Biathlon:"Er ist der Grund, warum ich hier sitze"

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Ein "Bödium" auch in Peking: Die norwegischen Brüder Johannes Thingnes Bö (rechts) und Tarjej Bö schaffen es beide aufs Podium bei den Winterspielen. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Mit Gold und Bronze im Sprint feiern Johannes Thingnes und Tarjei Bö ihren größten Erfolg als Brüder. Sie stärken sich gegenseitig - für den älteren erfüllt sich ein letzter sportlicher Wunsch. 

Von Saskia Aleythe, Zhangjiakou

Tarjei Bö schloss die Augen und streckte die Nase Richtung Himmel, diesen Moment musste er jetzt genießen. In seinem Arm sein kleiner Bruder, beide standen sie zusammen auf dem Treppchen, das zu ihren Ehren im Weltcup schon mal umbenannt wurde: Das Podium wurde dann zum "Bödium", wenn die Bös unter den Besten ihr Rennen beendeten. Und nun also, Samstagabend in Zhangjiakou: Da hatte sich Johannes Thingnes Bö, der kleinere, die Goldmedaille im Sprint gesichert, Bronze ging an Tarjei Bö, es war nach all den Staffelerfolgen ihr größter Familienmoment.

Quentin Fillon Maillet aus Frankreich hatte sich dazwischen geschoben und Silber gewonnen, ihn und Johannes Thingnes Bö verbindet eine freundschaftliche Rivalität - beide sind in China schon mit drei Medaillen aus drei Rennen dekoriert. Und so vereinten sich in diesem Sprint viele Geschichten, die emotionalste aber war: Dass Tarjei, der ältere Bö, nun auch seine Olympia-Medaille aus einem Einzelrennen mit nach Hause nehmen kann. "Es bedeutet mir alles", sagte der 33-Jährige. Und meinte wohl auch, dass er diesen Moment mit jemandem teilen konnte, der ihn so gut versteht wie es sein Bruder eben tut.

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Nur wegen Tarjei hatte Johannes, 28, überhaupt mit dem Biathlon angefangen, das betonte er jetzt nochmal, als er auf dem Pressepodium saß. "Er ist der Grund, warum ich hier auf sitze, auf dem ersten Platz", sagte Johannes. Reibungslos lief es aber nicht immer zwischen ihnen ab: "Biathlon ist einfach im Vergleich zu den Kämpfen, die wir miteinander hatten", sagte er, halb im Scherz, aber diese Zeit liegt lange hinter ihnen. Die Bronze-Medaille sei wie Gold für seinen Bruder, "ich bin stolzer auf ihn als auf mich selbst".

Johannes galt als Corona-Kontaktperson, er musste sich isolieren und allein trainieren

Tarjei war 2010 schon Staffel-Olympiasieger in Vancouver geworden, hatte 2011 die Gesamtwertung im Weltcup gewonnen - mit 22 Jahren, so jung war vor ihm bei solchen Erfolgen niemand. "Mein Ziel war es, so viel wie möglich zu gewinnen, bevor er erwachsen ist", sagte Tarjei über Johannes, er hatte schon im Gefühl, dass der Jüngere ihn überholen würde. So kam es dann auch, drei Mal gewann er schon den Gesamtweltcup. Tarjeis letztes Ziel in China: Endlich diese Solo-Medaille bei Olympischen Spielen zu ergattern. Es sind seine letzten, für Bö lief nun ein Countdown ab: vier Chancen hatte er nur noch, sich seinen Traum zu erfüllen.

Traum erfüllt bei den letzten Olympischen Spielen: Tarjei Bö. (Foto: Jon Olav Nesvold/Bildbyran/imago)

Die erste, das Einzel am Dienstag, verstrich, da wurde Tarjei Bö Achter. Er schoss zwar nur einen Fehler, war aber auf der Loipe so langsam unterwegs wie fast die ganze Saison nicht. Ganze 2:08 Minuten trennten ihn auf 20 Kilometern von Fillon Maillet, dem Schnellsten. "Nach dem Einzel war ich ganz unten", sagte er nun, auch in solchen Momenten hilft ihm der Kontakt zu seinem Bruder. "Wenn ich Zweifel habe, ist immer er derjenige, zu dem ich gehe", sagte Tarjei, "weil er mich gut kennt, sein Leben ist dasselbe. Er hat den besten Blick auf meine Probleme. Ich denke, das macht uns stärker." 2018 bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang war er in der Verfolgung schon mal ganz nah dran an einer Medaille, doch dann unterliefen ihm beim letzten Schießen zwei Fehler, Bö wurde Vierter. Und nun: Platz drei, 1,7 Sekunden vor dem Russen Maxim Zwetkow.

Am vergangenen Samstag mussten sich die Bö-Bruder beim Jubeln über Gold mit der Mixed-Staffel noch zusammenreißen, durften sich nur mit Maske umarmen. Johannes galt als Kontakt einer positiv auf Corona getesteten Person, er musste sich isolieren und allein trainieren. Am Montag endete der Ausnahmezustand, abgebracht von seinen eigenen Zielen hat die Angelegenheit den Jüngeren nicht: Auf der Strecke in Zhangjiakou lief er nun im Sprint schneller als alle anderen, Fillon Maillet kam in der Laufzeit nur 26,9 Sekunden an ihn heran. Alle drei Medaillengewinner konnten sich dank ihrer schnellen Beine einen Fehler am Schießstand leisten.

Benedikt Doll wird im Sprint als bester Deutscher Achter

Als die Maskottchen zur Ehrung verteilt wurden, verneigte sich Silber-Gewinner Fillon Maillet vor den Bö-Brüdern, umgekehrt hat man das auch schon gesehen in dieser Saison. Fillon Maillet ist ja der Mann, der die Gesamtwertung anführt, der kleine Bö hatte seine Dominanz zuletzt eingebüßt. Benedikt Doll wurde im Sprint als bester Deutscher Achter mit einem Fehler, vom Olympiasieger hatte er auf der Strecke gar nichts mitbekommen. "Ich hab nur seine Zeiten gehört und es war schon beeindruckend", sagte Doll: "Er war heute einfach eine andere Klasse."

Bei Olympia steht es nun 2:1 für Johannes Thingnes Bö gegenüber Quentin Fillon Maillet: In der Mixed-Staffel war er auf der Schlussrunde an dem Franzosen vorbeigezogen, im Einzel hatte der Norweger das Nachsehen, nun war es wieder andersrum. Am Sonntag geht es schon in der Verfolgung weiter, "das wird ein großer Kampf", sagte Bö noch. Und hinter ihm lauert dann auch sein großer Bruder.

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