Auf der Tribüne hüpfte Bing Dwen Dwen. Das Maskottchen der Olympischen Spiele schaute beim Biathlon vorbei, dieser Panda ist ja selbst rund wie eine Scheibe, weiß und ein bisschen schwarz. Bing Dwen Dwen bekam also mit, was einem in Zhangjiakou geboten wird: Wer Richtung Schießstand guckt, der sieht nicht nur Athleten, die mit Zielscheiben kämpfen, sondern auch Sportler, die ein paar Etagen höher den Anstieg hinaufjagen. Und als Denise Herrmann am Freitagabend auf der Matte lag, da gab sie einen Schuss ab, "den sie blind besser getroffen hätte", wie sie später sagte. Angst um die Konkurrenz auf dem Hügel musste man aber nicht haben, es blieben alle unverletzt.
Normalerweise setzt die Olympiasiegerin ihre Schüsse mit Bedacht, vier Tage nach ihrer Goldmedaille im Einzel aber "ist mir der Schuss gleich rausgekommen, obwohl ich den noch gar nicht schießen wollte und auch noch nicht auf der Scheibe war." Am Montag noch das fast perfekte Rennen mit nur einem Fehler und Gold, am Freitag: zwei Strafrunden, Rang 22. Rasant nach oben, flugs wieder runter: Es ist das, was sie alle so reizt an diesem Sport und was sie gleichermaßen quält. Nun stand Vanessa Voigt mit Rang 18 als beste Deutsche in der Ergebnisliste - es war der schlechteste Sprint deutscher Biathletinnen bei Olympia.
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Dabei wollten sie eigentlich all die positiven Eindrücke der vergangenen Tage nutzen, um diese Winterspiele zu ihren zu machen: Herrmanns Einzeltitel hatten sie alle zusammen gefeiert, gemeinsam Freudentränen verdrückt, in der Interviewzone und bei der Siegerehrung. Nun ging es in die komplett andere Richtung, nun litten sie, aber jede auf etwas andere Weise.
Medaillen gingen nur an fehlerfreie Schützinnen: Marte Olsbu Röiseland aus Norwegen gewann mit Gold ihre dritte Plakette im dritten Rennen, Schwedens erst 22 Jahre alte Elvira Öberg rannte zu Silber, es war ihre erste Medaille überhaupt im Theater der Großen. Und dann war da noch die Italienerin Dorothea Wierer, die zur Hälfte der Saison erst in Form gekommen war und sich nun Bronze sicherte.
"Ich sehe gerade keinen Sinn mehr, noch weiterzumachen", sagt Preuß
Von den Deutschen versenkte nur Voigt alle Scheiben, eine Leistung in der Loipe wie bei ihrem vierten Platz im Einzel gelang der 24-Jährigen aber nicht wieder. 1:28 Minuten blieb sie läuferisch auf der 7,5 Kilometer langen Strecke hinter Röiseland zurück, der mit Abstand schnellsten Frau des Tages. Nach dem Rennen plagten Voigt Kreislaufprobleme. Auch Herrmann kam mit der 15. Laufzeit nicht an das heran, was sie zur Olympiasiegerin gemacht hatte. "Rein physiologisch ist es, glaube ich, nicht möglich, jetzt auf einmal so viel Zeit zu verlieren", sagte die 33-Jährige. Ihr Rückstand auf die Norwegerin betrug auf der Strecke fast 51 Sekunden. Man müsse jetzt "Ursachenforschung" betreiben, sagte Herrmann noch, offenbar rutschte auch das Material nicht so geschmeidig über den Schnee.
Herrmann nahm alles gefasst hin, sie hat ja schon Gold im Hotelzimmer liegen. Das macht es leichter, Enttäuschungen zu ertragen. Franziska Preuß hingegen kämpft gerade am meisten. Sie hatte Herrmann im vergangenen Jahr den Rang als beste Deutsche abgelaufen, wurde Dritte in der Gesamtwertung, es war ihr bestes Jahr. Doch nun entschied sich erst kurz vor dem Abflug, ob Preuß es überhaupt in einen Flieger nach Peking schaffen würde. Erst verletzte sich die 27-Jährige Anfang Dezember am Fuß, kurz vor Silvester erwischte sie dann das, wovor sich alle fürchten: Der Corona-Test war positiv. Das Einzel am Montag war mit Platz 25 ihr erstes Rennen nach acht Wochen, nun landete sie mit zwei Strafrunden auf Rang 30.
Preuß versuchte, sich tapfer zu geben, aber die Tränen stauten sich schon in den Augen: "Der Spaß ist weg, die Lockerheit ist weg, da hat man die Schnauze gerade ganz schön voll", sagte sie, und dann in ihrem ganzen Frust auch das: "Ich sehe gerade keinen Sinn mehr, noch weiterzumachen." Der Knackpunkt ist ihr Stehendschießen, schon im Einzel waren ihr da alle vier Fehler unterlaufen, während sie auf der Matte liegend alles traf. "Ich bin ratlos gerade, warum es da einfach nicht funktioniert", sagte Preuß. "Ich bin gerade viel zu verkopft in allem." Mit einem Rückstand von fast zwei Minuten geht sie am Sonntag ins Verfolgungsrennen.
Noch schlimmer erwischte es Vanessa Hinz mit drei Fehlern, plus 2:40 Minuten und Platz 55. Die 29-Jährige ging mit sich selbst hart ins Gericht, aber es muss ja weitergehen. "Meine Mama sagt immer: Du darfst dich eine Stunde lang ärgern und heulen, und dann muss es auch wieder gut sein", sagte Hinz also. Vielleicht ein guter Tipp fürs ganze Team.