Norwegens Botschaft an Katar:Mutiger als alle vor ihnen

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Deutliche Botschaft: Erling Haaland vor Norwegens Spiel gegen Gibraltar. (Foto: Vegard Wivestad Grott/Bildbyran/Imago)

Die norwegische Nationalelf mahnt die Menschenrechtslage beim nächsten WM-Gastgeber Katar an. Die Aktion macht Hoffnung, dass Bewegung in das Thema kommt - und findet schon Nachahmer.

Kommentar von Sebastian Fischer

Erling Haaland ist in seiner jungen Karriere schon oft als Stürmer mit dem Potenzial für Weltklasse-Leistungen aufgefallen, allerdings noch eher selten als Sportler mit einer Meinung zu gesellschaftspolitischen Fragen oder überhaupt als leidenschaftlicher Rhetoriker. Seine Antworten in den üblichen Interviews nach Spielen sind meistens knapp, und die Hinweis auf seine Interessen abseits des Platzes in den sozialen Netzwerken waren bislang eher trivialer Natur. Insofern ist es bemerkenswert, dass Haaland, 20, gemeinsam mit seinen Kollegen im norwegischen Nationalteam eine mutigere Haltung zu einer der wichtigsten sportpolitischen Fragen der Gegenwart gezeigt hat, als es bisher der gesamten Fußballbranche gelungen war - und damit nun auch in Deutschlands Nationalspielern seine Nachahmer gefunden hat.

"Menschenrechte - auf und neben dem Platz", das stand in Schwarz auf weißen T-Shirts, die Norwegens Nationalspieler vor dem 3:0 gegen Gibraltar am Mittwoch trugen. Es war der erste Spieltag der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Katar 2022, und die Worte waren eine Botschaft an das Ausrichterland, das weiterhin für die Verletzung von Menschenrechten in der Kritik steht. Am Donnerstag folgte eine Aktion der deutschen Nationalmannschaft vor dem Spiel gegen Island: "HUMAN RIGHTS", ein Buchstabe pro Spieler der Startelf, stand in weißen Lettern auf schwarzen Grund auf den T-Shirts während der Nationalhymne.

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"Wir wollen den Fokus auf die Dinge lenken, über die im Vorfeld diskutiert wurde, darauf hatten auch die Jungs große Lust" - das hatte Norwegens Nationaltrainer Stale Solbakken gesagt. Für ihn seien "Sport und Politik miteinander verbunden", erklärte er, und der Sport sei in der Lage, "eine Botschaft zu senden". Dass man den Weltverband Fifa unter Druck setzen wolle, damit dieser gegenüber Katar härter auftritt, hatte der Trainer bereits vorher angekündigt. Und dieser Druck wird nun womöglich noch etwas größer durch die unangekündigte Aktion der Deutschen.

Während die Menschenrechts-Organisation Amnesty International zu Wochenbeginn in einer neuen Bewertung konstatierte, dass die positiven Reformen der vergangenen Jahre in Katar "allzu häufig nur unzureichend umgesetzt" würden, sodass Tausende Arbeitsmigranten "nach wie vor ausgebeutet und missbraucht werden", betont die Fifa meist den "Fortschritt", den die Vergabe im Jahr 2010 angestoßen habe. Der DFB nannte die Vergabe des Turnieres in die Wüste zwar eine in vielerlei Hinsicht problematische Entscheidung, versteckte sich darüber hinaus bislang aber komfortabel hinter kaum aussagekräftigen Lieblingsphrasen wie jener, die Menschenrechtslage am Austragungsort intensiv zu diskutieren.

Und nun? Machen zwei Aktionen zumindest ein bisschen Hoffnung auf etwas Bewegung in der Sache. Auch durch ihre Entstehungsgeschichte. So war die Initiative der Norweger, bei allem Respekt, nicht allein auf die Haltung der Spieler zurückzuführen, die sich die T-Shirts überzogen. In Norwegen wird seit Wochen über einen möglichen WM-Boykott gesprochen, den inzwischen mehrere Erstligisten und viele Fans unterstützen. Angestoßen hatte die Boykott-Forderung Klubchef Öyvind Alapnes vom Klub Tromsö IL, der schnell Unterstützer fand. Norwegens Nationalmannschaft will im Falle einer erfolgreichen Qualifikation zwar in Katar antreten, die Debatte haben die Fußballer allerdings angenommen.

In Deutschland sind es Teile der Fans, die den Boykott fordern. Und die Nationalmannschaft hat das immerhin nicht ignoriert.

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