EM-Qualifikation Österreichs:Mit Rangnick auf Sommerreise

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Marcel Sabitzer, früher beim FC Bayern, war gegen Aserbaidschan Österreichs Siegbringer. (Foto: Johannes Friedl/Gepa/Imago)

Österreich erarbeitet sich dank eines 1:0 in Aserbaidschan zum vierten Mal die EM-Teilnahme. Der Trainer baut seine Mannschaft auf Säulen wie Alaba und Arnautovic - und im Unterschied zu früher breitet sich im Land ein angenehmer Realismus aus.

Von Felix Haselsteiner

Nun hat auch das Tofiq-Bahramow-Stadion in Baku einen Platz in Österreichs Fußballgeschichte. In großen und kleinen Arenen spielte sich das stete Auf und Ab dieser kleinen Fußballnation ab, die im Laufe der Jahrzehnte immer wieder daran scheiterte, mal eine große zu werden, auch wenn das Talent dafür mitunter vorhanden gewesen wäre. Córdoba und Gijón wären als Schauplätze österreichischer Spiele für die Ewigkeit zu nennen, Wunder, Schmach und Schande, je nach Perspektive. Oder Landskrona, jener kleine schwedische Ort, an dem die noch kleineren Färöer 1991 den damaligen ÖFB-Teamchef Josef Hickersberger mitsamt seiner Wunderoffensive aus Toni Polster und Andreas Herzog in die Verzweiflung trieben.

Man wird daran gerade nicht denken, weil in Österreich Euphorie umgehend nach Schlusspfiff eintritt und für eine gefährliche Vergesslichkeit sorgt, sobald einmal ein bedeutendes Fußballspiel gewonnen wird. Aber: Beinahe wäre auch Baku zu einem traurigen Ort geworden.

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Denn an einem tristen Montagabend vor der fast armselig anmutenden Kulisse von gut 7000 Zuschauern in Aserbaidschans zweitem Nationalstadion hatte in der Nachspielzeit Tural Bayramov, 22, aus Baku die Chance, Teil der abwechslungsreichen Fußballhistorie Österreichs zu werden. Frei vor dem Tor kam Bayramov an den Ball, der Ausgleich lag ihm auf den Füßen, doch sein Schuss traf den linken Pfosten und verlor sich im leeren Stadiondunkel. Ein 1:1 hätte Österreichs Feier verhindert, aber es blieb beim 1:0-Sieg in Aserbaidschan, weshalb das Team von Trainer Ralf Rangnick nun für eine wesentlich kürzere Reise planen kann: Im kommenden Sommer wird Österreich bei der EM in Deutschland antreten. Während in Brüssel das Parallelspiel der Quali-Gruppe F nach einem Attentat gegen schwedische Fans abgebrochen wurde, konnte Team Austria in Gedanken beim Fußball bleiben.

"Es ist immer etwas sehr Besonderes, sich für eine EM zu qualifizieren", sagte Mittelfeldspieler Konrad Laimer, die Historiker werden ihm recht geben. Zum vierten Mal erst nimmt Österreich an einer Endrunde teil, zum dritten Mal in Serie nach einer sportlichen Qualifikation. Statistiker werden zwar entgegenhalten, dass es schon die Aufstockung auf 24 Teilnehmer vor der EM 2016 brauchte, um dies möglich zu machen. Doch diesmal gibt es ein Gegenargument: Diese österreichische Mannschaft hätte sich vermutlich in jedem Modus qualifiziert. Sie präsentiert sich nämlich - anders als in der jüngeren Vergangenheit - nicht nur spielfreudig und talentiert, sondern auch beachtlich widerspenstig und schwer besiegbar.

Österreich präsentiert sich als beachtlich widerspenstig und schwer zu schlagen

Zwei souveräne Siege gegen Schweden stehen 2023 zu Buche, dazu ein Unentschieden und eine knappe Niederlage zuletzt gegen Belgien sowie neun Punkte gegen Aserbaidschan und Estland, Fußballnationen von der Güteklasse der Färöer - also grundsätzlich eher Austria-Angstgegner. Und die Bedingungen waren nicht immer die einfachsten für Rangnicks Team: "Wir haben gefühlt in jedem Lehrgang mit einer anderen Startformation gespielt, aber man hat gespürt, dass wir immer enger zusammenrücken, auch wenn wir natürlich noch einiges verbessern müssen", sagte Laimer.

In Baku etwa fehlten David Alaba, Marko Arnautovic, Michael Gregoritsch, Stefan Posch und Kevin Danso - fünf Führungs- oder zumindest Startelfspieler. Dazu kamen missliche Kuriositäten: Rangnick und Co-Trainer Peter Perchtold konnten wegen Visum-Problemen am Vortag erst nach einem mehrstündigen Aufenthalt am Flughafen von Baku einreisen.

Heraus kam keine hochklassige, aber eine wehrhafte Partie gegen Aserbaidschan. Laimer hatte nach 18 Minuten die beste Chance zur Führung, vergab allerdings per Heber. Marcel Sabitzers Elfmeter nach 48 Minuten brachte letztlich das 1:0, das nur in der hitzigen Schlussphase gefährdet war: Erst gab es den Pfostentreffer von Bayramov, dann sah Gästestürmer Guido Burgstaller bei seinem Comeback nach bereits angetretener Pension im Jahr 2019 innerhalb von zwei Minuten die gelb-rote Karte (90.+4).

Dem Perfektionisten Rangnick war das an diesem Abend herzlich egal: "Das war eine außerordentliche Leistung in den letzten Wochen und Monaten", sagte der Teamchef, "ich habe den Jungs gesagt, dass ich sehr stolz auf sie bin. Unsere Quali-Gruppe war eine der schwierigsten." Den gefürchteten Gegner Schweden hinter sich zu lassen, muss man Rangnick tatsächlich hoch anrechnen: Insbesondere das 3:1 in Solna im September sticht als reife, taktisch hervorragende Leistung hervor und steht für den Weg, den Ralf Rangnick, 65, mit Österreich eingeschlagen hat.

Er baut seine Mannschaft auf Säulen wie Alaba und Arnautovic auf, vor allem aber auf einem Gerüst aus fußballerischen Prinzipien, die auch auf ihn selbst in seiner einstigen Rolle als RB-Chefstratege in Salzburg zurückgehen - und die diese gut ausgebildete aktuelle Spielergeneration umsetzen kann. Dass daraus nicht nur Stabilität, sondern auch offensive Spielfreude entsteht, ist der große Unterschied zu Vorgänger Franco Foda. Dessen Defensivtaktik hatte zu einer Krise im Verhältnis zwischen Nationalteam und Nation geführt.

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Die gesicherte EM-Teilnahme hat die Zweifel vorerst beseitigt, obwohl sich unter Rangnick auch ein angenehmer Realismus ausgeprägt hat. Die Qualifikation war bei aller Freude auch eine Art Erwartungserfüllung. "Wir haben wieder eine Euphorie entfacht, nicht zu viel, aber wir haben uns doch eine Wertschätzung erarbeitet", beschrieb Sabitzer die Lage treffend. Und schon vor der Sommerreise ließe sich diese Wertschätzung noch einmal ein Stück steigern. Historisch gesehen entstand Euphorie in Österreich nämlich meistens nach Erfolgen gegen den großen Nachbarn aus Deutschland - schon beim Testspiel im November bietet sich dafür eine neue Gelegenheit.

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