Olympia:Ein Bob, der seine Macken hat

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Im Ziel: Kaillie Humphries, erste Olympiasiegerin im Monobob. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Olympia hat sich der Gleichheit für die Geschlechter verschrieben - deshalb gibt es nun den Monobob für Frauen. Das Rennen in Peking zeigt, dass das Format Zukunft haben könnte.

Von Volker Kreisl

Betrachtete man das Endergebnis nach vier Läufen, dann waren alle Vorurteile bestätigt. Auf dem Podium dieses immer noch ungewohnten Rennens landeten die erfahrensten und besten Bobnationen. Jene, die schon immer dominiert hatten, mit ihrem Überfluss an Trainingszeit, an Bobbahnen und auch an Geld.

Es ruckelten bei dieser olympischen Frauen-Premiere keine Riesenzigarren mit Bordcrew die Bahn hinab, sondern eher wie gekappt aussehende Einer-Schlitten, die dann auch noch teilweise in den Steilkurven quer schlitterten wie Surfer auf einer Welle. Selbst die Besten, die beiden US-Pilotinnen Kaillie Humphries (Gold), Elana Meyers Taylor (Silber), die Bronzegewinnerin Christine de Brujn aus Kanada und auch die viertplatzierte Deutsche Laura Nolte, die lange auf Medaillenkurs gelegen hatte, sahen nicht immer wie die erfahrenen Top-Pilotinnen aus, die sie eigentlich sind. Das also sollte der große Coup sein, der den Bobsport der Frauen aufmischt, international voranbringt und endlich zu wirklicher Gleichberechtigung führt?

Trotz Lenkfehlern und Bandenchecks - es wurde eine spannende Olympiapremiere

Tatsächlich aber sagen Podiumsbesetzungen noch nichts über die Umwälzungen in einem Sport aus. Veränderungen beginnen an der Basis und setzen sich dann auf den hinteren Plätzen fort, und dafür war der erste olympische Einzelbob-Lauf schon ziemlich weit entwickelt. Denn, auch wenn noch viele Lenkfehler und Bandenchecks passierten, so war es doch ein erstaunlich spannender und vielfältiger Wettkampf.

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Bis zuletzt wurde darüber diskutiert, was für die Bobsportlerinnen gerechter wäre: die zweite Disziplin genauso zu gestalten wie die der Männer, oder ein eigenes Format zu finden. Mit anderen Worten, auch einen Viererschlitten einzuführen - oder einen Einer. Auch einen Cadillac oder einen Fiat Cinquecento. Weil es aber immer noch zu wenige gut geübte Pilotinnen gibt, erschien dem Weltverband IBSF die leichtere Variante sicherer.

Herauskam nun vor den Augen des Weltpublikums eine abwechslungsreiche Olympiapremiere, welche die Entscheidung für den Kleinschlitten nachträglich rechtfertigte und nebenbei noch außergewöhnliche Lebensgeschichten erzählte, etwa durch Siegerin Humphries, die für lange Erfahrung steht, und durch die fünftplatzierte Quereinsteigerin Breeana Walker, deren Beispiel für die Mono-Zukunft stehen könnte.

Humphries hat den neuen Bob dazu genutzt, ein Zeichen zu setzen

Kaillie Humphries, 36, war schon als kanadische Bobsportlerin kämpferisch und erfolgreich aufgetreten, zwei Olympiasiege hatte sie errungen, 2010 und 2014. Diesen Erfolgsjahren folgte eine schwere Zeit, Humphries fühlte sich von einem Bob-Funktionär bedrängt und mental misshandelt und sah einen Ausweg darin, die Staatsbürgerschaft ihres US-amerikanischen Ehemanns anzunehmen. Das dauerte Jahre, beim Blick zurück sagte sie nun dem Guardian: "Ich musste kämpfen. Es war hart, viele Leute standen mir im Weg." Das ist oft die Grundlage für einen Misserfolg - oder für einen emotionalen Sieg.

Sorgten für einen US-amerikanischen Doppelerfolg im Monobob: Kaillie Humphries (rechts) gewann nach vier Läufen Gold, ihre Landsfrau Elana Meyers Taylor Silber. (Foto: Daniel Goetzhaber/imago)

Die souveränen Fahrten der Kaillie Humphries entpuppten sich als später Höhepunkt ihrer Karriere. Ob Monobob oder nicht, es ging ihr auch um eine Demonstration dafür, dass ihr Widerstand und ihre eigenen Entscheidungen letztlich richtig waren. Gewonnen hat sie dann mit dem überragenden Vorsprung von 1,54 Sekunden nach vier Läufen.

Humphries hat den neuen Bob dazu genutzt, ein Zeichen zu setzen, hat ihn als Herausforderung angenommen. Den Deutschen ist das nur halb gelungen. Laura Nolte mehr, Mariama Jamanka überhaupt nicht. Nach einem desaströsen ersten Lauf, eher ein Rumpeln als ein Fahren, hatte sie quasi schon nach halber Strecke keine Chance mehr. Dabei ist Jamanka eine glänzende Lenkerin, war Olympiasiegerin im Zweier vor vier Jahren, aber eben auch meinungsstark und schon immer Anhängerin des Mannschaftsprinzips. "Bobfahren ist Teamsport", sagte Jamanka immer wieder, worin größere Bedeutung steckt. Denn damit meint sie nicht nur ihre Anschieberinnen, sondern auch ihre eigene Position als Kleinunternehmerin, Teamchefin und Technikspezialistin. Bobfahren, so der Ansatz, ist eine komplexe Leistung, mehr als der bloße Auftritt mit einem x-beliebigen Sportgerät.

Der Monobob mag manchen unattraktiv erscheinen, aber er ist gerecht

Dafür gab es allseits Verständnis, nur, hielte man an diesem Ansatz fest, würde dann nicht eine große Chance verpasst? Die Befürworter setzten sich letztlich damit durch, dass ein fast für jederfrau praktisch zu lenkendes Bob-Mobil diesem Sport dienlicher ist. Und ein Paradebeispiel hatten sie auch zu bieten: Breeana Taylor. Sie entstammt dem vielleicht größten Gegenteil eines Wintersportlandes, nämlich Australien, und könnte nun ein Schulbeispiel für die Mono-Lobby werden.

Walker wollte gerade ihre ersten Zweier-Bobversuche mangels Möglichkeiten aufgeben, als der Einheitsbob zur Verfügung gestellt wurde - für Walker eine "tolle Chance". Zudem kam ihr die Pandemie entgegen. Sie blieb in Europa, wo sie sich ohnehin gerade aufhielt, lebte zusammen mit ihrem Freund, einem deutschen Bobfahrer. Walker schulte sich als Lenkerin im Eiskanal, gewann ihren ersten Weltcup und kam in der Gesamtwertung auf Rang 21 und in Peking nun also auf Platz fünf.

Eine Disziplin als Chance für Quereinsteigerinnen: Die Australierin Breeana Walker wollte eigentlich aufhören mit dem Bobsport - nun fuhr sie im Monobob auf den fünften Platz. (Foto: Julian Finney/Getty Images)

Und doch, dieser Bob hat auch seine Macken, Topfahrerinnen monierten sein leichter ausbrechendes Heck, was nun auch Jamanka teils zum Verhängnis wurde. Andererseits ist dieses Gefährt und seine Lenkung persönlich einstellbar - bis zu 100 Kombinationen gibt es - und die Kufen, auf die es so sehr ankommt, sind bei allen gleich, sie bestehen aus Stahl aus einheitlicher Produktion.

Das klingt alles prima, doch der Weg ist noch nicht zu Ende. Olympia hat sich auch der Gleichheit für die Geschlechter verschrieben, und so praktisch und zukunftsfähig dieser Schulbob auch sein mag - mit dem Cadillac kann er es nicht aufnehmen. Olympiasportler streben immer nach dem Äußersten und für die meisten Bobfahrerinnen ist das auch der Viererbob. Somit bleibt für sie die Hoffnung, dass über die Lehrjahre genügend Kompetenz entsteht, damit niemand mehr behaupten kann, für sie sei der Vierer zu gefährlich.

Kaillie Humphries wollte schon lange Cadillac fahren, doch die Zeit war noch nicht so weit. Dafür ist sie mit ihrem Einer-Titel nun dreimalige Olympiasiegerin und träumt weiter von voller Geschlechter-Gleichheit, also von "drei Rennen für alle". Denn irgendwann würden die Frauen auch im Vierer sitzen und die Männer, logisch, auch im Monobob.

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