Skispringen bei Olympia:Überall Unverständnis

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Erst gut gesprungen, dann geweint: Die Deutsche Katharina Althaus gehört zu den fünf Springerinnen, die im Mixed disqualifiziert wurden. Die Empörung danach war groß. (Foto: Hannah Mckay/REUTERS)

Ausgerechnet bei Olympia will der Weltverband ein Exempel beim Material statuieren. Doch mit dem Ausschluss von fünf Skispringerinnen im Mixed untergräbt er die eigene Glaubwürdigkeit.

Kommentar von Volker Kreisl

Der erste Teil der olympischen Skisprungwettbewerbe ist vorüber, es geht nun auf den großen Bakken nebenan. Das Kleinschanzenspringen zeigt eine besondere Kunst, weil da ein schlechter Absprung nicht mehr durch langes Fliegen ausgeglichen werden kann. Meist entwickeln sich spannende Wettbewerbe, manche haften in der Erinnerung als Sternstunden dieses Sports. Doch bei den Spielen 2022 ist das anders. Was zurückbleibt, ist ein Eindruck von chaotischer, willkürlicher und womöglich parteiischer Wettkampfführung.

In allen drei Springen gab es Probleme, die nicht von den Akteuren selbst herrührten. Am Samstag verweigerte der slowenische Rennleiter der letzten Springerin - der Deutschen Katharina Althaus - die volle, sonst immer gewährte Wartezeit für besseren Wind, womit die Slowenin Ursa Bogataj gewann. Am Tag darauf, bei den Männern, reagierte die Jury zum wichtigsten Zeitpunkt bei strammem Rückenwind nicht mit einer Anlaufverlängerung, weshalb bis auf den Sprung- und Windkenner Ryoyu Kobayashi die restlichen Top Ten der Welt keine Chance mehr hatten. Und am Montag dekonstruierte der Weltverband Fis durch seinen relativ neuen Materialkontrolleur vor den Augen der Welt Stück für Stück einen zunächst spannenden Mixed-Wettkampf zu einer Farce.

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Die Olympia-Premiere des Mixed-Springens entwickelt sich zunächst spannend. Dann aber werden Teile der besten Teams disqualifiziert, darunter die Deutsche Katharina Althaus - und der Abend verkümmert zur Groteske.

Von Volker Kreisl

Geweint wird schnell bei den Spielen, es kommt ja auch viel zusammen für manche Athletinnen und Athleten. Aber in diesem Mixed-Springen war die Situation noch weiter verschärft. Die fünf nach und nach disqualifizierten Springerinnen fühlten sich schuldig, für das Aus ihres ganzen Teams. Dabei war, so beteuerten sie, ihr nun monierter, weil angeblich zu weiter Sprunganzug jeweils derselbe, der im Einzel zuvor als korrekt durchgegangen war.

Der Spielraum, den der Vorgänger des Materialchefs gewährte, hatte sich über Jahrzehnte bewährt

Diese Groteske ist einem Materialproblem geschuldet, das es so nur im Skispringen gibt: dem Anzug, genauer gesagt dem Stoff. Dieser hat alle möglichen Eigenschaften, er wärmt, ist luftdurchlässig, vor allem aber auch dehnbar. Das Material kann sich daher vor dem Sprung noch verändern, etwa wenn die Athletin oder der Athlet nicht aufpasst und irgendwo leicht hängenbleibt. Andererseits macht der Anzug auch viel aus für den Erfolg, wer auf Sicherheit schneidert, der verliert alle Chancen. Weil somit bereits wenige Millimeter genügen, um die Grenzen zu überschreiten, hatten die Kontrolleure bei der Auslegung eines dehnbaren Stoffes auch stets im gewissen Rahmen dehnbare Regeln angewendet.

Doch nun ist also zum Vierjahreshöhepunkt - bei der Premiere der überfälligen zweiten olympischen Medaillenchance der Springerinnen, vor den Augen der Welt - offenbar ein Exempel statuiert worden. Einiges spricht dafür: Die Anwesenheit des Fis-Materialkontrolleurs Mika Jukkara deutet darauf hin, dass der Weltverband selbst den Anstoß zum abrupten Durchgreifen gegeben hatte. Und Jukkara ist von der bewährten Linie seines Vorgängers, stets einen gewissen Spielraum zu bewahren, abrupt abgerückt, die Kontrollen fielen entsprechend drakonisch aus. Entscheidend aber ist im Skispringen ein einheitlicher Maßstab bei der Bewertung von Material, ein Vorgehen, das über die gesamte Saison konstant und verlässlich bleiben muss. Was nun geschehen ist, versteht kein Sportler, kein Betreuer, und - besonders schlimm für Olympia und dessen Image - auch kein Zuschauer.

Schon bei den Windspringen zuvor hatte die Rennleitung nach einem allzu festen Schema schnell entschieden. Insgesamt entsteht nun der Eindruck, dass es mehr und mehr ums sture Einhalten von Regeln geht und weniger um Gerechtigkeit in einem komplizierten, von vielen Einflüssen geprägten Sport.

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