde, die vieles war, nur keine gute Visitenkarte für die Pekinger Organisatoren.

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Es ging los mit einer Frage eines Reporters, der darauf hinwies, dass die Delegation aus Taiwan weder zur Eröffnungs- noch zur Schlussfeier antreten wollte - ein gewisser politischer Akt, Taiwan steht ja seit Langem unter gewaltigem Druck Chinas, milde gesagt. Mark Adams, der IOC-Sprecher, reagierte unverbindlich wie immer: Er kenne nicht alle Details, aber die Teilnahme an den Zeremonien sei nun mal verpflichtend. Adams hatte schon den nächsten Reporter aufgerufen, als man das Schnaufen von Frau Yan unter der Maske hören konnte.

Konzentrationslager in Xinjiang? Die Antwort des IOC-Sprechers ist hoch interessant

Sie müsse da etwas klarstellen, sagte sie scharf: "Es gibt nur ein China in der Welt." Und: "Taiwan ist ein unzertrennbarer Teil von China." Das sei ein international weit anerkanntes Prinzip - eine, nun ja, eher weite Interpretation. Man stemme sich jedenfalls gegen alle Versuche, "die Spiele zu politisieren", so Frau Yang, die nun genau das tat: Sie nutzte die Olympiabühne für politische Botschaften, in diesem Fall für die chinesische Parteilinie, die fast wie eine Kriegserklärung klang.

Das Thema hing Adams und dem OK jetzt nach wie ein dickes Kaugummi am Schuh. Was er zum politischen Statement von Frau Yan zu sagen habe? "Unser Interesse hier gilt den 206 Olympia-Komitees", sagte Adams, während er nervös vor sich Blätter hin und her sortierte. Das Olympia-Komitee Taiwans heißt übrigens Chinesisch Taipeh, auch schon ein politisches Statement, aber gut. "Es gibt alle möglichen Ansichten zu allen möglichen Dingen auf der Welt", sagte Adams.

Nächste Frage: Wie stelle das IOC sicher, dass ihr Kleidersponsor dem IOC keine Outfits aus Zwangsarbeit zuliefere? Anta Sports, der IOC-Ausrüster, hatte in Vergangenheit bekräftigt, dass er Baumwolle aus Xinjiang verarbeite - aus jener Region im Nordwesten Chinas, in der nach Lage der Dinge rund eine Million Uiguren brutal in Lagern interniert sind. Was die IOC-Kleider betreffe, sei man sich ganz sicher, dass dort nur Baumwolle von außerhalb Chinas enthalten sei bzw. inzwischen gar keine mehr, sagte Adams. Zu anderen Produkten in Antas Kollektion könne er nichts sagen.

Am Ende dankt die Sprecherin allen Journalisten für die gute Zusammenarbeit

Dafür hatte Frau Yan noch etwas mitzuteilen. Sie sprach von "sogenannten Zwangsarbeiten in Xinjiang" und "Lügen", die "bestimmte Organisationen" verbreiten würden. Das provozierte wiederum eine Frage eines deutschen Reporters, wie das IOC zu solchen Aussagen stehe - und vor allem zu "Konzentrationslagern" und "Zwangsarbeit" in Xinjiang?

Adams' Antwort war hoch interessant. Er ging mit keiner Silbe auf die Konzentrationslager ein. Hätte das IOC Zweifel daran, wäre es ein Leichtes gewesen, einen deutschen Reporter daran zu erinnern, dass er mit derartigen Begriffen vorsichtig sein sollte. Aber Adams sagte: "Das ist eine Ansicht von Frau Yan, die nicht besonders relevant ist für diese Pressekonferenz, ganz sicher ist sie nicht relevant für das IOC. Wir nehmen den Schutz der Menschenrechte sehr, sehr ernst - im Rahmen der Olympischen Spiele." Und in dieser Sphäre gehe es allein darum, eine bessere Welt aufzuzeigen - ignorierend, dass viele Gastgeber den Sport gerade instrumentalisieren, um Menschenrechtsverletzungen zu kaschieren und eine bessere Welt vorzugaukeln. Adams hielt nun fast ein leidenschaftliches Plädoyer, er erwähnte sogar den politischen Boykott mancher Regierungen; dass selbst diese Länder, "die mit China Dispute haben, den Wert von Diplomatie" anerkennen würden.

Noch mal Auftritt Frau Yan nach dieser Friedensbotschaft: Die Fragen aus dem Plenum basierten "stark auf Lügen". Kurz darauf war die Pressekonferenz dann auch vorbei, und als die Reporter schon aufgesprungen waren, lachte Frau Yan plötzlich laut auf. Da dies ihr letzter Auftritt in diesem Auditorium war, habe sie noch etwas zu sagen: Sie sei "hoch erfreut", dass sie in den vergangenen Wochen mit Herrn Adams und den "Journalisten aus China und aller Welt" zusammenarbeiten durfte.

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